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Martin Strele – Boden ist kostbar
Martin Strele – Boden ist kostbar, Foto: Darko Todorovic

Der fortschreitende Verlust von wichtigen Grünflächen führte in Vorarlberg vor mehr als zehn Jahren zur Gründung des Vereins Bodenfreiheit. Die Idee war, mit den Mitgliedsbeiträgen Flächen zu kaufen, um sie vor einer Bebauung zu schützen und landwirtschaftliche Nutzflächen zu erhalten. Martin Strele ist Mitgründer und Obmann des Vereins und erklärt im Gespräch, warum die Vereinsmitglieder Grünflächen oder Dienstbarkeiten an Flächen erwerben und was sie dann damit tun. Neben der Freihaltung der Grundstücke geht es ihnen auch um Themen der Biodiversität und um die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Das Gespräch mit Martin Strele ist im Podcast Morgenbau in voller Länge anzuhören.

10. Oktober 2023 - Anne Isopp
„2011 haben wir den Verein Bodenfreiheit gegründet. Wir hatten damals das Gefühl, dass die Raumplanung in Vorarlberg ihren Namen nicht mehr verdient – auch wenn wir nicht genau wussten, was vom OGH über den Landtag bis hinunter zur Gemeindepolitik alles geschieht. Wir haben nur beobachtet, dass unsere Kinder nicht mehr so einfach auf die Wiese zum ‚Tschutten‘, zum Fußballspielen, gehen können, dass sie auf Kunstrasenplätze zurückgedrängt werden und dass im Vorarlberger Rheintal Freiflächen verloren gehen, weil jedes Jahr neue Häuser entstehen, scheinbar ungeplant. Unsere Anfangsidee war, Grundstücke zu kaufen, um sie freizuhalten. Wir dachten, wenn ganz viele Leute ein bisschen Geld zahlen, einen Mitgliedsbeitrag pro Monat, dann kommt genug Geld zusammen, um Grundstücke kaufen zu können.

Uns geht es nicht darum, viel Fläche zu besitzen, uns geht es darum, am konkreten Beispiel zu zeigen, welchen Wert Freifläche hat. Da es schwierig ist, Flächen zu bekommen, sind wir in Ludesch einen neuen Weg gegangen und haben von einem Landwirt auf zwei Hektar ein umfassendes Gehrecht erworben. Das ist im Grundbuch als Dienstbarkeit eingetragen und ermöglicht es uns, kreuz und quer über seine Wiesen zu gehen. Unser Vereinsziel ist ja das Erleben von Freifläche. Diese Fläche kann nun nicht mehr bebaut und versiegelt werden und bleibt der Landwirtschaft erhalten. In Ludesch sind die besten Böden Vorarlbergs – die Salatschüssel Vorarlbergs, hieß es früher. Der Landwirt bekommt dafür einen Einmalbetrag und weiß, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche erhalten bleibt, auch wenn er einmal nicht mehr selbst darauf wirtschaftet.

Den Leuten ist inzwischen sehr bewusst geworden, wie zentral der Umgang mit Grund und Boden ist. Und ich traue mich zu behaupten, dass wir einen Beitrag dazu geleistet haben, dass dieses Thema in Vorarlberg jetzt auf der Agenda recht weit oben ist.

Unser Ziel muss sein, dass künftige Generationen immer noch in diesem Land vernünftig leben können, ohne dass sie auf Getreide aus Kasachstan angewiesen sind, und dass wir Flächen haben, wo unsere Kinder sich aufhalten können und nicht nur organisiert spielen dürfen. Vorarlberg hat so viel Bauland gewidmet, dass wir uns auf den bereits gewidmeten, aber noch nicht bebauten Grundstücken fast verdoppeln könnten.

Vorarlberg ist völlig zersiedelt, in großen Teilen einfach strukturlos. Mit dem wenigen Platz, den wir haben, müssen wir sehr stringente gesetzliche Rahmenbedingungen etablieren, damit unsere Siedlungsstrukturen in 50 Jahren anders aussehen. Es müssen auch Häuser verschwinden und Straßen zurückgebaut werden. Dazu braucht es Transparenz in Richtung der Bevölkerung. Ich spreche mich nicht dafür aus, großflächig Dinge zurückzunehmen. Es gibt aber einzelne Gebäude, mit deren Rückbau man viel bewirken könnte.

Konkret brauchen wir ein Moratorium für neue Widmungen, bis die bestehenden Widmungen aufgebraucht oder zurückgewidmet sind. Es braucht eine völlige Neufassung der Landes-Grün-Zone mit einer einzigen Regel: Die zukünftige Landes-Grün-Zone ist genau gleich groß wie die heutige, hat aber eine deutlich besseren Qualität. Und es braucht, glaube ich, ein neues Raumplanungsgesetz, das sich loslöst von seinen Ursprüngen der 1960er-Jahre. Das wären drei große ‚Lupfe‘, wie man bei uns sagt, die man angehen könnte. Ich habe auch das Gefühl, dass die jetzigen politischen Akteure das machen könnten.“

Der Vorarlberger Verein Bodenfreiheit arbeitet seit 2011 mit überraschenden Methoden daran, Raumplanung in die Mitte der Bevölkerung zu holen, Grünflächen vor einer Bebauung zu schützen und damit Naturräume und landwirtschaftliche Flächen zu erhalten.
Martin Strele ist Mitgründer und Obmann des Vereins Bodenfreiheit. Er selbst hat standortgerechten Landbau und ländliche Entwicklung in Wien studiert und ist Geschäftsführer des wissenschaftlichen Vereins Kairos. Gemeinsam mit neun anderen Organisationen gründete der Verein Bodenfreiheit vor kurzem den Verband „Haus am Katzenturm“. Auch diesem Dachverband von Umwelt- und Naturschutzorganisationen in Vorarlberg steht Martin Strele als Obmann vor.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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