Publikation
Herbert Eichholzer BLAUPAUSE
ISBN: 978-3-903425-21-7
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2024
Umfang: 200 S.,
Format: gebunden, 21,5 x 28,5 cm

Architekt im Widerstand
Im Jahr 1943 wurde der österreichische Architekt und Widerstandskämpfer Herbert Eichholzer von den Nazis ermordet. Der Grazer Verein für Geschichtsarbeit Clio widmet ihm nun eine umfangreiche Dokumentation.
19. März 2025 - Thomas Neuhold
Auch wenn sich in den vergangenen Jahren die eine oder andere Publikation mit dem 1903 in Graz geborenen und 1943 in Wien von den Nationalsozialisten ermordeten Herbert Eichholzer beschäftigt hat und auch wenn seit 2014 in der Grazer Schröttergasse 7 ein Stolperstein für ihn liegt: Der Name Herbert Eichholzer war lange bestenfalls in zeithistorisch interessierten Kreisen und unter engagierten Architekten und Architektinnen bekannt. Nun hat der Grazer Verein für Geschichtsarbeit Clio eine Lücke geschlossen und eine umfangreiche Dokumentation über den Architekten und kommunistischen Widerstandskämpfer herausgegeben.
Schon der Titel des aufwendig gestalteten Bandes ist programmatisch: „Blaupause“ bezieht sich nicht nur auf das Werkzeug des Architekten, sondern will auch als Bezeichnung für ein Vorbild verstanden werden. Das Buch macht zudem schmerzhaft deutlich, dass Eichholzer einer der vielen kreativen Köpfe war, dessen Leben und Schaffen von den Nationalsozialisten je beendet wurde, und welcher Verlust damit für die Gesamtgesellschaft über Generationen hinweg entstanden ist: Schon beim bloßen Durchblättern staunt man, wie zukunftsweisend Eichholzers Architekturkonzepte waren. Der Zeit geschuldet, wurde davon wenig umgesetzt. Noch weniger ist erhalten, ein Großteil des von ihm entworfenen Mobiliars sei aus Unkenntnis entsorgt und seine wenigen erhaltenen Bauten verschandelt oder vernichtet worden, schreibt Mitherausgeberin Alexandra Riewe.Ein erhaltenes Gebäude ist das Haus Brutmann im steirischen Eisenerz. Hier nahm das Projekt „Blaupause“ seinen Anfang. 2022 und 2023 war dort eine Ausstellung über Leben und Werk Eichholzers zu sehen, der vorliegende Band komplettiert die Recherchen zur Ausstellung.
Graz, Paris, Moskau
Eichholzer hatte in den 1920er-Jahren in Graz an der Technischen Hochschule Hochbau studiert. Sein Volontariat absolvierte er 1929 und 1930 im Atelier von Le Corbusier in Paris, wo er auch bei der Planung des Centrosojus – der Zentrale der sowjetischen Konsumgenossenschaft – für Moskau mitgewirkt hatte. In den folgenden Jahren konnte er auch in Österreich einige Projekte verwirklichen, die sich abzeichnende Weltwirtschaftskrise bremste die Bautätigkeit allerdings enorm. Sein erstes Großprojekt, das auch gebaut wurde, war ein Arbeiterwohnhaus im obersteirischen Judenburg. 1932 schließlich ging Eichholzer wie viele andere junge Architekten und Architektinnen in die Sowjetunion. Es sei eine programmatische Entscheidung gewesen, schreibt Mitherausgeber Heimo Halbrainer. Eichholzer habe das „neue Bauen“ propagiert: Es sei ihm um „das Fortlassen jeglichen überflüssigen Schmuckes, Ehrlichkeit im Material, Klarheit der Konstruktion, Verwendung neuer Baustoffe, flaches Dach gegenüber dem schlecht ausgenutzten Steildach und einfache Gebrauchsmöbel“ gegangen.
Wie Eichholzer ging damals auch die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky in die Sowjetunion. Ihre Entwürfe aus der Moskauer Zeit für Kindermobiliar sind derzeit in einer Ausstellung der Universität für angewandte Kunst Wien zu sehen. Die Kulturpolitik der jungen Sowjetunion wandelte sich damals jedoch rasch, und statt Avantgarde kam die Kritik an der Avantgarde. Ein großer Teil der Architekten hatte Moskau daraufhin 1933 wieder verlassen. Eichholzer war einer der Ersten und kehrte nach Graz zurück, wo er einige kleinere Projekte fortschrittlicher Architektur im Individualwohnbau umsetzen konnte.
