Beitrag
Der Umbau des Michaelerplatzes in Wien zu einem klimafitten Platz rief internationale Kritik hervor, die in einen offenen Protestbrief an den Bürgermeister mündete. Obwohl die Bauarbeiten schon im Gange sind, fanden im Frühjahr 2024 weitere Gespräche zwischen Befürworter:innen und Kritiker:innen statt. Dabei entbrannte eine spannende Diskussion darüber, wie das historische Stadtbild mit einem klimagerechten Stadtumbau zusammenkommen kann. Die Wiener Landschaftsarchitektin Maria Auböck ist in diese Gespräche immer wieder eingebunden. Im Gespräch erzählt sie, wie man die Stadt in all ihren Dimensionen klimafit machen kann und warum es nicht einzelne Maßnahmen, sondern ein Regelwerk für die Begrünung der Stadt braucht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
Im letzten Jahr formierte sich die Initiative SOS Michaelerplatz aus Fachleuten, professionellen Kollegen aus Denkmalpflege, Architekturgeschichte und Architektur. Diese Gruppierung schrieb einen offenen Brief an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, mit etwa 450 Unterschriften aus dem In- und Ausland. Dieser Brief wurde leider nicht beantwortet. In einem Gespräch Ende Juni 2024 bestätigte Stadträtin Ulli Sima, dass eine Nachdenkpause gar nicht mehr möglich sei, weil die Baustelle bereits läuft. Aber sie akzeptierte doch eine Abänderung des Projekts. Es wird keine Wasserspiele vor dem Looshaus geben, die Möblierungen und die Beleuchtungskörper werden überplant. Und die Baumgruppe inmitten der archäologischen Grabung wird ebenfalls durch Bäume einer anderen Art ersetzt.
Ich meine, dass es hier in Zukunft um verträgliche Entscheidungen für neue Gestaltungen gehen muss, damit eine richtige Verteilung von Licht und Schatten auf den Plätzen der Stadt stattfindet. Und dass ein Ort wie der Michaelerplatz, eine symbolträchtige und historisch bedeutende Örtlichkeit, nicht dazu geeignet ist, ein Fanal für den Klimawandel zu bilden. Ich glaube, dass es an anderen Stellen der Stadt weitaus sinnvoller ist, klimafitte Bepflanzungen zu machen, wie es die großen Ausfallstraßen in Wien sein könnten. Diese Baumpflanzungen verbessern das Leben in den Außenbezirken.
Die Abteilungen, die für die Straßengestaltung, für die Stadtkultur im öffentlichen Raum zuständig sind, sollten Programmierungen wie einen Masterplan mit Materialhandbuch haben, in dem steht, in welchen Gebieten der Stadt welche Art von Gestaltung sinnvoll ist. Damit könnte man in Zukunft Aufregungen wie die um den Michaelerplatz minimieren, denn ein Großteil der Bevölkerung hat bereits verstanden: „Für Pessimismus ist es zu spät.“ Das ist ein Zitat von Helga Kromp-Kolb, einer bekannten Klimaforscherin. Wir müssen etwas tun, wenn wir unser Leben in der Stadt aktuell fit machen wollen. Man weiß aus der Wissenschaft, dass wir hier in Wien bis 2040 das Klima von Neapel haben werden. Wir müssen vorsorgen, dass die heißen Sonnentage, die immer mehr werden und für die Menschen eine große gesundheitliche Belastung darstellen, minimiert oder zumindest mit Schattenwirkungen erträglicher werden.
Die Stadt München entwickelte bereits ab 2021 ein Rahmenkonzept für die historischen Grünflächen der Innenstadt. Wir können genauso gut auch Maßnahmen der Städte wie Paris oder Barcelona betrachten. Seit mehreren Jahren formuliert man in Barcelona das Rastersystem von dem Stadtplaner Ildefons Cerdà zu nachbarschaftsorientierten Begegnungsinseln um. Diese Herangehensweise in Barcelona nennt man taktischen Urbanismus, weil es gar nicht darum geht, die alte Stadt zu überformen, sondern Taktiken zu entwickeln, wie man das Klima in den alten Städten kanalisiert, ordnet und verbessert.
Mein Mann und ich arbeiten an zahlreichen Projekten, bei denen es um alle Ebenen der Stadt geht. Das Dach als fünfte Fassade und Fassadenbegrünungen sind große Themen. Wir haben auch viele Projekte gemacht, bei denen wir Regenwasser in Zisternen sammeln. Ich könnte mir gut vorstellen, in den Straßenräumen Regenwasserzisternen anzulegen. Was das Regenwasser uns bietet, ist ein Geschenk. Dasselbe gilt auch für Geothermie, bei der man in Straßen und Plätzen genauso wie in Gärten und anderen Naturräumen Tiefenbohrungen in die Erde führt, um so für eine nachhaltigere Energieversorgung zu sorgen. Wenn wir alle diese Bausteine zusammenstellen, dann können wir die Stadt klimafit in die Zukunft bringen.“
Maria Auböck ist Landschaftsarchitektin und führt gemeinsam mit János Kárász das Büro Auböck + Kárász Landscape Architects. Maria Auböck war von 1999 bis 2017 Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München. Sie ist Präsidentin der Zentralvereinigung der Architekt:innen für Wien, Niederösterreich, Burgenland. 2015 erhielt sie das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien. 2023 bekamen Maria Auböck und János Kárász den österreichischen Hans-Hollein-Kunstpreis für Architektur verliehen.