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nextroom fragt: Rainer Köberl
Architektur ist räumliches Werkzeug für Leben, sagt Rainer Köberl. Jede Bauaufgabe verlangt die Verwebung der Eigenheiten und Stimmungen des konkreten Ortes mit den funktionalen und inhaltlichen Anforderungen. Rainer Köberl im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.
7. Januar 2019
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?
Zur Zeit arbeiten wir in einem kleinen Team mit lauter ArchitektInnen, die schon lange dabei sind, fast alle sind aus ihrem studentischen Leben hineingewachsen. Das Vorurteil, dass Junge keinen praktischen Zugang zum Bauen hätten, kann ich nicht bestätigen, eher im Gegenteil, dieser scheint so manchen angeboren zu sein.
Wir machen eigentlich alles: von städtebaulichen Studien – daraus folgende Auftragswerke gibt es leider kaum – bis zu Kleinstaufgaben. Von der Tiefe her geht es bei den Bauwerken immer bis zum Möbel. Die Palette reicht vom öffentlichen WC in Innsbrucks Altstadt über Cafés, Sushi Bars, Restaurants und Geschäftslokale, eine Weinkellerei in Südtirol mit Walter Angonese, bis zu großen Bankgebäuden, Ausstellungsbauten wie das Adambräu mit giner&wucherer, die MPreis-Supermärkte und die Dorfkerngestaltung in Fließ sowie ein Steinbockmuseum zusammen mit Daniela Kröss oder eine Berghütte auf 2300 Metern, wo alles nur mit Hubschrauber funktioniert.
Was inspiriert Sie?
Ich lese gerade ein Buch von Inge Andritz, „Mies van der Rohe und Japan“, und im letzten Absatz steht, dass der Architekt feststellte:„... am meisten inspirierten mich alte Bauten“. Das würde ich für mich auch so sehen, es reicht zurück bis in die Kindheit, was unbewusst in Räumen und der Natur erlebt wurde. Doch vorwiegend entsteht die Inspiration aus der Arbeit. Vor Jahrzehnten hat mich Peter Handkes ,Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt‘ zu einem Text angeregt: Man begegnet einer Außenwelt und die Innenwelt ist quasi was sich in einem Bauwerk davon ableitet, also diese Mischung zwischen dem Ort, wo ich sagen würde, das ist die Innenwelt der Außenwelt und dem was drinnen passiert. Es Ist zwar keine Neuigkeit, aber Architektur kann nicht ohne dem Geschehen im Inneren gedacht werden, wenngleich bei Umbauten sich das Innenleben völlig ändern, sich zum Neuen entwickeln kann.
In der losen Reihe ,small is beautiful‘, die in der Zeitschrift aut: info zu kleinen, guten, ,unterbelichteten‘ architektonischen Arbeiten erscheint, knüpfe ich an einen bekannten Text von Louis Kahn an: „Die Quelle dessen, was ein Ding sein will, ist der Anfang der Form. Form umgibt eine Harmonie von Systemen, ein Gefühl für Ordnung und das, was eine Existenz von der anderen unterscheidet. Form hat weder Gestalt noch Dimension. [...] Form ist ,was‘. Entwurf ist ,wie‘. Form ist unpersönlich. Entwurf gehört zum Entwerfer.“ Weniger bekannt, doch vielleicht für ArchitektInnen heute brisanter, ist der Schluss dieses Textes: „Ich möchte aber mit all dem, was ich gesagt habe, kein Denk- und Arbeitssystem schaffen, das von der Form zum Entwurf führt. Entwürfe können ebenso gut zu einer Form führen. Diese Wechselbeziehung bedeutet für den Architekten eine dauernde Spannung.“ Kahn unterscheidet also zwischen dem persönlichen Entwurf und dem was zu einer Aufgabe allgemein gültig ist, schreibt jedoch zum Schluss, er wolle daraus kein Dogma entwickeln, das Wesen der Aufgabe zu suchen, sondern es kann quasi auch aus der persönlichen Interpretation die Lösung für irgendeine Aufgabe kommen, aus dem Großen genauso wie aus dem ganz Kleinen. Wer von uns baut schon beispielsweise eine Schule, die er aus dem Wesen heraus entwickeln kann. In der Realität ist es teilweise so, dass man unter eher widrigen Umständen trotzdem zum allgemein Gültigen finden muss.
Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?
Sind es die Bauherren, wenn sie nicht gefunden werden? Ich bin kein Friedrich Kiesler, dessen einziges realisiertes Gebäude der „Shrine of the Book“ in Jerusalem war. Bei mir entstehen die Visionen über die Bauaufgabe. Ansonsten würde ich da gar keine Begrenzungen sehen, weil die Einschränkungen Teil der Aufgabe sind. Wenn wenig Geld da ist, dann ist halt wenig Geld da. Selbst dieser Behördenwahnsinn ist zwar durchaus mühsam, gehört jedoch zur Arbeit dazu. Wenn ich mich frage, was eigentlich besser geworden ist, in den letzten zwanzig, dreißig Jahren, fällt mir nichts ein. Im Prinzip muss alles schneller gehen, man muss um jedes pures Material – zum Beispiel unbehandeltes Holz – kämpfen. Beim Thema Energieeffizienz ist man mit Modeerscheinungen und Fehlentwicklungen wie dem Einsatz von Zwangslüftungen und Styropor befasst. Oder beim künstlichen Licht: ich bin mir sehr unsicher, ob die zweifellos haltbaren LEDs nicht durch die Auflösung der Lichtquelle in endlos viele Punkte ein neuer Stressfaktor für das Gehirn ist, weil diese vom Auge sehr wohl jedoch unbewusst aufgenommen werden.
Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?
Lieblingsprojekt kann ich keines benennen, gerne würde ich aber eine Moschee planen. Das Schöne an Moscheen ist diese Verknüpfung zwischen Ritus und gesellschaftlichem Treffpunkt. Schon als Student hat mich die islamische Architektur interessiert, die älteren Moscheen hatten Säulenhallen, erst später verbreiteten sich die Kuppelbauten. Auf meinen Reisen in der Türkei begegneten mir natürlich genauso die griechischen Tempelanlagen oder die alten christlichen Kirchen. Bei den muslimischen Bauwerken herrscht jedoch eine besondere Atmosphäre, mit dem Teppich am Boden, die Sonne fällt in den Raum, da sitzen dann zwei am Boden und reden miteinander, das ist viel sinnlicher. Der Ritus ist für mich wiederum befremdend, wenn sich die Menschen als gesamtes Paket auf die Qibla-Wand, in Richtung der Kaaba (Zentralheiligtum in Mekka), zubewegen. Ich fände es sehr spannend, mich auf diese Themen in einer Moschee räumlich einzulassen.
Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?
Über die Stadt. Über den Städtebau. Und über die Tatsache, dass Räume, wenn sie einmal gebaut, nicht veränderbar sind. Also Architektur steht und wirkt. Ganz banal, sie ist dann auch nicht mehr anders denkbar.
Ein einfaches Beispiel: Ich hatte mal einen Buick, ein amerikanisches Auto, groß, Automatik, sehr schönes Innenleben, läuft total ruhig, frisst natürlich etwas mehr Benzin, aber man kann mit diesem Wagen gar nicht aggressiv fahren, sich nicht ärgern, über den, der vor einem fährt, das ist einem völlig egal. Man ist relaxed, sitzt in diesem Autoraum, ist großzügig, regt sich nicht auf. Und dann fährt man wieder einmal mit dem Golf seiner Frau, ist gestresst, gibt Gas. Der Raum generiert zweifellos ein Verhalten. Ich maße mir nicht an, zu wissen wie es geht, doch erlebe ich das immer so: ein Platz in der Stadt, an dem man sich wohlfühlt, da werden sich die Menschen auch gerne aufhalten, und das hat mit Schönheit noch gar nichts zu tun. Architektur ist räumliches Werkzeug für Leben. Also wenn ein Hammer dazu da ist, einen Nagel einzuschlagen, dann könnte man das zwar auch mit einem Stein, aber der Hammer ist geeigneter dazu. Oder im Klavier kommt ein gepolsterter Hammer zum Einsatz. So ist es auch mit der Architektur, sie kann eben das Leben unterstützen und in der gegenseitigen Beeinflussung eine Lebensform generieren. Wie genau, das führt zu weit, denn jeder empfindet es anders, die einen gehen lieber in ein Wiener Kaffeehaus und die anderen ins Beisel.
