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nextroom fragt: Gasparin & Meier
nextroom fragt: Gasparin & Meier © Peter Putz

Ihre Bauwerke sind bewusst konfigurierte Ensembles von Einzelkomponenten, deren Räume und Formen sich aufeinander beziehen. Die Form ist ein Zusammenwirken von Konzeption und Konstruktion, die konstruktive Logik tritt in Resonanz mit der typologischen Rationalität, die gesamte Komposition ist das Ergebnis rationalen Ordnens. Eine Architektur als selbstverständlicher Lebens-Raum, als Hintergrund für menschliche Tätigkeiten, fernab der großen Geste oder des Zitats. Sonja Gasparin und Beny Meier im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

24. Juli 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Challenge ist immer beides – Herausforderung und Chance: Im Team zu arbeiten ohne dass man es gelernt hat – unsere Ausbildung war damals noch nicht teamorientiert – und über dreißig Jahre erfolgreich zusammen zu arbeiten. Zur Zeit sind wir ein sehr kleines Team, falls es eng wird, haben wir Aushilfen oder wir kooperieren. Gerne pflegen wir auch unsere Kontakte in unserem Dreiländereck und arbeiten mit ArchitektInnen aus Ljubljana und Italien zusammen. Sprachlich tun wir uns mit Italienisch leicht, ansonsten profitieren wir vom Sprachenreichtum der Slowenen. Wir haben ja beide an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert, Beny ging dazwischen nach Venedig, das Diplom machte er wiederum in Wien, daher auch die guten Kontakte nach Italien.
Unsere Aufträge resultieren vorwiegend aus Wettbewerben. Wir beide arbeiten eng zusammen, ergänzen uns, doch es kristallisiert sich meist eher zufällig doch eine ProjektleaderIn heraus, der oder die das Projekt dann weiter betreut. Wenn möglich machen wir in der Planung alles, bis ein Gebäude fertig ist, am liebsten inklusive Einrichtung und wenn es die Aufgabe zulässt, beginnen wir selbstverständlich beim Städtebau/Ortsbau.

Was inspiriert Sie?

