Zeitschrift
db 2025|03
Steinern

HCC Heidelberg Congress Center
Am Heidelberger Hauptbahnhof zieht das Kongresszentrum die Blicke auf sich. Das gelingt ihm trotz der relativ niedrigen und großflächig gegliederten Kubatur durch seine Materialität. Sie strahlt Wertigkeit aus und kontrastiert in Farbe und subtiler Bearbeitung stark mit der gerasterten Umgebungsbebauung. Die Fassade aus lokalem Buntsandstein verortet das HCC klar in der Region und macht es als öffentliches Gebäude erkennbar.
28. Februar 2025 - Achim Geissinger
Das »Filetgrundstück« auf der Südseite des Heidelberger Hauptbahnhofs, jenes mit direktem Gleisanschluss, ist von einem Bankgebäude belegt. Das Kongresszentrum hingegen steht in zweiter Reihe. Bahnreisende haben zunächst die volle Länge des neuen Europaplatzes – immerhin wettergeschützt durch eine beeindruckende Kolonnade – und anschließend eine breite Straße zu überwinden, bevor sie den neuen Ort des Wissenstransfers erreichen. Die Lage bietet jedoch den Vorteil, dass der Sonderbau als eine Art Scharnier zwischen dem Südausgang des Bahnhofs und der anschließenden Bahnstadt wirken kann. Über die weitläufige Grünfläche des Zollhofgartens hinweg ergibt sich eine Sichtachse zum nächsten Sonderbau, dem Schul- und Bürgerzentrum »B³ Gadamerplatz« mit seinen rötlichen Ziegelwänden (Datscha Architekten, Stuttgart, db 9|2018, S. 62). Der farbliche Zusammenhang schafft den nötigen Wiedererkennungswert, den es unter all den neutralen, doch arg austauschbaren, Büro- und Wohnblöcken der Bahnstadt braucht.
Ebenso naheliegend wie überzeugend: die Wahl eines rötlichen Sandsteins für die Fassaden des neuen Stadtbausteins. Es handelt sich um den Neckartäler Hartsandstein, wie er schon seit 1 000 Jahren im Umland gebrochen wird und zumeist die öffentlichen Bauten von Rathaus über Heiliggeist- und Jesuitenkirche, Zeughaus, Stadthalle bis natürlich Schloss samt dortigem Besucherzentrum (2011, Max Dudler, db 4/2012, S. 28) ziert.
Für den 2017 international ausgelobten Realisierungswettbewerb entwarfen Degelo Architekten einen kompakten Baukörper, dessen monumentale Fassaden nahezu ohne Fenster auszukommen scheinen und keinen Anhaltspunkt zu Geschossanzahl oder Abmessungen geben. Zu den Nebenstraßen hin und an den Ecken folgt die Kubatur penibel den Fluchten der Nachbarbebauung und ordnet sich auch in der Höhenentwicklung dem städtebaulichen Gefüge der Bahnstadt unter. Ohne sich eines Hochpunkts bedienen zu können, gewinnt das Gebäude Präsenz und Sonderstellung allein aus Kubatur und Fassadenmaterial und lässt dem HCC mit der Erscheinung als schwer lastender Monolith die gebührende Bedeutung zukommen.
Zunächst signalisieren zwei zu den Freiräumen hin orientierte Glasfronten, jeweils drei Geschosse hoch, wo die beiden Foyers zu erwarten sind. Leicht schräg zueinander gestellte Wände und Stürze bilden dazu eine Rahmung und geben als hausgroße Willkommensgesten dem Gebäude einen gleichermaßen repräsentativen wie offenen und einladenden Charakter. Durch das Einziehen der Eingangsfronten ergeben sich schmale Vorplätze, die es für Ankunft und Sammeln braucht und die sich in anderen Entwürfen als mühsam dem Baukörper abgetrotzte Ausschnitte zeigen.
Subtil ornamentiert
Die selbsttragende Vorsatzschale aus massivem Buntsandstein ist zwischen 11,5 und 16 cm dick und mit feinen Mörtelfugen von 4 mm im Regelformat von ca. 62,5 x 25 cm bis knapp 20 m hoch gemauert, freilich durch Luftschichtanker gesichert und über den Fenster- und Türstürzen auf Konsolen gelagert. Es folgen 4 cm Hinterlüftung und 24 cm vlieskaschierte Mineralwolldämmung auf dem 30 bis 40 cm dicken Stahlbeton.