Zur Zeit arbeiten wir in einem kleinen Team mit lauter ArchitektInnen, die schon lange dabei sind, fast alle sind aus ihrem studentischen Leben hineingewachsen. Das Vorurteil, dass Junge keinen praktischen Zugang zum Bauen hätten, kann ich nicht bestätigen, eher im Gegenteil, dieser scheint so manchen angeboren zu sein.
Wir machen eigentlich alles: von städtebaulichen Studien – daraus folgende Auftragswerke gibt es leider kaum – bis zu Kleinstaufgaben. Von der Tiefe her geht es bei den Bauwerken immer bis zum Möbel. Die Palette reicht vom öffentlichen WC in Innsbrucks Altstadt über Cafés, Sushi Bars, Restaurants und Geschäftslokale, eine Weinkellerei in Südtirol mit Walter Angonese, bis zu großen Bankgebäuden, Ausstellungsbauten wie das Adambräu mit giner&wucherer, die MPreis-Supermärkte und die Dorfkerngestaltung in Fließ sowie ein Steinbockmuseum zusammen mit Daniela Kröss oder eine Berghütte auf 2300 Metern, wo alles nur mit Hubschrauber funktioniert.
Was inspiriert Sie?
Ich lese gerade ein Buch von Inge Andritz, „Mies van der Rohe und Japan“, und im letzten Absatz steht, dass der Architekt feststellte:„... am meisten inspirierten mich alte Bauten“. Das würde ich für mich auch so sehen, es reicht zurück bis in die Kindheit, was unbewusst in Räumen und der Natur erlebt wurde. Doch vorwiegend entsteht die Inspiration aus der Arbeit. Vor Jahrzehnten hat mich Peter Handkes ,Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt‘ zu einem Text angeregt: Man begegnet einer Außenwelt und die Innenwelt ist quasi was sich in einem Bauwerk davon ableitet, also diese Mischung zwischen dem Ort, wo ich sagen würde, das ist die Innenwelt der Außenwelt und dem was drinnen passiert. Es Ist zwar keine Neuigkeit, aber Architektur kann nicht ohne dem Geschehen im Inneren gedacht werden, wenngleich bei Umbauten sich das Innenleben völlig ändern, sich zum Neuen entwickeln kann.
In der losen Reihe ,small is beautiful‘, die in der Zeitschrift aut: info zu kleinen, guten, ,unterbelichteten‘ architektonischen Arbeiten erscheint, knüpfe ich an einen bekannten Text von Louis Kahn an: „Die Quelle dessen, was ein Ding sein will, ist der Anfang der Form. Form umgibt eine Harmonie von Systemen, ein Gefühl für Ordnung und das, was eine Existenz von der anderen unterscheidet. Form hat weder Gestalt noch Dimension. [...] Form ist ,was‘. Entwurf ist ,wie‘. Form ist unpersönlich. Entwurf gehört zum Entwerfer.“ Weniger bekannt, doch vielleicht für ArchitektInnen heute brisanter, ist der Schluss dieses Textes: „Ich möchte aber mit all dem, was ich gesagt habe, kein Denk- und Arbeitssystem schaffen, das von der Form zum Entwurf führt. Entwürfe können ebenso gut zu einer Form führen. Diese Wechselbeziehung bedeutet für den Architekten eine dauernde Spannung.“ Kahn unterscheidet also zwischen dem persönlichen Entwurf und dem was zu einer Aufgabe allgemein gültig ist, schreibt jedoch zum Schluss, er wolle daraus kein Dogma entwickeln, das Wesen der Aufgabe zu suchen, sondern es kann quasi auch aus der persönlichen Interpretation die Lösung für irgendeine Aufgabe kommen, aus dem Großen genauso wie aus dem ganz Kleinen. Wer von uns baut schon beispielsweise eine Schule, die er aus dem Wesen heraus entwickeln kann. In der Realität ist es teilweise so, dass man unter eher widrigen Umständen trotzdem zum allgemein Gültigen finden muss.
Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?