Was inspiriert wozu? Der Geist wird natürlich durch Unterschiedlichstes angeregt, die Frage ist nur, gibt es überhaupt zielgerichtete Inspiration. Denn man füllt ja den Hinterkopf mit vielen, vielen unterschiedlichen Eindrücken, aus denen ergibt sich bei richtiger Gelegenheit eine Idee oder es wird etwas verstärkt. Es ist nicht so, dass man wie Daniel Düsentrieb einen Leuchtkopf kriegt, Architektur ist zu komplex, und vor allem ein Entwicklungsprozess, mit vielen Beteiligten. Der Beruf der ArchitektInnen ist so vielfältig, dass in allem und überall eine Inspirationsquelle zu finden ist. Mit offenen Augen durch die Welt gehen, alte und neue Situationen zu betrachten, zu verstehen ist eine Basis. Eine weitere Inspirationsquelle sind die Architekturwettbewerbe. Man setzt sich mit der jeweiligen Aufgabe intensiv auseinander, entscheidet sich für ein Konzept, und ist dann doch immer wieder überrascht, wie viele unterschiedliche Sichtweisen und Lösungen es zum selben Thema gibt. Nicht zu vergessen ist die Bauaufgabe per se. Zu dieser gibt es immer einen Ort, die Auseinandersetzung mit beidem, die Interdependenz, hat immer zu außerordentlichen Lösungen geführt. Das ist für uns das Wesen der Architektur.
Noch etwas Wertvolles: ein erhellendes, vorwärtsbringendes Gespräch. Wir stecken heute in einem Spezialistentum fest und das hat im hohen Grad zu einem Nicht-Verstehen geführt. Eine Offenheit gegenüber dem, was sich aus einer Diskussion entwickeln möchte ist hier bereichernd, sei es unter KollegInnen, StatikerInnen oder ganz wichtig, mit den AuftraggeberInnen.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Zu unserer täglichen Arbeit gehört selbstverständlich sich mit Baugesetzen und Normen auseinanderzusetzen. Das Problem ist jedoch, dass die aktuelle Fülle aus teilweise widersprüchlichen Anforderungen schwer zusammengeführt werden kann. Jede SpezialistIn, jede/r Sachverständige kann den Fokus nur auf seinen eigenen Teilbereich legen. Dieses Zerbröseln in einzelne kleine Verantwortungsbereiche mit möglichst vielen Hosenträger-Gürteln und sonstigen Absicherungen konterkariert das Generalistentum, das ja die Architektenschaft auszeichnet bzw. auszeichnen sollte. Man könnte meinen, es ist ein Kampf gegen Windmühlen, wenn Beteilige sich damit der gemeinsamen Verantwortung für einen konstruktiven Prozess entziehen. Genauso die heute oftmalige Unsichtbarkeit der Bauherrschaft. Das kommt bei privaten AuftraggeberInnen nicht vor, es gibt jedoch immer häufiger Konstruktionen, wo die Verantwortungs- und Entscheidungsfelder nicht klar geregelt sind. Diese Konstellationen sind nicht ideal.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Wir haben ja nicht die große Menge, aber doch Projekte aufzuweisen, zu denen wir immer noch stehen. Unsere Haltung ist, vordergründige Moden zu vermeiden. Zwei Projekte wollen wir erwähnen: Eines, das sehr stark mit dem Naturraum zu tun hat, wo es auch um den Maßstab, die Ausdehnung und Platzierung geht, sodass ein Gebäude keine Bedrängung sondern Ergänzung eines kleinen Sees darstellt – das Badehaus am Aichwaldsee. Das zweite ist das SeniorInnenwohnhaus in Salzburg Nonntal, bei dem die Inspiration aus der Gegebenheit eines eng gegriffenen Bauplatzes an einem rahmenden denkmalgeschützten Altersheim aus der Kaiserzeit kommt. Es ist ein besonderes Konzept geworden, bei dem der Altbau mit seinen Qualitäten als Vorgabe verstanden und das Neue möglichst behutsam eingefügt wurde. In Wertschätzung beider konnten wir eine neuartige Typologie entwickeln.
Für uns ist wesentlich, nicht nur den jeweiligen Flecken mit einer gestellten Aufgabe zu betrachten, sondern eine Lösung zu erarbeiten, die im größeren Umfeld einen Mehrwert darstellt. Wie beim Gemeindezentrum in Afritz, wo wir durch die Aufteilung der Funktionen in zwei Gebäude – Veranstaltungshaus und Gemeindeamt – im Zusammenwirken mit Kirche, Kirchhof und einem Bestandsbau, für dessen Erhaltung wir uns eingesetzt haben, zugleich einen Dorfplatz schaffen konnten. Oder beim Heiligengeist-Platz in Klagenfurt und beim Bahnhofsvorbereich in Villach, wo es uns gelungen ist, den Fußgängern Priorität und mehr Raum einzuräumen, aber zugleich alle Anforderungen des Verkehrs neu zu lösen.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Zum einen ist der interne Diskurs unter den ArchitektInnen ebenso wichtig, wie die Art und Weise, wie sich unsere Berufssparte nach Außen präsentiert. Und wieder ist hier nach unserer Ansicht der Architekturwettbewerb wesentlich, nicht nur für das Abgleichen, Aufgreifen und die Entwicklung von Ideen, sondern auch in der Vermittlung an die Gesellschaft, damit sie Baukultur versteht und die Logik und den Wert von bestimmten Lösungen nachvollziehen kann. Die Bevölkerung hat ein Recht auf Vermittlung von Bauvorhaben, sie ist immer ‘Anrainer’ im öffentlichen Raum.
Beklagenswert ist das Manko von qualitätsvollen Architekturbesprechungen in den Medien. Bezahlte und damit missverständliche Anzeigen der Immobilienwirtschaft oder schlecht ausgewählte Projekte auf den Wohnen-Seiten von Tageszeitungen sind nicht förderlich für das Architekturverständnis.
Auch die Ethik in der Architektur ist ein wichtiges Thema: Dürfen wir alles planen was bestellt wird, auch wenn sich aus dem Lesen eines Ortes, einer Stadt oder Landschaft ergibt, dass ein bestimmtes Vorhaben eine Überfrachtung sein würde? Themen wie Bodenversiegelung, graue Energie, Fußabdruck, Nachverdichtung usw. – um ein paar Schlagwörter anzuführen – dürfen wir nicht außer Acht lassen. Was immer eine/r Einzelne/r baut, die Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft ist einzulösen.
Denken wir an die Entwicklungen rund um Einkaufzentren, verbunden mit der Entleerung der Dörfer, Städte. Zurzeit ist Urbanismus eher von der Haltung geprägt, froh über jeden Investor zu sein und ihm entgegenzukommen. Eine große Freiheit für das Kapital ist hier zu beobachten. Und wenn ein Standort für die InvestorInnen nicht mehr genug abwirft, zieht man weiter. Man müsste sich eigentlich Gesetze überlegen, die das Freiräumen des nicht mehr benutzten Ortes regeln. Nomaden hinterlassen einen Ort immer wie sie ihn vorgefunden haben, im besten Sinne. Solche Auflagen müssten schon mit der Baugenehmigung verbunden werden.
Schlussendlich geht es um eine lebenswerte Umwelt. Ein großes Thema über das man reden sollte, ist die Geschwindigkeit. Die Ansätze bei Slow-food mit regionalen Produkten, Maßhaltigkeit und Qualität lassen sich uneingeschränkt auch auf das Bauen übertragen. Es geht um Synergien, die entstehen, wenn man dem Projektieren einen entsprechenden Zeitraum einräumt und diese Leistung auch gut bezahlt. Nur so bekommt man, nur so erzeugt man Wertbeständigkeit!
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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