An den langen Gebäudeseiten zeigt sich eine Art Kolossalordnung, die sich aus der konkaven Eintiefung der Steine ergibt und der Fassade im Spiel von Licht- und Schatten einerseits den Eindruck von noch mehr Materialtiefe verleiht, andererseits aber auch die Strenge der Geometrie aufzulockern versteht. Analogien zu einem Theatervorhang sind zwar nicht explizit beabsichtigt, lassen sich aber besonders leicht an den Stürzen der rechteckig angeschnittenen Öffnungen für Notausgänge oder Anlieferung assoziieren.
Für die Kanneluren bediente man sich der alten Steinmetztechnik der Linienscharrierung, bei der zunächst einzelne Nuten so tief eingefräst wurden (heute freilich digital), wie es der gewünschten Krümmung entspricht, um anschließend die stehengebliebenen Stege manuell auszubrechen. Der Effekt der stark strukturierten Oberfläche liegt u. a. darin, dass die Maserung des Natursteins in den Hintergrund tritt und ein Kontrast zu den handschmeichelnd feingeschliffenen Oberflächen an den Eingangs-Nischen entsteht. Die feinen gelblichen Einschlüsse im Stein treten hier wiederum klar hervor und adeln den Ort des Eintretens.
Um die monolithische Erscheinung nicht durch banale Fenster zu stören, wurde ein Kreisformat gewählt, das überdies durch plastisch hervortretende Faschen betont wird. Auch sie sind fein geschliffen und bilden mit ihrer auf die Grate der Kanneluren auslaufenden Tropfenform ein subtiles, unverwechselbares Ornament, das den Ansichten eine weitere Ebene der Wertigkeit zukommen lässt.
Präzision in Planung und Ausführung
Florian Walter, seit 2015 Partner von Degelo Architekten, zeigt sich nachhaltig begeistert vom Können und Kooperationswillen des ausführenden Natursteinunternehmens (Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser), das auch eine maßgeschneiderte Lösung für die Akustikrückwand des großen Saals entwickelte. Dort hat es kleine Quadratformate aus Mainsandstein kreisrund gelocht und in beneidenswerter Präzision bis unter die Saaldecke gemauert. Dahinter beeinflussen verschiedene Absorber je nach Bedarf die Nachhallzeit des beeindruckenden, großflächig mit Akustikputz versehenen Raums, der bis zu 1 800 Personen fasst.
Aber auch die Betonbauer sind zu loben. Ihnen gelangen fein geschalte Oberflächen aus Weißbeton, die zusammen mit hellen Terrazzoböden und ganz im Kontrast zum massiv gestalteten Äußeren trotz aller Schwere der Konstruktion das Gebäudeinnere überraschend hell und bisweilen wie entmaterialisiert erscheinen lassen. Die großen Spannweiten werden stützenfrei von wandartigen Trägern überbrückt. Die Breite des großen Saals von 31 m überspannen 3,3 m hohe Träger, zwischen denen die Lüftungstechnik genügend Raum findet und mit denen die ähnlich einer Kappendecke ausgebildete Unterdecke verbunden ist – allesamt in Ortbeton ausgeführt. Durch elliptische Aussparungen am seitlichen Rand des Kappengewölbes strömt natürliches Licht herab.
Insgesamt sind 2 500 m³ Weißbeton und 23 000 m³ Ortbeton unterschiedlicher Festigkeitsklassen verbaut. Ebenfalls darf man die Bauschreiner nicht vergessen: Ihre Ausbaudetails aus Ulmenholz von Handlauf über Wandbekleidung bis hin zu ausladenden Brandschutztoren erleichtern die Orientierung und lassen den hellen, wohlproportionierten Räumen durch Haptik und Farbe einen weiteren angenehmen, fast wohnlichen Aspekt zukommen.
Gold-Standard
Die Energieversorgung der beiden Säle, der neun teilweise miteinander kombinierbaren Tagungsräume, des Studios für Live-Streaming und Videoproduktion sowie der Showküche im Zwischengeschoss erfolgt über Fernwärme/-kälte und Photovoltaik. Die massiven Bauteile werden als thermische Speichermasse herangezogen, unterstützt von der weitgehend geschlossenen Fassade und vom günstigen A/V-Verhältnis. Mit den gering gehaltenen Erschließungsflächen, Nachtauskühlung, Wärmerückgewinnung, Passivhausstandard, Gründach, gesundheits- und umweltverträglichen Materialien stehen die Aussichten auf das angestrebte DGNB-Gold-Zertifikat nicht schlecht.