Den sozialistischen Ideen hatte er nach den negativen Erfahrungen in der Sowjetunion freilich nicht abgeschworen, Eichholzer blieb ein linker, ein politischer Mensch. Er war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und schloss sich wie viele andere seiner Genossen und Genossinnen nach der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes 1934 der damals illegalen Kommunistischen Partei an. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 – gegen den er zuvor aktiv aufgetreten war – musste er im März 1938 aus Graz fliehen. Er flüchtete zuerst nach Triest, dann nach Paris, im November 1938 nach Ankara. Hier konnte er im Atelier von Clemens Holzmeister an der Planung des neuen Regierungsviertels mitarbeiten.
Rückkehr nach der Flucht
In der Türkei war Eichholzer am Aufbau einer Anlaufstelle der Auslandsorganisation der KPÖ führend beteiligt. Im Frühjahr 1940 ging er zurück nach Österreich, er sollte die nach verschiedenen Verhaftungswellen zerschlagenen Widerstandsgruppen und den Kontakt zur nach Moskau geflüchteten Parteiführung wieder aufbauen. Die Rückreiseerlaubnis nach Graz kam von den Nazi-Behörden, nachdem er angegeben hatte, sich nur im nationalsozialistischen Sinn betätigen zu wollen. Grete Schütte-Lihotzky folgte einige Monate später und reiste nach Wien.
Als durch einen Spitzel im Februar 1941 die weitverzweigte Widerstandsgruppe der KPÖ aufflog, wurden mehrere Hundert Personen verhaftet, darunter auch Schütte-Lihotzky und Eichholzer. Schütte-Lihotzky überlebte die Nazi-Haft knapp und wurde im April 1945 von der US-Armee befreit. Herbert Eichholzer wurde zum Tode verurteilt und am 7. Jänner 1943 in Wien ermordet.
Veranstaltungsinfo Ausstellung „Moskau Material“: Margarete Schütte-Lihotzkys Entwürfe für Kindermobiliar. Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5 / Grashofgasse 3, 1010 Wien, Stiege 8, 1. Stock. Zu sehen noch bis 5. April 2025, Mittwoch bis Samstag jeweils 14 bis 18 Uhr (an Feiertagen geschlossen).
Heimo Halbrainer, Gerhild Illmaier, Alexandra Riewe (Hg.), „Herbert Eichholzer: Blaupause“. € 31,– / 200 Seiten. Clio – Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit, Graz 2024
Schon der Titel des aufwendig gestalteten Bandes ist programmatisch: „Blaupause“ bezieht sich nicht nur auf das Werkzeug des Architekten, sondern will auch als Bezeichnung für ein Vorbild verstanden werden. Das Buch macht zudem schmerzhaft deutlich, dass Eichholzer einer der vielen kreativen Köpfe war, dessen Leben und Schaffen von den Nationalsozialisten je beendet wurde, und welcher Verlust damit für die Gesamtgesellschaft über Generationen hinweg entstanden ist: Schon beim bloßen Durchblättern staunt man, wie zukunftsweisend Eichholzers Architekturkonzepte waren. Der Zeit geschuldet, wurde davon wenig umgesetzt. Noch weniger ist erhalten, ein Großteil des von ihm entworfenen Mobiliars sei aus Unkenntnis entsorgt und seine wenigen erhaltenen Bauten verschandelt oder vernichtet worden, schreibt Mitherausgeberin Alexandra Riewe.Ein erhaltenes Gebäude ist das Haus Brutmann im steirischen Eisenerz. Hier nahm das Projekt „Blaupause“ seinen Anfang. 2022 und 2023 war dort eine Ausstellung über Leben und Werk Eichholzers zu sehen, der vorliegende Band komplettiert die Recherchen zur Ausstellung.
