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Willi wird’s schon richten
Eine Bauernhofruine aus dem 19. Jahrhundert. Was tun? Wilhelm Buchhammer kaufte den Tiroler Hof, verzauberte ihn in ein Schmuckstück – und bekam dafür den Österreichischen Bauherrenpreis 2024.
16. November 2024 - Wojciech Czaja
Der Willi, muss man wissen, ist nicht nur Installateur, was er früher mal erlernt hat, sondern auch Gastwirt unten im Inntal und Vermieter von Ferienwohnungen. Vor allem aber ist er Brotbäcker, Fischzüchter, Schnapsbrenner, Baggerfahrer, Baumeister, Schalungsbauer, Betonierer, Tischler, Fliesenleger, Trockensteinmaurer, Kalklöscher, Kalkverputzer und Dachstuhlzimmermann.
„Der Willi ist echt ein Wunderwuzziwilli“, sagt Architekt Harald Kröpfl, der ein kleines, aber hochbeglückendes Architekturbüro in Landeck betreibt und sich damit für die Ortskernrevitalisierung im Tiroler Oberland starkmacht. „Von so einem Bauherrn habe ich ein Leben lang geträumt. Und von so einem alten Bauernhof hoch oben am Berg wie hier im Kaunertal, von so einer historischen Herausforderung sowieso! Das war durch und durch ein Traumprojekt – von der ersten Skizze vor Ort bis zum ersten übernachtenden Gast.“
Besagter Willi, Wilhelm Buchhammer, wie er im Grundbuche steht, hat ein Herz für alte Bauernhöfe. Als er vor ein paar Jahren erfuhr, dass jener 1890 errichtete Milchbauernhof in Martinsbach, den er schon seit Kindheitstagen kannte, der Gemeinde ein Dorn im Auge war und eigentlich abgerissen werden sollte, fasste er sich ein ebensolches und kaufte die morsche Stein- und Blockhausruine mitsamt zehn Hektar Bergland. Die erste Idee war, die Revitalisierung zum Hobby zu machen, sich ein paar Jahre lang bastelnd durchs Haus zu wüten und es Stein für Stein, Balken für Balken zu ertüchtigen.
Schwieriger Alleingang
„Es sind schon so viele historische Bauernhöfe verschwunden“, sagt Willi, 51 Jahre alt, „nicht noch einer! Vielleicht bin ich ja a bissl sentimental, aber ich wollte meinen Beitrag leisten, um die Geschichte zu bewahren und diese prächtige, ortstypische Tiroler Architektur den nächsten Generationen zu übergeben.“ Und irgendwann, meint er, habe er gemerkt, dass das im Alleingang nicht gehen würde, dass das alles doch nicht so einfach war, wie er sich das vorgestellt habe. Ein Plan musste her. Und am besten ein Architekt noch dazu. Über Empfehlungen kam er schließlich zum Kröpfl Harry.
„Der wusste, was ich will, der hat mich von Anfang an verstanden“, erzählt er. Und so startete eine jahrelange Partnerschaft mit ziemlich wenigen am Computer gezeichneten Plänen und ziemlich vielen Vor-Ort-Gesprächen und Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Da ein morscher Balken, der ersetzt werden musste, dort eine eingestürzte Zwischendecke, die nun zu rekonstruieren war, und zwischendurch musste das Haus hangseitig, auf der Neaderseite, wie man im Oberland sagt, mittels Winden per Handkurbel um 20 Zentimeter angehoben werden, damit es wieder im Lot steht, „aber bloß keinen Zentimeter zu viel, sonst hätte es gerumpelt“.
Das Aufmauern mit Natursteinen, sagt Willi, habe er sich selbst beigebracht, das Betonieren und Stocken des Mauersockels ebenso, und auch das Schlämmen des talseitigen Mauerwerks mit selbst gelöschtem Kalk, unten im Faggenbach, eine ziemlich ätzende Angelegenheit, war selbstmännische Ehrensache. „Am Ende war die Fassade dann halt schon a bissl sehr weiß. Hat in den Augen so richtig geblendet. So konnte das nicht bleiben!“ Die darauffolgende Sanierungsaktion umfasste eine Schwarztee-Kur und mehrfaches Einpinseln mit ebenjenem aufgebrühten Blättersaft. „Einen Tag lang auf dem Gerüst stehen und die Außenwände mit Tee bemalen, und schon hat’s gepasst.“
Jahrelanger Wahnsinn
Für den jahrelangen Wahnsinn, für das unerbittliche Engagement auf Auftraggeberseite wurde Wilhelm Buchhammer gestern, Freitagabend, mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2024 ausgezeichnet. Der seit 1967 jährlich verliehene Preis holt ausnahmsweise mal nicht die Planer und Architektinnen vor den Vorhang, sondern jene Menschen, die das Risiko eingehen und das Geld in die Hand nehmen, um ebensolche Projekte, um ebensolche Visionen zu realisieren. Der von der Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs (ZV) ausgelobte Preis ist der älteste und konsequenteste seiner Art weltweit.
