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Begegnung in der Industriehalle – GANG Atelier verortet sich
Begegnung in der Industriehalle – GANG Atelier verortet sich, Foto: Silvester Kreil

Patrick Pazdzior und Dennis Stratmann, Gründer von GANG Atelier

14. Juni 2022 - Ella Felber, Silvester Kreil
Hier hätten geschlossene Alu-Sandwich-Paneele stehen können. Doch bald werden hier Lebensmittel bei Tageslicht produziert. Kleine Ausbesserungen noch, dann kann der Holz-Ausbau einer kleinteiligen Industriehalle in Korneuburg bezogen werden.

„Heute ist Nachhaltigkeit eines der wichtigsten Themen in der Architektur, und auch in unserer Herangehensweise ständig präsent. Wir arbeiten mit Vorliebe im Bestand, ob in alten Bauernhöfen, oder eben in neueren Industriehallen. Bei jedem Projekt fragen wir uns ‘wie ökologisch ist das wirklich?’ – Wir wissen zum Beispiel nicht, wo das Holz für die Struktur hier tatsächlich herkommt, in unserem Entwurf ist aber alles abbaubar und wiederverwendbar.

Zu uns kommen vorwiegend Menschen, die kleine Budgets haben und günstig bauen müssen, trotzdem bringen die meisten die Bereitschaft mit, zumindest über nachhaltige Materialien nachzudenken. Wir müssen immer abwägen, ob wir uns Absagen leisten können. Solange die herangetragenen Projekte unserer Haltung entsprechen und die Beziehung zu den Auftraggeber:innen stimmt, nehmen wir an. Abgelehnt haben wir bisher nur Projekte, bei denen Leute dahinter steckten, die politisch ganz woanders stehen als wir. In manchen Projekten ist unser Handlungsspielraum auf Schadensbegrenzung beschränkt, aber auch im Kleinen kann man viel beeinflussen.

Viele Gebäude werden ohne das Zutun von Architekt:innen gebaut. Und doch wird in der Architekturausbildung oft vermittelt ‘Ihr seid besonders, genau auf eure großen Visionen kommt es an.’ Das schafft eine verzerrte Selbstwahrnehmung. Nicht jedes Projekt muss ein Gesamtkunstwerk werden. Wenn wir einen guten Rahmen schaffen, verträgt die Architektur auch alle nachfolgenden Ideen und Geschmäcker der Nutzer:innen, und das ist gut so.

Bei unseren Projekten reden wir am Anfang beide gleich viel mit. Danach übernimmt eine Person die Kommunikation und Projektleitung. Um den Überblick zu behalten und Fehler besser zu sehen, wissen wir voneinander, was beim anderen passiert. Wir wollen nur in geringem Maßstab wachsen, höchstens fünf zusätzliche Personen. Aufgrund anderer Interessen und der Familie, sind unsere Tagesrhythmen recht unterschiedlich; 40 Stunden Wochen und strikte “nine to five” Zeiten sind bei uns beiden rar. Wir wollen diese Arbeit langfristig machen und nicht nach weiteren fünf Jahren merken, dass wir ausgebrannt sind.

Die Grundlage, um überhaupt arbeiten zu können ist das von uns gegründete Gemeinschaftsatelier. Dort bekommen wir viel Inspiration von anderen Sparten und Arbeitsweisen. Wir suchen beispielsweise nach Möglichkeiten Open Source Software zu fördern, um langfristig von unseren überteuerten Lizenzverträgen mit Graphisoft & Co unabhängig zu werden. Wenn etwa 40 Architekturbüros das Geld, das sie für Lizenzen ausgeben, kollektiv sammelten, könnten wir stattdessen Programmierer:innen bezahlen, um bereits vorhandene Anwendungen zu verbessern und auszuweiten. So könnten vor allem junge Architekturschaffende einfacher selbstständig werden.

Wir haben auf Projekte Lust, die uns vor neue Aufgaben stellen. Eine Bar oder eine Werkstatt – wir haben definitiv ein Faible für kleinmaßstäbliche Aufgaben und direkten Austausch mit allen Beteiligten. Oder auch mal einen geladenen Wettbewerb für eine Universität, wo man unter guten Bedingungen an einem Entwurf arbeiten kann. Oder forschend von einem bestimmten Material ausgehend, ob Stampflehm, oder ein Hersteller, der sich auf Recycling-Plastik spezialisiert, und daraus ein Gebäude bauen möchte.“

Die Praxis von GANG Atelier verbindet derzeit zwei Pole: eigene, meist kleinere Projekte im Bestand, die sie bis zum Ende begleiten, sowie Zeichenjobs für andere Architekt:innen, vorwiegend im Bildungssektor für Schulen oder Kindergärten. Wettbewerbe sind bisher aus verschiedenen Gründe nicht im Fokus des seit 2017 in Wien bestehenden Ateliers.
»nextroom fragt« junge Architekt:innen. Sie wählen Orte aus, um dort mit Ella Felber und Silvester Kreil über die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Architektur zu sprechen. Warum macht Ihr Architektur? Wie wollt Ihr sie produzieren?

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