Publikation

H wie Holz
Von der Materie zum Gebauten
H wie Holz
Verlag: Detail
ISBN: 978-3-95553-662-6
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2025
Umfang: Zahlreiche Abbildungen und Fotos
Format: Hardcover, 26,5 × 21,4 cm
8. April 2025 - Martina Pfeifer Steiner
Dieses Buch ist anders. Schönheit und Qualitäten der Materie werden auf unerwartete Weise ins Bild gesetzt. Es geht um Holz. Was Marina Hämmerle und Florian Aicher mit diesem wertigen Kompendium gelungen ist, bringt die Essenz, die Seele des Holzbaus zum Vorschein, zum Klingen – und zwar jenseits einer Architekturschau, weder die Protagonist:innen im Fokus, noch auf eine Region begrenzt. Beauftragt und ermöglicht wurde das Buchprojekt durch die Holzbau-Offensive Baden-Württemberg, die mit gezielten Förderprogrammen die Umsetzung qualitativ hochwertiger, zeitgenössischer Architektur in Holz beflügelt.

Querformat, lebhaftes Leinen, haptisch und elastisch das Buchcover, pures Material – beim Aufschlagen folgen auf die ersten Seiten des ausnehmend feinsinnigen, atmosphärischen Fotoessays nicht etwa Titel und Vorworte, sondern „ein unverschämt subjektiver Spaziergang entlang der Lebensthemen Gehen, Wohnen, Lieben, Schreiben, Musizieren“ der Architektin und Romanautorin Zora del Buono. Sie nimmt die Lesenden mit auf eine poetische Spurensuche nach den sinnlichen Qualitäten von Holz: mit Staunen über die kleinen Samen des Mammutbaums des Sequoia Nationalparks; zur Hütte unter einer riesigen Eiche; in den Souvenirshop auf dem abgeholzten Färöer Archipel im Nordatlantik; bis zu Gramscis Bleistift – „Bleistifte können Geschichte schreiben. Auch wenn sie nicht mehr vorhanden sind“ – und Haydns Flügel: „So möchte man als Baum enden, wenn man denn schon enden muss“.

Ineinander schwingen

Text und Bild sollten sich die Waage halten. Die insgesamt sechs Essays der Fotografin Petra Steiner rücken die besondere Qualität des Holzes und seiner technischen Möglichkeiten mit einer eigens angelegten, durchgängigen Fotosprache in den Fokus. „Es ist ein Herantasten an eine Materie, an einen Stoff, der etwas mit uns macht. Der Stoff sickert in unsere Wahrnehmung ein, den Erinnerungen auf den Fersen, ihnen vorauslaufend. Er bekommt Form, ist Volumen, hat Oberfläche, ist Struktur, Textur. In ihm sind Natur und Kultur eins“, schreibt Marina Hämmerle in ihrer Betrachtung zur Fotografie von Petra Steiner.

Diese Fotografien erzählen eine eigene Geschichte, sie stehen für sich. Keine Ablenkung durch Bildunterschriften, unwichtig wer geplant hat, wo der Ort ist, anstelle dessen, sich einlassen auf das Sehen, auf die Stimmung. Die Fotoauswahl und Bildkomposition der Doppelseiten erfolgte in Co-Creation von Fotografin, Herausgeber:in und Grafiker über Tage in Rotis und unzähligen Stunden im digitalen Raum: „Hand, Herz und Hirn gruppieren, verknüpfen Motive, suchen gemeinsam nach Verbündeten für ausgewählte Schlüsselbilder. Unter den Hunderten Fotografien tun sich etliche hervor und signalisieren: Wir sind verwandt, wir schwingen im gleichen Ton. Die losen Enden zwischen den Fotografien spinnen sich zu mehreren Fäden. Die weben sich durch die 144 bebilderten Seiten, Kette und Schuss.“ Da wird also nicht in Projekten gedacht, sondern in Verwandtschaften. Vielfach treten historische und zeitgenössische Architektur in Dialog oder sind es Natur, Farbe, Licht, Form, die gekonnt durchchoreografiert wurden.

Auch die Dramaturgie im Gesamten ist ein Schwingen in großen Linien – von einem Themenblock in den nächsten, fließend verbunden über die Bildessays. Namhafte Autor:innen und fachlich versierte Gesprächspartner:innen eröffnen die vielschichtigen Zugänge zur Materie Holz. Klare Anhaltspunkte geben dabei jeweils Begriffspaare, die anzeigen, worauf man sich einlassen darf: beispielsweise auf den „verwurzelten Baustoff“ unter Theorie und Bedeutung; Gestalt und Ornament in „Holzbau jenseits des Nützlichen“; die Schönheit des Alltäglichen; Bauwirtschaft und Klima „Auf zu einer neuen Bauphilosophie“; Forst und Forschung; das Spektrum der Holzbautechnologie; aber auch auf die Möglichkeiten des hybriden Bauens mit Lehm, Stroh und Kalk; den Wissenstransfer in Architektur und Handwerk, bis hin zu Wohnungsbau und Urbanität.

Komposition

Zu guter Letzt lüftet sich doch noch alles Wissenswerte zu den Abbildungen: Im Anhang ermöglichen fortlaufende Miniaturen der sechs Fotoessays Überblick und Identifizierung, sind Angaben zu Motiv, Standort sowie, im Fall von Bauten, Baujahr und Architekt zu finden, desgleichen sind auf einer Doppelseite die interessanten Biografien aller Beitragenden alphabetisch gelistet. Womit wir bei der Grafik wären: Da gibt es nichts Modisches, keine Experimente mit Zeilenabstand und springenden Schriftgrößen oder Überschriften, die am Blattrand kleben … Stefan Gassner ist bekannt für ausgezeichnete, elegant durchkomponierte Buchgestaltungen. Man hält ein schön gemachtes Werk in Händen: Leinengebunden, mit rundem Buchrücken, je nachdem ob Bild- oder Textstrecke ist die Grammatur des Papiers zwar gleich, doch Qualität und Tönung unterschiedlich.

Ein weiterer Blick auf die Typografie zeigt: frisches Grün akzentuiert Titel und Überschriften, Fußnoten und Bildunterschriften, verhilft als Schmuckfarbe zu lässiger Beiläufigkeit. Die große Kunst, gehaltvolle Texte leicht und gut lesbar zu vermitteln, wird hier offensichtlich beherrscht, die Spannung gehalten, gekonnt die Textblöcke variiert, im kurzweiligen Rhythmus. Ein besonderes Lesevergnügen.

Schlussendlich sei noch aus dem Vorwort von Florian Aicher zitiert: „Es bedarf einer Holzkultur, um die physischen Potenziale des Stoffs zu heben. Die gelingt, weil Holz Menschen anspricht. Holz kann viel mehr, aber nicht alles; Holz ist reichlich da, aber nicht unbegrenzt. Gerade den Dingen aus Holz ist zu wünschen, dass sie „von der Fron frei sind, nützlich zu sein“ (Walter Benjamin) – weil sie uns weit mehr von der Welt zeigen können. Davon handelt dieses Buch.“
[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, April 25, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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