Graz, Paris, Moskau
Eichholzer hatte in den 1920er-Jahren in Graz an der Technischen Hochschule Hochbau studiert. Sein Volontariat absolvierte er 1929 und 1930 im Atelier von Le Corbusier in Paris, wo er auch bei der Planung des Centrosojus – der Zentrale der sowjetischen Konsumgenossenschaft – für Moskau mitgewirkt hatte. In den folgenden Jahren konnte er auch in Österreich einige Projekte verwirklichen, die sich abzeichnende Weltwirtschaftskrise bremste die Bautätigkeit allerdings enorm. Sein erstes Großprojekt, das auch gebaut wurde, war ein Arbeiterwohnhaus im obersteirischen Judenburg. 1932 schließlich ging Eichholzer wie viele andere junge Architekten und Architektinnen in die Sowjetunion. Es sei eine programmatische Entscheidung gewesen, schreibt Mitherausgeber Heimo Halbrainer. Eichholzer habe das „neue Bauen“ propagiert: Es sei ihm um „das Fortlassen jeglichen überflüssigen Schmuckes, Ehrlichkeit im Material, Klarheit der Konstruktion, Verwendung neuer Baustoffe, flaches Dach gegenüber dem schlecht ausgenutzten Steildach und einfache Gebrauchsmöbel“ gegangen.
Wie Eichholzer ging damals auch die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky in die Sowjetunion. Ihre Entwürfe aus der Moskauer Zeit für Kindermobiliar sind derzeit in einer Ausstellung der Universität für angewandte Kunst Wien zu sehen. Die Kulturpolitik der jungen Sowjetunion wandelte sich damals jedoch rasch, und statt Avantgarde kam die Kritik an der Avantgarde. Ein großer Teil der Architekten hatte Moskau daraufhin 1933 wieder verlassen. Eichholzer war einer der Ersten und kehrte nach Graz zurück, wo er einige kleinere Projekte fortschrittlicher Architektur im Individualwohnbau umsetzen konnte.
Den sozialistischen Ideen hatte er nach den negativen Erfahrungen in der Sowjetunion freilich nicht abgeschworen, Eichholzer blieb ein linker, ein politischer Mensch. Er war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und schloss sich wie viele andere seiner Genossen und Genossinnen nach der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes 1934 der damals illegalen Kommunistischen Partei an. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 – gegen den er zuvor aktiv aufgetreten war – musste er im März 1938 aus Graz fliehen. Er flüchtete zuerst nach Triest, dann nach Paris, im November 1938 nach Ankara. Hier konnte er im Atelier von Clemens Holzmeister an der Planung des neuen Regierungsviertels mitarbeiten.
Rückkehr nach der Flucht
In der Türkei war Eichholzer am Aufbau einer Anlaufstelle der Auslandsorganisation der KPÖ führend beteiligt. Im Frühjahr 1940 ging er zurück nach Österreich, er sollte die nach verschiedenen Verhaftungswellen zerschlagenen Widerstandsgruppen und den Kontakt zur nach Moskau geflüchteten Parteiführung wieder aufbauen. Die Rückreiseerlaubnis nach Graz kam von den Nazi-Behörden, nachdem er angegeben hatte, sich nur im nationalsozialistischen Sinn betätigen zu wollen. Grete Schütte-Lihotzky folgte einige Monate später und reiste nach Wien.
Als durch einen Spitzel im Februar 1941 die weitverzweigte Widerstandsgruppe der KPÖ aufflog, wurden mehrere Hundert Personen verhaftet, darunter auch Schütte-Lihotzky und Eichholzer. Schütte-Lihotzky überlebte die Nazi-Haft knapp und wurde im April 1945 von der US-Armee befreit. Herbert Eichholzer wurde zum Tode verurteilt und am 7. Jänner 1943 in Wien ermordet.
Veranstaltungsinfo Ausstellung „Moskau Material“: Margarete Schütte-Lihotzkys Entwürfe für Kindermobiliar. Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5 / Grashofgasse 3, 1010 Wien, Stiege 8, 1. Stock. Zu sehen noch bis 5. April 2025, Mittwoch bis Samstag jeweils 14 bis 18 Uhr (an Feiertagen geschlossen).
Heimo Halbrainer, Gerhild Illmaier, Alexandra Riewe (Hg.), „Herbert Eichholzer: Blaupause“. € 31,– / 200 Seiten. Clio – Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit, Graz 2024
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