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(Un)leistbares Wohnen
Der Standard

Was in Städten wie New York oder München seit langem Realität ist, holt nun auch heimische Metropolen wie Wien ein. Forschende suchen nach Wegen, wie die Wohnraumkrise gelöst werden kann.

9. Oktober 2024 - Raimund Lang
Wohnen wird immer teurer. Und das nicht nur in klassischen Wohnpreishochburgen wie New York, München oder Zürich. Auch Wien, das aufgrund seiner Tradition des kommunalen und später geförderten Wohnbaus oft als Vorzeigemodell gelobt wird, ist stark betroffen. Laut der Arbeiterkammer geben heute bereits zehn Prozent der Wiener mindestens 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen aus. Die Gründe dafür sind vielschichtig, betonen Forschende, die nicht nur die Ursachen ergründen, sondern auch mögliche Gegenmaßnahmen erarbeiten wollen.

„Das Wiener Modell war immer durch die starke Kombination aus unterschiedlichen sozial gestützten Wohnungsbereichen gekennzeichnet“, sagt Elisabeth Springler, Professorin an der Fachhochschule des BFI Wien. Einerseits gibt es einen großen Anteil an kommunalem Wohnraum, also Gemeindewohnungen. Andererseits einen großen Anteil an Gemeinnützigen.“ Doch dieses bewährte System gerät unter Druck. Einerseits ist bebaubarer Boden in einer Stadt naturgemäß beschränkt. Auch Großprojekte wie die Seestadt im Gemeindebezirk Donaustadt oder Rothneusiedl im Süden Wiens können darüber nicht hinwegtäuschen.

Dadurch werde der kommunale Wohnbau immer stärker dazu gezwungen, sich dem Ausbau des bestehenden Bestands zuzuwenden statt dem Neubau. Und das habe zur Folge, dass die Gemeinnützigen diesen Rückgang im kommunalen Wohnbau abfedern müssen. Gleichzeitig sehen sie sich mit hohen Grundstücks- und Baukosten konfrontiert. Um ihre Kosten decken zu können, bieten sie oft Mietwohnungen mit Eigentumsoption an. „Diese Wohnungen gehen damit irgendwann in Privateigentum über, was dazu beiträgt, dass der Bestand an leistbaren Mietwohnungen erodiert“, erklärt Springler.

Immobilien als Spekulationsobjekt

Dazu komme, dass wegen der langjährigen Phase der Niedrigzinsen in Europa viele Investoren zu Immobilien als Alternative zu sicheren Staatspapieren gewechselt seien, meint sie. „Das Gut Wohnen ist teilweise zu einem Finanzprodukt geworden, das oftmals losgelöst von einer langfristigen Vermietung ist.“ Eine Komponente dieser Investorendenke ist es, dass Bewertungsgewinne wichtiger sind als reale Mieteinnahmen.

Leerstehende Wohnungen bedeuten somit nicht zwingend Verluste für die Investoren. Dem Wohnungsmarkt stehen sie allerdings auch nicht zur Verfügung, was das Problem der Wohnungsknappheit und der damit verbundenen Teuerung weiter verstärkt. Erschwerend komme hinzu, dass rechtliche Bereiche wie Gemeinnützigkeit, Wohnbaufördersysteme oder Zweckwidmungen nicht Landes-, sondern Bundessache seien. Die Mischung aus Bundes- und Landeskompetenzen verkompliziert das Thema Wohnen somit zusätzlich.

In einem Forschungsprojekt erarbeitet ein Team von Forschenden der FH BFI Wien einen Empfehlungskatalog, wie die Teuerungsspirale gestoppt werden könnte. Der Fokus des vierjährigen Projekts liegt auf Wien, gefördert wird es von der Magistratsabteilung 23 der Stadt (Wirtschaft, Arbeit und Statistik) mit 266.044 Euro. Ein wichtiger Aspekt sind dabei bodenpolitische Fragen. So soll geklärt werden, wie ungenutzter Grund und Boden attraktiviert werden könnte, aber auch wie bestehender, teilbebauter Raum in leistbaren Wohnraum umgewandelt werden kann.

Bis zum Projektende 2026 wird das aus Ökonomen und Politikwissenschaftern bestehende Team seine theoretischen Erkenntnisse als wissenschaftliche Papers für die Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Hinsichtlich der Bodenpolitik sollen Instrumente wie Preisregulierung, Steuern und Abgaben, Baurechte oder Nutzungsbeschränkungen in ihren Wirkungen untersucht werden. Eine weitere Kategorie betrifft Finanzierungsfragen, und dabei vor allem die Wirkweise von Wohnbaufördersystemen und die Kanalisierung von kommunalen Steuereinnahmen in den Bereich der Wohnbauförderung.

Die Frage nach leistbarem Wohnen müsse zudem zwangsläufig vor dem Hintergrund unterschiedlicher weltanschaulicher Vorstellungen gestellt werden, wie etwa dem Spannungsverhältnis zwischen Mieten und Eigentum. „Mit sozial verträglichem Wohnbau ist in der Regel der Mehrgeschoßbau in einem sozial gestützten Umfeld gemeint und weniger das Eigenheim“, erklärt Springler.

„Freier Markt reicht nicht“

Das von der Regierung beschlossene Wohnbaupaket mit seinem Zweckzuschuss von einer Milliarde Euro für Schaffung und Sanierung von leistbarem Wohnraum trägt für sie hingegen eher Züge eines Konjunkturpakets mit Fokus auf Eigentum. Der freie Markt könne die Aufgabe, für leistbaren Wohnraum zu sorgen, jedenfalls nicht erfüllen. „Es funktioniert für eine Stadt nicht, wenn es nur den freien Markt gibt“, sagt Springler. „Man braucht auch einen großen sozial gestützten Bereich an Mietwohnungen. Und das bedeutet, dass man um die Verantwortung des öffentlichen Sektors nicht herumkommt.“

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