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Regula Lüscher nennt sich Stadtmacherin. Die Schweizer Architektin und Stadtplanerin war von 2007 bis 2021 Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin für Stadtentwicklung in Berlin. Zu Beginn ihrer Amtszeit wollte man das Haus der Statistik, direkt am Alexanderplatz in Berlin gelegen, noch abreißen. Inzwischen wird der für die Ostmoderne charakteristische Bau saniert, um Neubauten für Wohnen und Verwaltung erweitert und avancierte zu einem Vorbild für eine gemeinwohlorientierte Stadtplanung. Regula Lüscher übernahm in ihrer Funktion als Senatsbaudirektorin die wichtige Aufgabe der Kommunikation zwischen den beteiligten Gruppen. Sie erzählt im Gespräch, wie es zu dem Sinneswandel im Umgang mit dem Haus der Statistik kam und was sie unter einer nachhaltigen Stadtplanung versteht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
Alle haben verstanden, dass wir Stadt anders machen müssen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und damit auch ich als Senatsbaudirektorin hatten die Aufgabe der Koordination für den Gesamtprozess inne. Zusammen haben wir mit dem Bezirk Mitte, der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, der Finanzverwaltung und der Initiative die sogenannte Koop5 gegründet, um gemeinsam dieses Quartier zu entwickeln. Wir haben miteinander einen Vertrag über die Art und Weise der Zusammenarbeit geschlossen und natürlich auch über die Frage der Finanzierung.
Dass man öffentliche Bauvorhaben in Kollaboration mit einer privaten Initiative entwickelt und gemeinsam baut, war in Berlin neu und uns auch aus anderen Städten nicht bekannt. Gerade die Finanzierungsfrage war eine der größten Herausforderungen, weil man der Initiative tatsächlich eine Art Erbaurecht erteilen musste, damit sie Kredite aufnehmen kann.
Ein weiteres wichtiges Thema war die Art und Weise, wie man mit dem Bestand umgeht. Das Haus der Statistik ist allein schon aus städtebaulichen Gründen erhaltenswert. Es definiert die Ränder des Alexanderplatzes. Je mehr Bestand am Alexanderplatz erhalten bleibt, desto besser ist die Durchmischung zwischen der DDR-Moderne und dem neuen Maßstab mit den Hochhäusern, die an diesem Ort neu entstehen werden. Ein Gleichgewicht und eine Erkennbarkeit zwischen den unterschiedlichen Zeitschichten herzustellen, ist ganz wichtig. Dafür muss man diese Zeugen der Nachkriegsmoderne und des DDR-Städtebaus auch eher sanft sanieren und nicht mit irgendeiner Außendämmung überziehen und unkenntlich machen.
Für mich ist Stadt ein Gemeinschaftsprodukt von politisch Verantwortlichen, von Verwaltung, von Bürgerinnen und Bürgern, von Planerinnen und Planern. Wenn ein Akteur in dieser Konstellation zu dominant wird, dann entsteht kein nachhaltiges Produkt, weil es dann nicht ausreichend in der Stadtgesellschaft verankert ist. Die Vielfalt ist wichtig für die Nachhaltigkeit. Je monofunktionaler ein Projekt in Bezug auf die Zielgruppe, aber auch in Bezug auf die Nutzung ist, desto größer ist das Risiko, dass es nicht zukunftsfähig ist, weil sich die Nutzungen in der Zukunft verändern.
Heutzutage muss man unterschiedlichstes Wissen in die Entwicklung eines Stadtquartiers einbringen. Ich war gerade im Preisgericht für ein großes Stadtentwicklungsprojekt in Wien, den Klimavorzeigestadtteil Rothneusiedl. Für alle im Preisgericht überraschend war, dass die beste Arbeit mit sehr konventionellen Stadtmustern arbeitet, mit einer Art Blockstruktur. Doch werden diese völlig anders programmiert und besetzt. Wir müssen bekannte Dinge einfach von einem anderen Blickwinkel her denken und umgestalten.“
Regula Lüscher ist Architektin und Stadtplanerin. Die Schweizerin war von 2007 bis 2021 Senatsbaudirektorin und damit auch Staatssekretärin für Stadtentwicklung in Berlin. Als solche war sie verantwortlich für Stadtplanung, Städtebau und Architektur, öffentlichen Hochbau, Baukultur, Denkmalschutz, Regionalentwicklung sowie strategische Stadtentwicklung. Seit 2022 betreibt Regula Lüscher als Expertin für Architektur, Stadtplanung, Management und Frauenförderung wieder ein eigenes, international tätiges Büro.