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Wasserturm wird Gastroturm
Der Standard

Früher wurden aus dem alten Wasserturm auf dem Nordbahnhof-Areal im zweiten Bezirk Dampfloks mit Wasser versorgt. Aus dem denkmalgeschützten letzten Rest des alten Nordbahnhofs wird nun ein Grätzl-Café.

31. März 2025 - Martin Putschögl
Noch steht er dunkel und verschlossen da, der alte Wasserturm am Nordbahnhofgelände. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt, die Fassade ist ziemlich verdreckt, und unterm Dach gibt es ein Taubenproblem.

Die Flugratten werden sich aber schon demnächst eine neue Bleibe suchen müssen, und die Fassade wird auch bald nicht mehr wiederzuerkennen sein, denn der denkmalgeschützte Turm, der letzte Rest des prächtigen alten Nordbahnhofs, der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde, wird nun endlich revitalisiert. Pläne dafür gibt es schon seit mehr als zehn Jahren, 2015 wurden einige davon in einer Ausstellung im Foyer des ÖBB-Gebäudes am Praterstern präsentiert. Studierende am Institut für Raumplanung an der Technischen Universität Wien hatten sich zuvor mit den Nutzungsmöglichkeiten des Areals rund um den Turm beschäftigt. Dass der Wasserturm „eine wichtige Rolle im Identitätsprozess des neuen Stadtteils spielen“ sollte und auch werde, wurde damals betont.

Raumhöhe zwölf Meter

Ein Kaffeehaus gehört zur Identität der Wienerstadt zweifellos dazu, dachte man sich nun bei den ÖBB, denen der Turm gehört. Seit einigen Monaten suchen sie nach einem Betreiber, der das alte Gemäuer nach dem in Kürze startenden Umbau mit Leben erfüllen soll. Man stellt sich ein Café-Bistro mit kleiner Küche vor, „Kaffee, Snacks, kleine Speisen“. Die Mindestmiete beläuft sich auf 5000 Euro im Monat, so steht es in der Ausschreibung.

Der Wasserturm wird dafür entkernt, sodass ein etwa 140 Quadratmeter großer freier Innenraum entsteht, wobei die Raumhöhe von bis zu zwölf Metern besonders beeindrucken dürfte. Die Fassade wird gereinigt, was an einer Stelle bereits getestet wurde. Je nachdem, ob man sich letztlich fürs Sand- oder Wasserstrahlen entscheidet, wird der Turm heller oder dunkler wirken. Außerdem werden auf einer Seite bei den Fenstern die Parapete entfernt und Türen eingebaut, durch die man dann auch in einen Schanigarten wird gehen können, wurde dem STANDARD bei einer Begehung des Objekts gemeinsam mit Verantwortlichen der ÖBB erklärt. Mit dem Denkmalamt ist das abgestimmt.

Beim Bau des Gebäudes war von einem späteren Denkmal eher noch keine Rede. Errichtet wurde der Wasserturm im Jahr 1890. In drei großen, runden Behältern im Obergeschoß, drei Meter hoch und rund sechs Meter im Durchmesser, wurde Grundwasser gespeichert, um Dampflokomotiven mit Wasser zu versorgen. Bis in die 1970er-Jahre war der Turm neben den Nordbahnhallen in Verwendung, so steht es auf einer Tafel beim Eingang geschrieben. „Vermutlich im Jahr 1975“ wurde er außer Dienst gestellt, „da zu diesem Zeitpunkt der Dampfbetrieb im Heizhaus Wien-Nord endete“. Jahrzehntelang stand er dann einsam und verlassen in der Gegend herum, inmitten der Gstättn des einstigen Nordbahnhofgeländes.

Im vergangenen Jahrzehnt aber rückte ihm die Stadt recht nahe: Das Nordbahnviertel wurde gebaut, mit ihm die zentrale Bruno-Marek-Allee, deren nördliches Ende nun der Wasserturm markiert. Die Wendeschleife der Straßenbahnlinie O verläuft unmittelbar neben dem Turm. Mehrere Wohnhäuser, auch Wohntürme, befinden sich nun in seiner Nachbarschaft.

Die Hochhäuser waren substanzieller Teil des städtebaulichen Leitbilds von StudioVlay aus 2012: Durch das Bauen in die Höhe konnte andernorts Freiraum geschaffen werden, der nun „Freie Mitte“ heißt und der Bevölkerung zur Erholung dient – ab etwa Mitte 2026 geplantermaßen auch mit einem Lokal zum Verweilen. Und als Reminiszenz an den gewesenen Bahnhof werden im Inneren des Turms die vier allegorischen Figuren aufgestellt, die für jene Städte standen, die der Nordbahnhof verband: Wien, Brünn, Olmütz und Krakau.

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