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Fußgängerzone Eisenstadt: Auch Altbauten haben spezielle Bedürfnisse
Spectrum

Der Apotheker Robert Müntz will dazu beitragen, dass die Fußgängerzone von Eisenstadt wieder gesund wird. Daher kauft und saniert er alte Häuser in seiner Nachbarschaft und macht sie teilweise öffentlich zugänglich.

25. Februar 2025 - Klaus-Jürgen Bauer
Der Eisenstädter Apotheker Robert Müntz ist Naturwissenschaftler, Musiker und baut seltene historische Musikinstrumente. Er unternimmt lange beschwerliche Fahrten in den Amazonas, um dort neue Pflanzen zu entdecken oder Giftschlangen zu melken. Und dann gibt es da noch eine weitere Leidenschaft, die vor langer Zeit durch einen Dachbodenfund ausgelöst wurde. Müntz wuchs in der städtischen Apotheke auf, einem geräumigen Eisenstädter Barockbau, in dem ständig umgebaut und erweitert wurde, und bewohnte im Laufe der Zeit alle Räume des Hauses. Der Dachboden mit seinen Schätzen war ein weiteres Refugium des entdeckungslustigen Jugendlichen. Dort fand Müntz ein seltsam schweres Ding aus Messing, sorgfältig eingewickelt in Seidenpapier: ein Missing Link wie in Stanley Kubricks berühmtem Film „2001 – Odyssee im Weltraum“. Es stellte sich heraus, dass dies der Türbeschlag vom alten Haustor des Anwesens gewesen war. Für den Sohn wurde dieser Fund lebensverändernd. Er sorgte dafür, dass der alte Beschlag wieder am Haustor angebracht wurde, weil er fand, dass damit eine Wunde, die diesem Haus zugefügt worden war, geheilt werden konnte.

Dieses Initialerlebnis machte ihm klar, dass bei alten Häusern generell alles seinen richtigen Platz finden müsse. So wie pharmazeutische Heilmittel mithelfen, eine Krankheit zu heilen, so können eben auch alte Häuser mit den richtigen Materialien wieder gesund gemacht werden. Damals entstand in Robert Müntz neben der Biologie, der Musik und den wilden Reisen eine weitere Leidenschaft: Er wollte dazu beitragen, dass seine unmittelbare Umgebung, nämlich die obere Fußgängerzone seiner Heimatstadt Eisenstadt, wieder gesund wird. Seitdem kauft und saniert der Apothekersohn alte Häuser in seiner Nachbarschaft.

Reibebaum zwischen Modernität und Altbestand

Nach dem Studium übernahm Müntz die elterliche Apotheke mit fünf Mitarbeitern. Heute, nach der Gründung einer homöopathischen Manufaktur vor Ort, hat der Betrieb 85 Mitarbeiter. Müntz nützt seine materielle und persönliche Handlungsfreiheit für die Heilung barocker Stadthäuser in seiner Nachbarschaft. Er lernte recht schnell, dass Altbauten spezielle Bedürfnisse hatten: Sie verlangten etwa nach Materialien wie dem Sumpfkalk, je älter, desto besser. Damals lag der Mainstream der Architektur aber nicht beim Reparieren von Altbeständen. Ganz im Gegenteil: Modernistische Prinzipien und Materialien bestimmten die Disziplin. Müntz merkte rasch, dass die Moderne ideologiegetrieben war, während die Altbauten Ergebnisse alten empirischen Wissens in sich trugen. Der früh verstorbene Eisenstädter Architekt Fritz Brandlhofer wurde für Robert Müntz zum planerischen Begleiter und gleichzeitig zum Reibebaum zwischen Modernität und Altbestand. Da die Kenntnis des alten Bauens weitgehend verloren war, musste Robert Müntz ein anderes Prinzip entwickeln, um Altbestände vernünftig reparieren zu können.

