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Friedrich Pichler – Gemeinwirtschaftliches Handeln
Friedrich Pichler – Gemeinwirtschaftliches Handeln, Foto: Anne Isopp

Friedrich Pichler ist Bürgermeister der Stanz, einer Gemeinde im steirischen Mürztal. Die Gemeinde hat sich bereits baukulturell hervorgetan, indem sie den Ortskern revitalisierte. Der dabei neu errichtete Wohnbau mit Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss war für den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit nominiert. Nun ist Stanz auf dem Weg, eine energieautonome Gemeinde zu werden. Der Bürgermeister erzählt, warum ihm das Thema Energie so am Herzen liegt und wie er damit das Gemeinwesen stärken will. Das Statement fing Anne Isopp ein.

13. September 2022 - Anne Isopp
„Die Stanz konnte sich als einzige Fusionsgemeinde im Zuge der steirischen Gemeindestrukturreform ihre Unabhängigkeit bewahren. Danach war die große Frage, was wir daraus machen. Wir haben ein Bürgerbeteiligungsverfahren gestartet und fünf Handlungsfelder herausgearbeitet. Dazu zählten die Stärkung des Ortszentrums und die Frage gemeinwirtschaftlicher Energieerzeugung auf kommunaler Ebene. Wir wollen nicht energieautark werden, davon halte ich nichts. Aber als Gemeinschaft autonom entscheiden zu können, mit welchen Energieträgern wir zukünftig klimagerecht handeln können, das ist interessant.

Eine Gemeinde muss Vorbild sein. Ich glaube, wenn man sich die Faktenlage anschaut, ist jedem klar, dass wir nicht so weiterwirtschaften können wie bisher. Wenn man etwas verändern will, braucht man Verbündete. In jeder Gemeinde gibt es nur einen sehr kleinen Anteil an Altruisten, die immer bereit sind, etwas für die Umwelt zu tun. Dann gibt es ein paar, die schon verstehen, warum man etwas tun sollte, aber oft auf die anderen warten, die auch etwas tun wollen. Der größte Teil der Bevölkerung ist an Änderungen nicht sehr interessiert, schon gar nicht, wenn das Geldbörserl darunter leidet.
Es ist ein Handwerk, diese Lethargie des Nichthandelns zu durchbrechen. Emotionen sind ein gutes Werkzeug dafür. Wenn die Leute erkennen, dass ihr Handeln einen unmittelbaren persönlichen Nutzen bringt, sind sie dabei. Kein Mensch ändert sich, weil mahnende ExpertInnen und naseweise PolitikerInnen ihm ein schlechtes Gewissen machen.

Wir wollen im Ort den Anteil der erneuerbaren Energien von derzeit 30 Prozent auf 100 Prozent erhöhen. Dazu haben wir die Energiegemeinschaft Stanzertal gegründet. Es ist wichtig, Dinge der Daseinsvorsorge gemeinschaftlich zu machen. In der Stanz werden wir Strom selbst produzieren, selbst verbrauchen und damit auch handeln. Wer seinen eigenen PV-Strom nicht braucht, verkauft diesen an seinen Nachbarn. Vollautomatisch, transparent und rechtsgültig. Wer viele kWh auf seinem Konto angespart hat, soll diese in Euros umwandeln können und die lokale Wirtschaft damit stärken. Das Werkzeug dazu heißt Token-Engineering, wir prüfen diese interessante Option gerade mit Unterstützung von Geldern der EU-Kommission.

Jene Stanzer:innen, die an der Energiegemeinschaft teilnehmen – inzwischen über 70 Haushalte – werden damit von den Ausschlägen intransparenter Märkte unabhängiger. Das meinen wir in der Stanz mit Energieautonomie. Wenn man gemeinsam an einer solchen Sache arbeitet, verschmelzen die Einzelinteressen zu Interessen einer Gruppe. Damit werden auch die Vorteile der Gruppe größer als die Summe der Einzelvorteile. Und damit entsteht so etwas wie gemeinwirtschaftliches Handeln, das in den letzten Jahrzehnten etwas unmodern geworden ist. Das stärkt bei den Leuten das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, gibt ein gutes Lebensgefühl und erzeugt jenen Optimismus, den wir so dringend brauchen, um Dinge zu verändern.“

Friedrich Pichler ist seit 2015 Bürgermeister der Gemeinde Stanz im steirischen Mürztal. Er trat mit der BürgerInneninitiative ‚Für eine lebenswerte Stanz‘ an. Die Stanz war lange Zeit von starker Abwanderung betroffen, doch diese Abwärtsbewegung konnte inzwischen gestoppt werden.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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