Sind es die Bauherren, wenn sie nicht gefunden werden? Ich bin kein Friedrich Kiesler, dessen einziges realisiertes Gebäude der „Shrine of the Book“ in Jerusalem war. Bei mir entstehen die Visionen über die Bauaufgabe. Ansonsten würde ich da gar keine Begrenzungen sehen, weil die Einschränkungen Teil der Aufgabe sind. Wenn wenig Geld da ist, dann ist halt wenig Geld da. Selbst dieser Behördenwahnsinn ist zwar durchaus mühsam, gehört jedoch zur Arbeit dazu. Wenn ich mich frage, was eigentlich besser geworden ist, in den letzten zwanzig, dreißig Jahren, fällt mir nichts ein. Im Prinzip muss alles schneller gehen, man muss um jedes pures Material – zum Beispiel unbehandeltes Holz – kämpfen. Beim Thema Energieeffizienz ist man mit Modeerscheinungen und Fehlentwicklungen wie dem Einsatz von Zwangslüftungen und Styropor befasst. Oder beim künstlichen Licht: ich bin mir sehr unsicher, ob die zweifellos haltbaren LEDs nicht durch die Auflösung der Lichtquelle in endlos viele Punkte ein neuer Stressfaktor für das Gehirn ist, weil diese vom Auge sehr wohl jedoch unbewusst aufgenommen werden.
Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?
Lieblingsprojekt kann ich keines benennen, gerne würde ich aber eine Moschee planen. Das Schöne an Moscheen ist diese Verknüpfung zwischen Ritus und gesellschaftlichem Treffpunkt. Schon als Student hat mich die islamische Architektur interessiert, die älteren Moscheen hatten Säulenhallen, erst später verbreiteten sich die Kuppelbauten. Auf meinen Reisen in der Türkei begegneten mir natürlich genauso die griechischen Tempelanlagen oder die alten christlichen Kirchen. Bei den muslimischen Bauwerken herrscht jedoch eine besondere Atmosphäre, mit dem Teppich am Boden, die Sonne fällt in den Raum, da sitzen dann zwei am Boden und reden miteinander, das ist viel sinnlicher. Der Ritus ist für mich wiederum befremdend, wenn sich die Menschen als gesamtes Paket auf die Qibla-Wand, in Richtung der Kaaba (Zentralheiligtum in Mekka), zubewegen. Ich fände es sehr spannend, mich auf diese Themen in einer Moschee räumlich einzulassen.
Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?
Über die Stadt. Über den Städtebau. Und über die Tatsache, dass Räume, wenn sie einmal gebaut, nicht veränderbar sind. Also Architektur steht und wirkt. Ganz banal, sie ist dann auch nicht mehr anders denkbar.
Ein einfaches Beispiel: Ich hatte mal einen Buick, ein amerikanisches Auto, groß, Automatik, sehr schönes Innenleben, läuft total ruhig, frisst natürlich etwas mehr Benzin, aber man kann mit diesem Wagen gar nicht aggressiv fahren, sich nicht ärgern, über den, der vor einem fährt, das ist einem völlig egal. Man ist relaxed, sitzt in diesem Autoraum, ist großzügig, regt sich nicht auf. Und dann fährt man wieder einmal mit dem Golf seiner Frau, ist gestresst, gibt Gas. Der Raum generiert zweifellos ein Verhalten. Ich maße mir nicht an, zu wissen wie es geht, doch erlebe ich das immer so: ein Platz in der Stadt, an dem man sich wohlfühlt, da werden sich die Menschen auch gerne aufhalten, und das hat mit Schönheit noch gar nichts zu tun. Architektur ist räumliches Werkzeug für Leben. Also wenn ein Hammer dazu da ist, einen Nagel einzuschlagen, dann könnte man das zwar auch mit einem Stein, aber der Hammer ist geeigneter dazu. Oder im Klavier kommt ein gepolsterter Hammer zum Einsatz. So ist es auch mit der Architektur, sie kann eben das Leben unterstützen und in der gegenseitigen Beeinflussung eine Lebensform generieren. Wie genau, das führt zu weit, denn jeder empfindet es anders, die einen gehen lieber in ein Wiener Kaffeehaus und die anderen ins Beisel.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.