„Das Verschwinden bäuerlicher Strukturen wird häufig beklagt, aber selten verhindert“, erklärt Gabriele Kaiser, Architekturhistorikerin und eine der Jurorinnen des Bauherrenpreises. „Hier hat ein privater Bauherr mit großer Passion für das Kulturerbe der Region die Initiative ergriffen und einem verwaisten, brachliegenden Hof neues Leben eingehaucht – mit liebevollen Details, mit Riemenböden, Holzbalkendecken, getäfelten Kammern und Möbeln und Öfen aus der damaligen Zeit, unprätentiös und ohne Hang ins Museale.“ Hinzu komme, so Kaiser, die Kontaktaufnahme mit dem Bundesdenkmalamt und dem Tiroler Landeskonservator und die proaktive Unterschutzstellung des Hauses.
Der Willi lacht. „Jetzt kann das Ding nie wieder zerstört oder abgerissen werden, und ich glaube, das ist gut so. Jetzt muss ich noch den Kredit abbezahlen und die Schulden loswerden.“ Man kann ihn dabei unterstützen. Die drei Ferienwohnungen sind ganzjährig buchbar. Eine Reise in eine Welt mit knarrenden Holzböden, schwarzen Bakelit-Schaltern und Wänden, die man streicheln will.
7 ausgezeichnete Häuser
Neben dem Buchhammerhof in Martinsbach wurden folgende sechs Projekte mit dem diesjährigen Bauherrenpreis gewürdigt: Einfamilienhaus mit Schilfdach in Weiden am See: Marina Rosa und Jacobus von Hoorne (Arch. Gilbert Berthold). Wohnprojekt Auenweide in St. Andrä Wördern: Verein Wohnprojekt Wördern, Markus Spitzer (einszueins architektur). KinderKunstLabor in St. Pölten: Stadt St. Pölten, Matthias Stadler, Wolfgang Lengauer, NÖ Kulturwirtschaft GmbH, Martin Maurer, Mona Jas (Schenker Salvi Weber Architekten). Drauforum in Oberdrauburg: Marktgemeinde Oberdrauburg, Stefan Brandstätter (Arch. Eva Rubin). Ágnes Heller Haus, Universität Innsbruck: BIG Bundesimmobiliengesellschaft, Leopold-Franzens-Universität (mohr niklas architekten). Neue Bürowelt Haberkorn in Wolfurt: Haberkorn GmbH, Wolfgang Baur, Andrea Sutterlüty (Nona Architektinnen).
„Der Willi ist echt ein Wunderwuzziwilli“, sagt Architekt Harald Kröpfl, der ein kleines, aber hochbeglückendes Architekturbüro in Landeck betreibt und sich damit für die Ortskernrevitalisierung im Tiroler Oberland starkmacht. „Von so einem Bauherrn habe ich ein Leben lang geträumt. Und von so einem alten Bauernhof hoch oben am Berg wie hier im Kaunertal, von so einer historischen Herausforderung sowieso! Das war durch und durch ein Traumprojekt – von der ersten Skizze vor Ort bis zum ersten übernachtenden Gast.“
Besagter Willi, Wilhelm Buchhammer, wie er im Grundbuche steht, hat ein Herz für alte Bauernhöfe. Als er vor ein paar Jahren erfuhr, dass jener 1890 errichtete Milchbauernhof in Martinsbach, den er schon seit Kindheitstagen kannte, der Gemeinde ein Dorn im Auge war und eigentlich abgerissen werden sollte, fasste er sich ein ebensolches und kaufte die morsche Stein- und Blockhausruine mitsamt zehn Hektar Bergland. Die erste Idee war, die Revitalisierung zum Hobby zu machen, sich ein paar Jahre lang bastelnd durchs Haus zu wüten und es Stein für Stein, Balken für Balken zu ertüchtigen.
Schwieriger Alleingang
„Es sind schon so viele historische Bauernhöfe verschwunden“, sagt Willi, 51 Jahre alt, „nicht noch einer! Vielleicht bin ich ja a bissl sentimental, aber ich wollte meinen Beitrag leisten, um die Geschichte zu bewahren und diese prächtige, ortstypische Tiroler Architektur den nächsten Generationen zu übergeben.“ Und irgendwann, meint er, habe er gemerkt, dass das im Alleingang nicht gehen würde, dass das alles doch nicht so einfach war, wie er sich das vorgestellt habe. Ein Plan musste her. Und am besten ein Architekt noch dazu. Über Empfehlungen kam er schließlich zum Kröpfl Harry.