Ein alter Torbogen ist vorhanden, aber vermauert. Erst die Freilegung und Wiederherstellung bringen ein Ergebnis, bei dem das Gefühl Ja oder Nein sagt. Vieles wurde und wird daher selbst gemacht. Im Internet werden Kastenfenster ersteigert und in der hauseigenen Werkstatt repariert. Auf dem Dachboden lagern heute Unmengen alter Beschläge, Türen, Laternen, auch Kleinigkeiten wie Schlitzschrauben, wenn die Handwerker diese einmal vergessen haben. Bauherr und Handwerker befinden sich in einer Situation ständiger gegenseitiger Ausbildung. Mit der Zeit und mit gelungenen Fertigstellungen wächst bei allen Beteiligten das Gefühl für gute Proportionen und Raumqualitäten. Dieses Prinzip betrifft nicht nur die Oberflächen der Häuser, sondern auch die sorgfältige Bepflanzung der Erdgeschoßzonen. Müntz sammelt seltene bodenständige Pflanzen und gibt ihnen neuen Raum, arrangiert Findlinge dazu, sorgt dafür, dass all diese grünen Elemente als Schwämme Wasser speichern können.

Das Gefühl von Robert Müntz für das richtige Artefakt am richtigen Ort ist seit dem Fund des Türdrückers vor 50 Jahren immer noch das Leitmotiv aller Entscheidungen. Mittlerweile ist das Bundesdenkmalamt ein wichtiger Partner geworden, ein stabilisierender Faktor für Altbestände, dessen Schutzfunktion es übernimmt. Wissenschaftliche Erkenntnisse auf Basis qualifizierter Befunde sind heute wichtige Impulse für den Bau-Empiriker. Man lernt voneinander, man nähert sich an. Diese Art des integralen Bauens und Reparierens ist übrigens eine ziemlich kostengünstige Angelegenheit, weil der Druck durch Institutionen, Fristen etc. wegfällt und man die Zeit der Qualitätsentwicklung widmen kann.

Vorbild: die Hüxstraße in Lübeck

Es gibt in Österreich viele Menschen, deren Leidenschaft der richtige Umgang mit Altbeständen ist. Robert Müntz geht es jedoch nicht um einzelne Gebäude, sondern um die Heilung eines ganzen Quartiers, der oberen Hauptstraße von Eisenstadt: eine Zielvorstellung, die normalerweise Kommunen beschäftigt und nicht einzelne Investoren. Die architektonischen Diskurse über solche Formen von Innenstadtbelebungen füllen seit Jahrzehnten viele städtebauliche Bibliotheken. Umgesetzt konnte im Vergleich dazu immer nur recht wenig werden. Auch dafür hat Robert Müntz eine verblüffend einfache Erklärung: Die öffentliche Hand könne das seiner Meinung nach nicht leisten, weil sie keinen Eigentümerstatus habe. So etwas können nur Private, und seine persönlichen Umstände machen so ein Vorhaben eben möglich.

Sein Vorbild fand er in der Hüxstraße in Lübeck, wo Buchbinder, Uhrmacher etc. für ein reges Leben sorgen. In seiner Straße siedelt Müntz daher bewusst vor allem Handwerker und Kunsthandwerker an. Es gibt bereits zwei Schneiderinnen, einen Kürschner, einen Goldschmied, Hersteller von Holzspielzeug etc. Noch einige weitere Handwerksläden sollen in Zukunft die Straße besiedeln. Kürzlich wurde der alte Apothekenkeller, wo früher Baldrian und anderes lagerten, als kleines Stadtlokal namens „Aspirin“ wiedereröffnet: ein weiterer Schritt hin zum Richtigen.

Im sogenannten Orgelbauerhaus – einem von vier historischen Häusern, die Robert Müntz in seinem Quartier bereits im Portfolio hat – befand sich eine alte Manufaktur. Anstatt diese ehemalige Manufaktur als Wohnloft für sich selbst zu nützen, erschien es ihm wichtiger, diesen besonderen Raum mit der Bevölkerung für Konzerte etc. zu teilen. Hierin liegt nun vielleicht das Geheimnis eines guten Investors: Man teilt seinen Profit. Von der Schönheit zehren schließlich alle, und ein positives Echo ist ein schöner Nebeneffekt. Es gibt also passende und profitable Heilmittel für alte Städte, aber man braucht auch das richtige Rezept dafür. Robert Müntz hat es wohl gefunden.

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