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Energie und Macht
Energie und Macht, Pressebild: Darko Todorovic
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„POWER“ – Ausstellung im vai Vorarlberger Architektur Institut

29. Oktober 2024 - Martina Pfeifer Steiner
Geballte Ladung im vai. Auf dem roten Teppichfeld sind Montagegestelle mit großformatigen Fotografien gruppiert; vier Themeninseln an jeder Ecke, ausgebreitet auf Tischen; im Hintergrund eine wandfüllende Landkarte. Die Ausstellung kommt aus Brüssel, vom CIVA – Zentrum für Information, Dokumentation und Ausstellungen zu Stadt, Architektur, Landschaft und Stadtplanung, vai-Direktorin Verena Konrad hat daraus eine konzentrierte und höchst spannende Fassung für die Räumlichkeiten in Dornbirn kuratiert.

Im Jahr der EU-Wahl, der Deklaration zum europäischen Green Deal und des 100-Jahre-Jubiläums der Illwerke VKW wird wieder ein brisantes Thema aufgespannt – in anderer Flughöhe, nämlich als historischer Rückblick, der das Handeln in der Ideengeschichte verankert. Beeindruckend! Ausgangspunkt ist die Entstehung des europäischen Projekts mit der EGKS – Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, also eine Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Baumaterialien. Im Wiederaufbau spielte Stahl als Wirtschaftsressource und Baumaterial eine große Rolle, damit auch in Architektur und Wohnbau, einige Beispiele der architektonischen Avantgarde aus den 1950er Jahren liegen auf.

Am Tisch zur Weltausstellung 1958 in Brüssel ist der Optimismus der frühen nuklearen Ära nachzuvollziehen. Das „Atomium“ ­– eine begehbare Skulptur als 165-milliardenfache Vergrößerung der kristallinen Elementarzelle von Eisen – wurde zum Symbol des Fortschritts, der Innovation und für ein Atomzeitalter mit friedlicher Nutzung der Kernenergie. Auch im Sektor der Kolonien widmete man den kongolesischen Pavillon der dort reichlich vorkommenden und an Bedeutung gewonnenen Ressource Uran. Die Expo-Kuration hatte sogar den Bau des ersten kommerziellen Kernreaktors Europas auf dem Ausstellungsgelände projektiert, der dem Publikum die Möglichkeit und Funktionsweise der Stromerzeugung aus Kernenergie demonstrieren sollte. Dies kam jedoch aufgrund des Widerstands von Anrainern und des Königspalastes nicht zustande.

Zeugnis der damaligen Euphorie geben auch die an der Wand hängenden Entwürfe von Claude Parent für das französische Atomprogramm. Als Reaktion auf die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre wurde dieser von der EDF, der weltweit zweitgrößten Elektrizitätsgesellschaft, mit der Planung von zwölf Kernkraftwerken beauftragt, zwei wurden gebaut. Für den Architekten hatte der neue Bautypus großes ästhetisches Potenzial, er sprach von einer „landschaftlichen Architektur“, mit der das „Kraftwerk auf dem Lande“ auch zu einem Ort für Entspannung und Erholung werden könne.

Künstlerische Aufladung

Der Fotograf und Filmemacher Armin Linke ist mit dem Film „Alpi“ in der Ausstellung 2013 im vai noch in Erinnerung, wo er die kulturellen, sozialen, ökonomischen, landschaftlichen und klimatischen Veränderungsprozesse der Alpenregion thematisierte. „Fom A to B, 1998 – 2023“ ist der Titel seiner Installation zu einer 25 Jahre umspannenden Erforschung des Anthropozäns. Es ist das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde wurde. Die Fotografien zeigen eindrücklich Öl- und Gasfelder in Russland, Aserbaidschan und dem Nahen Osten, Flussdämme in China und Uranminen in Niger. Für die Ausstellung neu erstellte Fotos thematisieren die wachsende Rolle der belgischen Nordsee als Drehscheibe für eine diversifizierte Energieerzeugung, die sich die starken See-Winde und die nukleare Energieinfrastruktur effektiv zunutze macht.

Die Notwendigkeit, erneuerbare Energiequellen in großem Umfang zu erschließen beschäftigt auch das niederländische Landschaftsarchitekturbüro Feddes-Olthof. Das Projekt Energy Island schafft innovative Landschaften für eine nachhaltige Energieversorgung: Eine künstliche, ringförmige Insel mit einem Durchmesser von fünf Kilometern kombiniert Offshore-Windparks, schwimmende Solarpaneele und Meerwasserbatterien zur Energiespeicherung. Die künstlichen Dünen, Watte und Salzwiesen wandeln sich zu neuen Ökosystemen, die Inseln könnten überdies zum attraktiven Ziel für nachhaltigen Tourismus werden. Dazu passend, die 2023 verfasste Erklärung von Ostende: Neun europäische Länder beschließen, die Nordsee in das größte Energiekraftwerk der Welt verwandeln zu wollen.

Das Grüne Gold

An der vierten Tischinsel begegnen wir Paul Duvigneaud, einem Visionär und Pragmatiker. Der ausgebildete Botaniker und Chemiker hat sich bereits in den 1960er Jahren mit den großen Umweltgefahren auseinandergesetzt, den CO2 Anstieg in der Atmosphäre analysiert und den Klimawandel vorhergesagt. Er warnte vor der Kernenergie und schlug Szenarien für einen schrittweisen Übergang zu dezentralen alternativen Energiequellen vor: Windkraft, Solarenergie und vor allem Biomasse, als „Grünes Gold“ bezeichnet, bei der die modernisierte Landwirtschaft eine wesentliche Rolle spielen sollte.

Die wandfüllende Landkarte ist ein Konzept des renommierten Architekturbüros OMA (Rem Koolhaas), und zeigt wie Europa durch die vollständige Integration und Synchronisierung der EU-Energie-Infrastruktur den größtmöglichen Nutzen aus seiner geografischen Vielfalt ziehen kann. „Eneropa“ ist eine spekulative Karte, die sich Europa als eine Reihe von Regionen vorstellt, die nach der Art der erneuerbaren Energie benannt sind. Sein Masterplan „Roadmap 2050“ zeigt einen praktischen Leitfaden für ein wohlhabendes, kohlenstoffarmes Europa auf.

Bleibt noch auf den Film „The Great Endeavor“ zu verweisen, in dem der Architekt und Filmemacher Liam Young die Frage stellt, ob für die Erreichung der Klimaziele allein die Senkung der künftigen Emissionen ausreicht, oder ob es Anstrengungen braucht, bereits vorhandenes Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen und in Gigatonnen unterirdisch zu speichern. Ein dystopisches Szenario, nicht von Menschen, sondern von Maschinen gedacht.

Und auch der „Red carpet“ ist inhaltsschwer: Architekt Philippe Rahm plädiert angesichts der dringenden Notwendigkeit, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu reduzieren, den thermischen Wert des Dekorativen neu zu überdenken und die Inneneinrichtung zu nutzen, um das Raumklima in Häusern zu optimieren – die rote Farbe wirkt wärmend auf den Menschen.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, November 2024, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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