Den Ausgangspunkt für die Raumstruktur bildete die Notwendigkeit, maximal flexible Bespielbarkeit zu gewährleisten: für große und kleine Veranstaltungen aller Art, vom wissenschaftlichen Kongress bis zu Theater und Konzert, bei Bedarf in voneinander getrennten Bereichen, deren Wege sich durch die beiden Eingänge mit je eigenem Foyer nicht kreuzen.
Allzu gern streift man durch die weiten Flure, über die luftigen Treppen hinauf zu den Galerien, genießt den spannungsreichen Wechsel von engen und weiten, von niedrigen und sehr hohen Räumen, die empfangen, überleiten, umlenken und mit zahlreichen Blickbeziehungen überraschen. Das sieht auch die Heidelberger Bevölkerung so, die den Neubau sehr wohlwollend aufgenommen hat, auch wenn er Veranstaltungsbesucher:innen vorbehalten und nicht allgemein zugänglich ist. Schön kommt an. Und schön, darin sind sich Architekt und Bauherrschaft einig, muss nicht teurer sein als der Standard.
Ebenso naheliegend wie überzeugend: die Wahl eines rötlichen Sandsteins für die Fassaden des neuen Stadtbausteins. Es handelt sich um den Neckartäler Hartsandstein, wie er schon seit 1 000 Jahren im Umland gebrochen wird und zumeist die öffentlichen Bauten von Rathaus über Heiliggeist- und Jesuitenkirche, Zeughaus, Stadthalle bis natürlich Schloss samt dortigem Besucherzentrum (2011, Max Dudler, db 4/2012, S. 28) ziert.
Für den 2017 international ausgelobten Realisierungswettbewerb entwarfen Degelo Architekten einen kompakten Baukörper, dessen monumentale Fassaden nahezu ohne Fenster auszukommen scheinen und keinen Anhaltspunkt zu Geschossanzahl oder Abmessungen geben. Zu den Nebenstraßen hin und an den Ecken folgt die Kubatur penibel den Fluchten der Nachbarbebauung und ordnet sich auch in der Höhenentwicklung dem städtebaulichen Gefüge der Bahnstadt unter. Ohne sich eines Hochpunkts bedienen zu können, gewinnt das Gebäude Präsenz und Sonderstellung allein aus Kubatur und Fassadenmaterial und lässt dem HCC mit der Erscheinung als schwer lastender Monolith die gebührende Bedeutung zukommen.
Zunächst signalisieren zwei zu den Freiräumen hin orientierte Glasfronten, jeweils drei Geschosse hoch, wo die beiden Foyers zu erwarten sind. Leicht schräg zueinander gestellte Wände und Stürze bilden dazu eine Rahmung und geben als hausgroße Willkommensgesten dem Gebäude einen gleichermaßen repräsentativen wie offenen und einladenden Charakter. Durch das Einziehen der Eingangsfronten ergeben sich schmale Vorplätze, die es für Ankunft und Sammeln braucht und die sich in anderen Entwürfen als mühsam dem Baukörper abgetrotzte Ausschnitte zeigen.
Subtil ornamentiert
Die selbsttragende Vorsatzschale aus massivem Buntsandstein ist zwischen 11,5 und 16 cm dick und mit feinen Mörtelfugen von 4 mm im Regelformat von ca. 62,5 x 25 cm bis knapp 20 m hoch gemauert, freilich durch Luftschichtanker gesichert und über den Fenster- und Türstürzen auf Konsolen gelagert. Es folgen 4 cm Hinterlüftung und 24 cm vlieskaschierte Mineralwolldämmung auf dem 30 bis 40 cm dicken Stahlbeton.
An den langen Gebäudeseiten zeigt sich eine Art Kolossalordnung, die sich aus der konkaven Eintiefung der Steine ergibt und der Fassade im Spiel von Licht- und Schatten einerseits den Eindruck von noch mehr Materialtiefe verleiht, andererseits aber auch die Strenge der Geometrie aufzulockern versteht. Analogien zu einem Theatervorhang sind zwar nicht explizit beabsichtigt, lassen sich aber besonders leicht an den Stürzen der rechteckig angeschnittenen Öffnungen für Notausgänge oder Anlieferung assoziieren.
Für die Kanneluren bediente man sich der alten Steinmetztechnik der Linienscharrierung, bei der zunächst einzelne Nuten so tief eingefräst wurden (heute freilich digital), wie es der gewünschten Krümmung entspricht, um anschließend die stehengebliebenen Stege manuell auszubrechen. Der Effekt der stark strukturierten Oberfläche liegt u. a. darin, dass die Maserung des Natursteins in den Hintergrund tritt und ein Kontrast zu den handschmeichelnd feingeschliffenen Oberflächen an den Eingangs-Nischen entsteht. Die feinen gelblichen Einschlüsse im Stein treten hier wiederum klar hervor und adeln den Ort des Eintretens.
