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Günther Vogt – Landschaft als Park
Günther Vogt – Landschaft als Park © Giuseppe_Micciché
„Auch in der Stadtplanung ist ein starker Paradigmenwechsel spürbar, und das wird wohl in nächster Zukunft so bleiben: Klimawandel, die Thematik von Biodiversität kündigt sich am Horizont an, in Zeiten von Corona steigt das Bewusstsein über die Bedeutung des öffentlichen Raums, dazu kommt noch die Diskussion zur Innenverdichtung. Aber es stellt sich auch die drängende Frage, wie viel Mobilität wir der Landschaft und somit uns selbst noch zumuten wollen. Wir müssen neue Strategien entwickeln, dabei sollten wir aber nicht mehr nur einzelne Länder betrachten, sondern ganz Europa. Ich postuliere seit Jahren, die Stadt von der Landschaft her zu denken und nicht so statisch als Zentrum und Peripherie. Der Bezugsraum, der Kontext ist damit meistens zu klein gesetzt. Aber ich denke, da fehlt sehr oft auch die Vision wie sich das entwickeln soll. Wir kennen sehr viele klassische urbane Elemente wie den Park, den Boulevard ... es gibt jedoch zunehmend diese hybriden Räume, vor allem im alpinen Raum, und die Überlagerung von Infrastrukturen. Die Schweiz z. B. ist schon Stadt, sie wird nur noch nicht so verstanden, weil die Leute nicht Städter sein wollen – vielleicht aus Angst vor einem Identitätsverlust. Es ist durchaus ein vorstellbares Szenario, dass man die Schweiz als Großstadt liest und auch nutzt. Das Verständnis eines ganzen Landes als Stadt bringt auch ein Verständnis der Landschaft als Park mit sich. Die Park-Idee ist grundsätzlich eine städtische. Auf europäischer Ebene meint „Stadt“ beim Blick auf den Alpenraum die an den Alpenbogen anschließenden Großstädte wie Mailand, Ljubljana, Wien, München, Zürich, Lyon, und „Park“ die Alpen. Der erste Entwurfsschritt in unserem Büro ist immer die Erweiterung des Maßstabs.

Ende der 1980er Jahre war die Befürchtung groß, dass wir in den kommenden vierzig Jahren einen massiven Verlust von Waldflächen erleben werden. Als Studenten demonstrierten wir daher gegen das Baumsterben. Heute haben wir aber sogar mehr Waldfläche als damals. Vordergründig sieht es so aus, als wäre das eine frei zugängliche Landschaft, aber im Prinzip handelt es sich analog zur Stadt um eine private. Diese verwaldeten Gebiete behalten aber das Potenzial erneut urbanisiert zu werden und wir können nicht alle diese Flächen zu Nationalparks erklären. Das Problem der Verwaldung ist, dass dahinter keine Idee steht, und dass diese brachgefallene Landschaft immer noch in einem urbanisierten Kontext steht. Ich finde, da besetzen wir LandschaftsarchitektInnen das Feld zu wenig. Alle neuen Aufgaben und Themen unserer Disziplin wie Nachhaltigkeit, Ökologie oder naturnahe Gestaltung kamen nicht aus der Fachdisziplin selbst, sondern aus gesellschaftlichen, politischen Prozessen und Entwicklungen, von denen wir inhaltlich mehr getrieben und getragen werden, als von jenen aus der eigenen Profession.“

Günther Vogt, geb. 1957, Landschaftsarchitekt, Zürich, London, Berlin, Paris. Die Herausforderung an die Landschaftsarchitektur ist für Vogt, sie in größeren Räumen zu denken. Das dies möglich ist hat Haussmann – wenn auch damals rein militärisch motiviert - im 19. Jahrhundert gezeigt und in Paris über 20.000 Gebäude abgerissen, um riesige Schneisen durch die Stadt zu legen. Ähnlich radikal müsste auch in einigen Großstädten interveniert werden, um auch zukünftig eine gewisse Lebensqualität zu gewährleisten. Im bisher größten Arbeitsmaßstab realisiert das Büro Vogt die Rectory Farm im Westen von London oder den neuen Stadtteil Grasbrook in Hamburg.
»nextroom fragt« Landschaftsplanerinnen und Landschaftsplaner. Themenkreise für die Statements sind: Parks, Straßen, Plätze – Bauwerksbegrünungen – funktionsbezogene Freiraumplanung. Martina Pfeifer Steiner holt die Statements ein.

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