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nextroom fragt: columbosnext
nextroom fragt: columbosnext, Foto: architektur in progress

Als offene Gruppe zur Erweiterung des Architekturfeldes versteht sich columbosnext. Sie schafft eine Plattform, die sich mit Architektur und Gesellschaft sowie der Initialisierung und Inszenierung kultureller, sozialer und urbaner Aktivitäten auseinandersetzt. Verena Rauch und Walter Prenner im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

22. Januar 2019
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Wir begreifen uns als Kollektiv – die Summe vieler Teile, es gibt nicht irgendeinen Chef oder eine(n) der/die sich so fühlen würde. Das Potential von columbosnext sind seine Mitglieder. Wir kommen aus unterschiedlichen Bereichen, sind sehr interessiert an einer gemeinsamen, interdisziplinären Auseinandersetzung. Da gibt es viele Musiker, die auch Architekten sind oder einen Meteorologen, Psychologen, Geologen, sogar einen Philosophen. Wir sind eine Gruppe, die ganz unterschiedlich funktioniert und agiert, die versucht, Perspektiven im Urbanen und auf mannigfaltigen Ebenen zu erweitern und sichtbar zu machen. Uns eint der Antrieb eine Art Knautschzone, eine Plattform, schaffen zu wollen, die zwischen Realität und Vorstellungswelt Raum für neue Projekte öffnet. Die Größe des Kollektivs variiert, wir sind ein Haufen, der sich immer wieder neu formiert – zu einer Band, als Wettbewerbsteam, als Initiatoren von Projekten etc. –, auch wenn nicht immer alle vor Ort sind oder einige die Gruppe wie Satelliten umschwirren und aus der Entfernung operieren. Zwischen uns gibt es einen Klebstoff, einen Kit, und Leidenschaft, die uns verbindet.
Essentiell für uns ist der Ort: Unser Arbeitsplatz, Vortragsort und Ausstellungsfläche ist das Stellwerk 2 mit dem 40 m²-Cockpit, das über den Geleisen des Bahnhofs Innsbruck schwebt, und dem Verschubgebäude, das als Ausdehnungsgefäß fungiert. Hier ändert sich die Nutzung ständig, mal liegt der Fokus auf einer Werkstatt, einem Labor, dann wieder ganz bei der Musik, als Probe-, Aufnahme- und Performanceraum. Wichtig ist noch das angegliederte Werkzeuglager, viele unserer Konstruktionen entstehen in Eigenbau. Wir arbeiten permanent an der Schaffung einer Plattform, die sich mit Architektur und Gesellschaft auseinandersetzt und sehen die Stadt als Experimentierfeld. Unsere Auseinandersetzung mit öffentlichem Raum führt uns in den architektonisch-künstlerischen Interventionen immer wieder zu Orten, zu Genius Loci, die vernachlässigt oder als solche nicht sichtbar sind. Wir bespielen und aktivieren diese Orte mit Injektionen, Aktionen, baulichen Installationen und sprechen von „Innsbruck als Möglichkeitsraum“. Vor allem unsere temporären Konstruktionen setzen wir meist selbst um. Viele von uns unterrichten an der Universität Innsbruck am „./studio 3“, dem Institut für experimentelle Architektur, und diese Auseinandersetzung sowie der Austausch mit den Studierenden am Puls der Zeit hält wach. Ein Kindergarten in Johannesburg, die Spielräume für die Universität Innsbruck und vor allem das „bilding – Kunst und Architekturwerkstatt“, sind spannende 1:1 Projekte für ein wichtiges „learning by doing“, bei denen immer wieder Grenzen ausgelotet werden können. Durch die Universität entsteht eine Art Schutzmantel, unter dem ein Experimentieren möglich ist. Wobei nicht das Ergebnis des Experiments das Wichtigste ist, sondern die Bereitschaft es immer wieder aufs Neue zu tun.

Was inspiriert Sie?