Um die monolithische Erscheinung nicht durch banale Fenster zu stören, wurde ein Kreisformat gewählt, das überdies durch plastisch hervortretende Faschen betont wird. Auch sie sind fein geschliffen und bilden mit ihrer auf die Grate der Kanneluren auslaufenden Tropfenform ein subtiles, unverwechselbares Ornament, das den Ansichten eine weitere Ebene der Wertigkeit zukommen lässt.
Präzision in Planung und Ausführung
Florian Walter, seit 2015 Partner von Degelo Architekten, zeigt sich nachhaltig begeistert vom Können und Kooperationswillen des ausführenden Natursteinunternehmens (Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser), das auch eine maßgeschneiderte Lösung für die Akustikrückwand des großen Saals entwickelte. Dort hat es kleine Quadratformate aus Mainsandstein kreisrund gelocht und in beneidenswerter Präzision bis unter die Saaldecke gemauert. Dahinter beeinflussen verschiedene Absorber je nach Bedarf die Nachhallzeit des beeindruckenden, großflächig mit Akustikputz versehenen Raums, der bis zu 1 800 Personen fasst.
Aber auch die Betonbauer sind zu loben. Ihnen gelangen fein geschalte Oberflächen aus Weißbeton, die zusammen mit hellen Terrazzoböden und ganz im Kontrast zum massiv gestalteten Äußeren trotz aller Schwere der Konstruktion das Gebäudeinnere überraschend hell und bisweilen wie entmaterialisiert erscheinen lassen. Die großen Spannweiten werden stützenfrei von wandartigen Trägern überbrückt. Die Breite des großen Saals von 31 m überspannen 3,3 m hohe Träger, zwischen denen die Lüftungstechnik genügend Raum findet und mit denen die ähnlich einer Kappendecke ausgebildete Unterdecke verbunden ist – allesamt in Ortbeton ausgeführt. Durch elliptische Aussparungen am seitlichen Rand des Kappengewölbes strömt natürliches Licht herab.
Insgesamt sind 2 500 m³ Weißbeton und 23 000 m³ Ortbeton unterschiedlicher Festigkeitsklassen verbaut. Ebenfalls darf man die Bauschreiner nicht vergessen: Ihre Ausbaudetails aus Ulmenholz von Handlauf über Wandbekleidung bis hin zu ausladenden Brandschutztoren erleichtern die Orientierung und lassen den hellen, wohlproportionierten Räumen durch Haptik und Farbe einen weiteren angenehmen, fast wohnlichen Aspekt zukommen.
Gold-Standard
Die Energieversorgung der beiden Säle, der neun teilweise miteinander kombinierbaren Tagungsräume, des Studios für Live-Streaming und Videoproduktion sowie der Showküche im Zwischengeschoss erfolgt über Fernwärme/-kälte und Photovoltaik. Die massiven Bauteile werden als thermische Speichermasse herangezogen, unterstützt von der weitgehend geschlossenen Fassade und vom günstigen A/V-Verhältnis. Mit den gering gehaltenen Erschließungsflächen, Nachtauskühlung, Wärmerückgewinnung, Passivhausstandard, Gründach, gesundheits- und umweltverträglichen Materialien stehen die Aussichten auf das angestrebte DGNB-Gold-Zertifikat nicht schlecht.
Den Ausgangspunkt für die Raumstruktur bildete die Notwendigkeit, maximal flexible Bespielbarkeit zu gewährleisten: für große und kleine Veranstaltungen aller Art, vom wissenschaftlichen Kongress bis zu Theater und Konzert, bei Bedarf in voneinander getrennten Bereichen, deren Wege sich durch die beiden Eingänge mit je eigenem Foyer nicht kreuzen.
Allzu gern streift man durch die weiten Flure, über die luftigen Treppen hinauf zu den Galerien, genießt den spannungsreichen Wechsel von engen und weiten, von niedrigen und sehr hohen Räumen, die empfangen, überleiten, umlenken und mit zahlreichen Blickbeziehungen überraschen. Das sieht auch die Heidelberger Bevölkerung so, die den Neubau sehr wohlwollend aufgenommen hat, auch wenn er Veranstaltungsbesucher:innen vorbehalten und nicht allgemein zugänglich ist. Schön kommt an. Und schön, darin sind sich Architekt und Bauherrschaft einig, muss nicht teurer sein als der Standard.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Emre Onur