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Begegnung in der Schuhfabrik – Ulrike Tinnacher verortet sich
Wir treffen Ulrike Tinnacher in ihrer selbst geplanten Wohnung in Wien. Die ehemalige Schuhfabrik mit loftartigen Räumen strahlt Urbanität aus, die Fensterfront ins Grüne gibt das Gefühl von Weite.
17. Januar 2023 - Ella Felber, Silvester Kreil
„Ich mag es, mich auf einen Ort einzulassen und mit Vorhandenem zu arbeiten. Der Kontext hilft mir zu entscheiden und zu definieren, wo ein Projekt hin soll, auch atmosphärisch. In diesem großzügigen Raum mit hoher, gewölbter Kappendecke steht ein Kubus, der die Wohnung zoniert. Er bietet Platz für ein Schlaf- und ein Badezimmer sowie einen Kleiderschrank und Haushaltsgeräte. Möglichst kompakt, damit rundherum der Raumfluss erhalten bleibt. Oben drauf befindet sich außerdem ein Gästebett.
Bei kleinen Projekten wie diesem plane ich gerne gesamtheitlich, vom Grundriss bis zum Handgriff. Mir macht es Spaß, wirklich ins Detail gehen zu können. Die verwendeten Materialien haben oft eine spezielle Geschichte. Die Küche beispielsweise ist aus Kirschholz; den Baum hat mein Großvater vor vierzig Jahren gefällt. Mich fasziniert es, Orte zu entwerfen, an denen man aus dem Alltag bewusst ausbricht, Räume, die eine besondere Aura ausstrahlen. Ich beschäftige mich mit Farbe, Oberflächen und Stimmungen und versuche mich in die Nutzer:innen hineinzuversetzen. Wie möchte man in dieser Architektur sein und leben, welche Stunden verbringt man dort? Wie kann man das mit architektonischen Mitteln unterstützen? Und wie verändert sich all das mit der Zeit?
Nach einigen Jahren im Ausland, vor allem in der Schweiz, und später in einem Kollektiv, arbeite ich mittlerweile wieder alleine oder mit Projektpartner:innen. Es sind heute freiere, projektabhängige Konstellationen, nicht nur mit Architekt:innen. Ich lasse mich gerne von anderen Zugängen inspirieren und mag die Herausforderung, die eigene Arbeitsweise in jedem Projekt neu zu hinterfragen. Seit kurzem teile ich mit zwei Kolleg:innen ein Geschäftslokal als Atelier. Ich mag es, nicht abgekapselt im oberen Stockwerk zu sitzen, sondern im Erdgeschoss direkt die Stadt zu spüren. Ich bringe gerne eine gewisse Naivität in die Planung. Sie erlaubt es, Dinge auszuprobieren und abseits von konventionellen Arbeitsweisen zu denken. Bei meinem ersten Neubau habe ich beispielsweise gemeinsam mit dem lokalen Betonwerk eine neue Zusammensetzung von Dämmbeton entwickelt, dieser Baustoff war damals in Österreich noch nicht erhältlich. Eingeschränkt von Industrie, Budget und Zeitdruck leisten sich konventionelle Büros in Österreich diese Experimentierfreudigkeit selten – in der Schweiz gibt es dafür mehr Bereitschaft. Es wäre wichtig, Normen und Regulationen wieder zu vereinfachen, damit es mehr um Baukultur geht, anstatt um das Abhaken von Vorgaben oder die optimale Flächenausnutzung.
Wenn Auftraggeber:innen größer bauen wollen als notwendig oder als es an einem bestimmten Ort Sinn macht, geht das gegen meine Prinzipien. Ebenso wie ein begrenztes Budget kein Argument für Kunststofffenster und Vollwärmeschutz ist – dann lieber andere Dinge reduzieren als die Qualität grundsätzlicher Materialentscheidungen.
Ich hoffe, dass zukünftig mehr junge Architekt:innen früh selbstständig zu planen beginnen. Frisch von der Uni kommend, hat man Elan – es ist schade, wenn sich dieser in veralteten Bürostrukturen auflöst. Bessere Förderungen könnten Absolvent:innen motivieren, eigene Projekte umzusetzen. Es würde wohl auch etablierte Büros anspornen, wenn die junge Szene wächst.