Unser Ort, das Stellwerk, der Verschub und dieses gesamte Umfeld sowie das polydisziplinäre Sein und aktive Mitgestalten. Es ist die Atmosphäre, die einen gewissen Humus für unsere Projekte schafft. Wenn man längere Zeit miteinander arbeitet und Verschiedenes entwickelt, dann kann schon auch mal „Kopfweh. Kein Wunder“ rauskommen. Das ist eines unserer Formate, zu dem wir regelmäßig an unterschiedlichen Orten einladen. „Wer diese Zone betritt, nimmt an der Herstellung günstiger Verhältnisse für das Eintreten von Wundern teil“.
Wir wollen neugierig und offen bleiben, umtriebig sein, in Musik, Kunst, Kultur und Theorie. Bei uns sind die Prozesse immer sehr lange offengehalten – in allen Projektstadien kann sich jede/jeder involvieren, bis schlussendlich entscheiden werden muss, z. B. bei Wettbewerben. Diese Offenheit ist ja auch in unserem Arbeitsraum angelegt, wo alle alles mitkriegen, natürlich mit der Herausforderung, dass man sich im Turm nicht zurückziehen kann. Wir bringen uns gerne und furchtlos in Situationen, die unbekannt sind. Es ist die Motivation, Dinge auszuloten, wir sehen das bei den Sessions unten im Verschub, das Spontane, Zufällige, Ungeplante macht am meisten Freude.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Man spürt die Begrenzungen selbstverständlich im Finanziellen und in dieser weitreichenden Reglementierung. Damit müssen wir uns beschäftigen, und es geht darum, immer wieder die Grenzen auszuloten. Die Universität gibt Möglichkeiten, sich Freiräume zu schaffen. Beim „bilding“ haben wir gesehen, wie viel man selber machen kann. Dieser Ort für freie kreative Entfaltung von Kindern und Jugendlichen, bedeutet mehr als ein Architekturstatement. Es ist ein Gebäude, das von der Kraft des Kollektivs, der Lust zum Experiment und Risiko, der Wertschätzung des freien Denkens, der Flexibilität Umwege und Rückschläge zu verdauen und dem Potential der Selbstorganisation erzählt. Das Bauen an sich ist heute so übertrieben und überorganisiert, genauso die Haustechnik und der Dämmwahnsinn. Uns reizt der unkomplizierte Zugang, auch mit Abstrichen, immer unter Hinterfragen. Und mitunter erfindet man nur für sich selbst etwas neu.
Man muss es auch aushalten, dass Projekte nicht gebaut werden. Bei unseren Visionen zum Wohnen sind wir schon weit gekommen. Hier stellt sich momentan die Herausforderung einen Ort zu finden um über prototypisches Wohnen im Selbstversuch forschen zu können. Doch je mehr wir in die Realisierung von Projekten involviert sind, desto weniger Zeit und Freiheit bleiben leider übrig, solche Ideen wie „Wozu Wohnen“ zu verfolgen.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Unsere Beteiligung an Wettbewerben ist grundsätzlich hoch, so wird der „Hybrid Höttinger Au“ in Innsbruck beispielsweise gebaut. Das Projekt (mit A. Tschapeller, M. Steinlechner) ist als offener, frei bespielbarer Skelettbau gedacht, als geschoßübergreifende Raumkonfiguration, die von durchgehenden Co-Working-Flächen zu unterschiedlichen Wohntypen unterschiedliche individuelle Nutzungen zulässt. Die „Innraininsel“ ist ein weiterer Wettbewerbsgewinn, bezüglich Bauträger und Mitplanern in gleicher Konstellation, der vor der Einreichung steht. Die städtebauliche Situation in seiner Inselform mit dem länglichen, sehr schmalen Grundstück ist besonders. Funktional wird zwischen temporären Zonen mit variablen Nutzungen, Möblierungen des städtischen Raums, aber auch komprimierte kulturelle, kulinarische und infrastrukturelle Einheiten, die sich in den Verweilzonen ablagern, differenziert.
Anlässlich der Architekturtage 2008 bauten wir in Innsbruck die temporäre Installation „Ich will an den Inn“. Zur baulichen Intervention kam hier vor allem auch ein kommunikativer und kultureller Aspekt hinzu. Innerhalb von drei Wochen wurde die 53 Meter lange Holzskulptur mit Studierenden aus Dachlatten „gestrickt“. Zwei Jahre lang stand diese physische Struktur, mit mannigfaltigen immateriellen Bausteinen bespielt, um sich im Endeffekt – wieder zu den Architekturtagen – in zehn wesenhaften Kleinarchitekturen, wir nennen sie „Sushis“, zu transformieren für die je hunderte Laufmeter Dachlatten der zuvor abgebauten Plattform zur Verfügung standen. In den letzten Jahren sind in ähnlicher Auseinandersetzung viele unterschiedliche temporäre Installationen im öffentlichen Raum entstanden.
„Wozu Wohnen“ ist auch ein wichtiges Projekt. Geplant ist ein begehbares, bewohnbares Fragment eines Wohnbaus, ein Edelrohbau, ein von ArchitektInnen errichteter Prototyp im Selbstversuch. Die Wohnräume werden dabei mit einigen wenigen Konstanten vordefiniert, Schichten generiert, die bei Bedarf erweitert werden können, und dabei so wenig wie möglich Ressourcen auf die Baustelle getragen. Mit dem Loslösen vom „m2-Denken“ hin zu Kubaturen, können die Grundflächen von der funktionellen Ordnung befreit, die Raumhöhen hinterfragt und fließende Nutzungen individuell gefunden werden. In technischer Hinsicht soll unser Prototyp in einem Neuansatz alle vermeintlich unumstößlichen Parameter normengerechten Bauens systematisch hinterfragen. Viele Standards beruhen auf reinen Berechnungen und bürokratischen Fortschreibungen, die nie in realen Versuchsanordnungen überprüft wurden. Die Realisierung hakt jedoch am leistbaren Grundstück. Wir würden ja auch im Kreisverkehr, an Autobahnabfahrten oder auf einer Tankstelle, Lagerhalle, einem Supermarkt bauen. Wir versuchen nun ein Forschungsprojekt daraus zu machen.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Was uns beschäftigt, ist der sozial-gesellschaftliche Anspruch, den Architektur haben sollte, ArchitektInnen muss man in der Gesellschaft wieder mehr spüren. Sie werden von Fachplanern, Investoren etc. überrollt und doch ist es so, dass die Architekturschaffenden fähig sind, polydisziplinär zu arbeiten. Wir sind die Generalisten und diesen Status müssen wir uns zurückerobern, ja einfordern. Finden und Erfinden charakterisiert unser Feld. Ein Haus muss nicht immer perfekt sein, auch das verstehen wir unter gelebter Architektur. Wir sind in unseren Gewohnheiten bequem geworden, diese Absolutismen lassen keinen Raum mehr für das Prozesshafte, Improvisierte, Prototypische. Wir müssen aus diesem Fahrwasser herauskommen und die Verantwortung nicht irgendwelchen Firmen mit irgendwelchen Zertifizierungen abgeben, die ein unergründliches Sicherheitsdenken erfüllen sollen. Aus diesem engen Korsett müssen wir ArchitektInnen uns befreien.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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