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Almut Grüntuch-Ernst – Schwieriges Bauerbe
Die Berliner Architekten Grüntuch Ernst wandelten ein ehemaliges Frauengefängnis in Berlin-Charlottenburg in ein Hotel um. Während der NS-Zeit waren in diesem Gefängnis Widerstandskämpferinnen inhaftiert, viele von ihnen wurden hingerichtet. Aus einem beklemmenden, düsteren Ort schufen sie einen Ort des Ankommens und des Verweilens. Im Gespräch erzählt Almut Grüntuch-Ernst, die das Büro gemeinsam mit ihrem Mann Armand Grüntuch führt, warum wir uns auch mit schwierigen Bauten auseinandersetzen müssen und wie dies gelingen kann. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
25. April 2023 - Anne Isopp
„1896 wurden das Strafgerichts- und das Vollzugsgebäude errichtet und bis 1985 als Gefängnis genutzt. Das Land Berlin beschloss, das Grundstück zu veräußern, ohne dass es einen Plan für die weitere Nutzung gab. Gemeinsam mit einem potenziellen Investor haben wir uns das Gelände angeguckt und überlegt, was man daraus machen könnte. Als wir zum ersten Mal hier waren, fanden wir einen wild überwachsenen, aber auch beklemmenden und vergessenen Ort mitten in der Stadt vor. Wir waren von diesem verwunschenen Areal angetan, während der Investor nach und nach das Interesse verlor. So haben wir letztlich selbst ein Angebot gemacht und das Grundstück mit den Gebäuden erworben. Daraufhin fing ein Prozess des dialogischen Umbauens an. Wir fragten uns: Wo stecken die Potenziale in diesem schwierigen Erbstück?
Als die beiden Gebäude, das Gericht und das Gefängnis, gebaut wurden, war Charlottenburg unabhängig und gehörte noch nicht zu Berlin. Es gibt ein Foto aus dem Archiv, auf dem die Häuser noch völlig frei stehen ohne direkte Nachbarn. Das heißt, in diesem Block im heutigen Berlin war es der erste Ort der Versiegelung für ein neues Stück Stadt. Dieses Wissen hat uns provoziert, genau hier mit der Entsiegelung zu beginnen. In unserer Branche müssen wir heute einen Sinneswandel wagen und Flächen in der Stadt anders betrachten, um die Vitalität und die Biodiversität in den Städten zu steigern.
Wir haben hier, anders als bei den meisten unserer architektonischen Projekte, sehr subtraktiv gearbeitet. Viel Material wurde entfernt, um aus den kleinen Isolationszellen größere, einladende Raumsequenzen zu erstellen. Man spürt noch genau, dass es ein Gefängnis war, wenn man an den Originaltüren vorbeigeht. Heute bewegt man sich mit einer anderen Leichtigkeit durch das Haus. Wir haben versucht, dem Beklemmenden etwas entgegenzusetzen, ohne alles mit einer neuen Idee zu überstrahlen.
In jeder Stadt gibt es ein gebautes Erbe. In manchen Häusern steckt bereits der Charme der Vergangenheit und der Umbau gestaltet sich einfach. Wir erben aber auch viele Gebäude, die kompliziert sind, auf der Materialebene, aufgrund der Raumkonfiguration oder wegen ihrer Geschichte. Mir ist es daher wichtig, auch den Studierenden bereits an der Uni zu vermitteln, dass sie aufmerksam durch die Stadt gehen und diese Potenziale, die vielleicht niemand sonst sieht, entdecken. Ich möchte sie ermuntern, dort anzusetzen, wo andere gar nicht erst hingucken.“
Almut Grüntuch-Ernst führt seit 1991 gemeinsam mit Armand Grüntuch das Architekturbüro Grüntuch Ernst. Sie sind international tätig. Für das Hotel Wilmina, den Umbau eines ehemaligen Frauengefängnisses in ein Hotel, wurden sie zuletzt mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis für Architektur ausgezeichnet. Almut Grüntuch-Ernst ist Professorin für Entwerfen und Gebäudelehre an der TU Braunschweig.
Als die beiden Gebäude, das Gericht und das Gefängnis, gebaut wurden, war Charlottenburg unabhängig und gehörte noch nicht zu Berlin. Es gibt ein Foto aus dem Archiv, auf dem die Häuser noch völlig frei stehen ohne direkte Nachbarn. Das heißt, in diesem Block im heutigen Berlin war es der erste Ort der Versiegelung für ein neues Stück Stadt. Dieses Wissen hat uns provoziert, genau hier mit der Entsiegelung zu beginnen. In unserer Branche müssen wir heute einen Sinneswandel wagen und Flächen in der Stadt anders betrachten, um die Vitalität und die Biodiversität in den Städten zu steigern.
Wir haben hier, anders als bei den meisten unserer architektonischen Projekte, sehr subtraktiv gearbeitet. Viel Material wurde entfernt, um aus den kleinen Isolationszellen größere, einladende Raumsequenzen zu erstellen. Man spürt noch genau, dass es ein Gefängnis war, wenn man an den Originaltüren vorbeigeht. Heute bewegt man sich mit einer anderen Leichtigkeit durch das Haus. Wir haben versucht, dem Beklemmenden etwas entgegenzusetzen, ohne alles mit einer neuen Idee zu überstrahlen.
In jeder Stadt gibt es ein gebautes Erbe. In manchen Häusern steckt bereits der Charme der Vergangenheit und der Umbau gestaltet sich einfach. Wir erben aber auch viele Gebäude, die kompliziert sind, auf der Materialebene, aufgrund der Raumkonfiguration oder wegen ihrer Geschichte. Mir ist es daher wichtig, auch den Studierenden bereits an der Uni zu vermitteln, dass sie aufmerksam durch die Stadt gehen und diese Potenziale, die vielleicht niemand sonst sieht, entdecken. Ich möchte sie ermuntern, dort anzusetzen, wo andere gar nicht erst hingucken.“
Almut Grüntuch-Ernst führt seit 1991 gemeinsam mit Armand Grüntuch das Architekturbüro Grüntuch Ernst. Sie sind international tätig. Für das Hotel Wilmina, den Umbau eines ehemaligen Frauengefängnisses in ein Hotel, wurden sie zuletzt mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis für Architektur ausgezeichnet. Almut Grüntuch-Ernst ist Professorin für Entwerfen und Gebäudelehre an der TU Braunschweig.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.