Ulrike Tinnacher plant von Wien aus, bisher vor allem kleinmaßstäblichen Wohnbau und im landwirtschaftlichen Bereich. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Bauen im Bestand und der damit einhergehenden intensiven Auseinandersetzung mit dem Ort sowie Atmosphäre und Materialität.“
Bei kleinen Projekten wie diesem plane ich gerne gesamtheitlich, vom Grundriss bis zum Handgriff. Mir macht es Spaß, wirklich ins Detail gehen zu können. Die verwendeten Materialien haben oft eine spezielle Geschichte. Die Küche beispielsweise ist aus Kirschholz; den Baum hat mein Großvater vor vierzig Jahren gefällt. Mich fasziniert es, Orte zu entwerfen, an denen man aus dem Alltag bewusst ausbricht, Räume, die eine besondere Aura ausstrahlen. Ich beschäftige mich mit Farbe, Oberflächen und Stimmungen und versuche mich in die Nutzer:innen hineinzuversetzen. Wie möchte man in dieser Architektur sein und leben, welche Stunden verbringt man dort? Wie kann man das mit architektonischen Mitteln unterstützen? Und wie verändert sich all das mit der Zeit?
Nach einigen Jahren im Ausland, vor allem in der Schweiz, und später in einem Kollektiv, arbeite ich mittlerweile wieder alleine oder mit Projektpartner:innen. Es sind heute freiere, projektabhängige Konstellationen, nicht nur mit Architekt:innen. Ich lasse mich gerne von anderen Zugängen inspirieren und mag die Herausforderung, die eigene Arbeitsweise in jedem Projekt neu zu hinterfragen. Seit kurzem teile ich mit zwei Kolleg:innen ein Geschäftslokal als Atelier. Ich mag es, nicht abgekapselt im oberen Stockwerk zu sitzen, sondern im Erdgeschoss direkt die Stadt zu spüren. Ich bringe gerne eine gewisse Naivität in die Planung. Sie erlaubt es, Dinge auszuprobieren und abseits von konventionellen Arbeitsweisen zu denken. Bei meinem ersten Neubau habe ich beispielsweise gemeinsam mit dem lokalen Betonwerk eine neue Zusammensetzung von Dämmbeton entwickelt, dieser Baustoff war damals in Österreich noch nicht erhältlich. Eingeschränkt von Industrie, Budget und Zeitdruck leisten sich konventionelle Büros in Österreich diese Experimentierfreudigkeit selten – in der Schweiz gibt es dafür mehr Bereitschaft. Es wäre wichtig, Normen und Regulationen wieder zu vereinfachen, damit es mehr um Baukultur geht, anstatt um das Abhaken von Vorgaben oder die optimale Flächenausnutzung.
Wenn Auftraggeber:innen größer bauen wollen als notwendig oder als es an einem bestimmten Ort Sinn macht, geht das gegen meine Prinzipien. Ebenso wie ein begrenztes Budget kein Argument für Kunststofffenster und Vollwärmeschutz ist – dann lieber andere Dinge reduzieren als die Qualität grundsätzlicher Materialentscheidungen.
Ich hoffe, dass zukünftig mehr junge Architekt:innen früh selbstständig zu planen beginnen. Frisch von der Uni kommend, hat man Elan – es ist schade, wenn sich dieser in veralteten Bürostrukturen auflöst. Bessere Förderungen könnten Absolvent:innen motivieren, eigene Projekte umzusetzen. Es würde wohl auch etablierte Büros anspornen, wenn die junge Szene wächst.
Ulrike Tinnacher plant von Wien aus, bisher vor allem kleinmaßstäblichen Wohnbau und im landwirtschaftlichen Bereich. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Bauen im Bestand und der damit einhergehenden intensiven Auseinandersetzung mit dem Ort sowie Atmosphäre und Materialität.“
»nextroom fragt« junge Architekt:innen. Sie wählen Orte aus, um dort mit Ella Felber und Silvester Kreil über die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Architektur zu sprechen. Warum macht Ihr Architektur? Wie wollt Ihr sie produzieren?