„Der wusste, was ich will, der hat mich von Anfang an verstanden“, erzählt er. Und so startete eine jahrelange Partnerschaft mit ziemlich wenigen am Computer gezeichneten Plänen und ziemlich vielen Vor-Ort-Gesprächen und Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Da ein morscher Balken, der ersetzt werden musste, dort eine eingestürzte Zwischendecke, die nun zu rekonstruieren war, und zwischendurch musste das Haus hangseitig, auf der Neaderseite, wie man im Oberland sagt, mittels Winden per Handkurbel um 20 Zentimeter angehoben werden, damit es wieder im Lot steht, „aber bloß keinen Zentimeter zu viel, sonst hätte es gerumpelt“.
Das Aufmauern mit Natursteinen, sagt Willi, habe er sich selbst beigebracht, das Betonieren und Stocken des Mauersockels ebenso, und auch das Schlämmen des talseitigen Mauerwerks mit selbst gelöschtem Kalk, unten im Faggenbach, eine ziemlich ätzende Angelegenheit, war selbstmännische Ehrensache. „Am Ende war die Fassade dann halt schon a bissl sehr weiß. Hat in den Augen so richtig geblendet. So konnte das nicht bleiben!“ Die darauffolgende Sanierungsaktion umfasste eine Schwarztee-Kur und mehrfaches Einpinseln mit ebenjenem aufgebrühten Blättersaft. „Einen Tag lang auf dem Gerüst stehen und die Außenwände mit Tee bemalen, und schon hat’s gepasst.“
Jahrelanger Wahnsinn
Für den jahrelangen Wahnsinn, für das unerbittliche Engagement auf Auftraggeberseite wurde Wilhelm Buchhammer gestern, Freitagabend, mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2024 ausgezeichnet. Der seit 1967 jährlich verliehene Preis holt ausnahmsweise mal nicht die Planer und Architektinnen vor den Vorhang, sondern jene Menschen, die das Risiko eingehen und das Geld in die Hand nehmen, um ebensolche Projekte, um ebensolche Visionen zu realisieren. Der von der Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs (ZV) ausgelobte Preis ist der älteste und konsequenteste seiner Art weltweit.
„Das Verschwinden bäuerlicher Strukturen wird häufig beklagt, aber selten verhindert“, erklärt Gabriele Kaiser, Architekturhistorikerin und eine der Jurorinnen des Bauherrenpreises. „Hier hat ein privater Bauherr mit großer Passion für das Kulturerbe der Region die Initiative ergriffen und einem verwaisten, brachliegenden Hof neues Leben eingehaucht – mit liebevollen Details, mit Riemenböden, Holzbalkendecken, getäfelten Kammern und Möbeln und Öfen aus der damaligen Zeit, unprätentiös und ohne Hang ins Museale.“ Hinzu komme, so Kaiser, die Kontaktaufnahme mit dem Bundesdenkmalamt und dem Tiroler Landeskonservator und die proaktive Unterschutzstellung des Hauses.
Der Willi lacht. „Jetzt kann das Ding nie wieder zerstört oder abgerissen werden, und ich glaube, das ist gut so. Jetzt muss ich noch den Kredit abbezahlen und die Schulden loswerden.“ Man kann ihn dabei unterstützen. Die drei Ferienwohnungen sind ganzjährig buchbar. Eine Reise in eine Welt mit knarrenden Holzböden, schwarzen Bakelit-Schaltern und Wänden, die man streicheln will.
7 ausgezeichnete Häuser
Neben dem Buchhammerhof in Martinsbach wurden folgende sechs Projekte mit dem diesjährigen Bauherrenpreis gewürdigt: Einfamilienhaus mit Schilfdach in Weiden am See: Marina Rosa und Jacobus von Hoorne (Arch. Gilbert Berthold). Wohnprojekt Auenweide in St. Andrä Wördern: Verein Wohnprojekt Wördern, Markus Spitzer (einszueins architektur). KinderKunstLabor in St. Pölten: Stadt St. Pölten, Matthias Stadler, Wolfgang Lengauer, NÖ Kulturwirtschaft GmbH, Martin Maurer, Mona Jas (Schenker Salvi Weber Architekten). Drauforum in Oberdrauburg: Marktgemeinde Oberdrauburg, Stefan Brandstätter (Arch. Eva Rubin). Ágnes Heller Haus, Universität Innsbruck: BIG Bundesimmobiliengesellschaft, Leopold-Franzens-Universität (mohr niklas architekten). Neue Bürowelt Haberkorn in Wolfurt: Haberkorn GmbH, Wolfgang Baur, Andrea Sutterlüty (Nona Architektinnen).
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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