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Elisabeth Endres ist Professorin für Gebäudetechnologie an der TU Braunschweig und leitet dort das Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur. Im Ingenieurbüro Hausladen ist sie Mitglied der Geschäftsführung.
Eines ihrer Lieblingsprojekte ist, wie sie selbst sagt, die Sanierung des Eiermannbaus in Apolda. Der Industriebau in Thüringen wurde vom Architekten Egon Eiermann in den 1930er-Jahren erweitert und nun nach langem Leerstand von der IBA Thüringen reaktiviert. Die IBA Thüringen hat hierfür gemeinsam mit Elisabeth Endres ein Haus-im-Haus-Konzept entwickelt, bei dem Standard-Gewächshäuser als Bürozimmer dienen. Diese kleinen Einheiten sind individuell zu beheizen, die Etage selbst hat eine Grundtemperatur von etwa 15 Grad. Das erlaubt es, mit geringen Mitteln und wenigen Eingriffen in die Substanz das Haus wieder nutzbar zu machen. Im Gespräch erklärt Elisabeth Endres, warum es so wichtig ist, Gebäude zu entwickeln, die aus sich heraus ohne viel Technik gut funktionieren. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
Grundsätzlich können wir uns so einem Haus auf zwei Wegen nähern: Wir können unsere Ansprüche an das Haus formulieren und dann schauen, wie wir das umsetzen können, oder wir schauen, was der Bestand leistet. Der zweite Weg, denke ich, ist im Bestand der sicherere.
Unser Credo war: Wie wenig ist genug? Ursprünglich wollten wir durch das Einstellen von beheizten Kuben, also über die Transmissions-Wärmeverluste, die ganze Etage heizen. Doch der wärmetechnische Standard des Altbestands war dafür zu schlecht. Also haben wir das Grundprinzip noch einmal umgedreht und geschaut, wie kalt oder wie warm es in dem Gebäude wird. Es gab bereits eine Gastherme.
Dabei sind 12 bis 15 Grad in der kältesten Woche herausgekommen. Das haben wir als Grundtemperatur für das Gebäude angenommen. In jedem Gewächshaus gibt es nur eine Infrarot-Heizung, die unter dem Schreibtisch eingebaut ist. Jeder kann selbst entscheiden, ob er wartet, bis der sehr kleine Raum sich durch die Nutzung aufgeheizt oder ob er sich den Luxus leistet, zehn Minuten lang elektrisch diesen Raum aufzuheizen.
Für mich fängt Lowtech da an, wo ich sehr geringe Lastgänge zum Heizen und Kühlen habe und über eine Fensterlüftung viele Bereiche des Gebäudes erreichen kann. Man wird keinen Konzertsaal ohne Lüftungstechnik bauen, auch kein Vorlesungssaal. Aber muss man jede Schulklasse mit einer Lüftungsanlage versehen? Da stelle ich ein großes Fragezeichen dahinter. Die Verantwortung für das eigene Klima, auch die Luftqualität, wird damit der Technik übergeben. Natürlich zieht es im Winter, wenn es draußen kalt ist, und das Fenster geöffnet wird, doch wie viel Anspruch auf Komfort und Abgabe von Verantwortung können wir uns als Menschen eigentlich noch leisten?
Es geht nicht darum, dass uns irgendeine Technik fehlt. Wir haben viel Technik. Wir haben einen Riesenkanon, aus dem wir wählen können. Es geht, denke ich, um unsere Haltung dazu und darum, das richtige Maß zu finden.
Wie kommen wir dahin, Gebäude zu entwickeln, die aus sich heraus sehr gut funktionieren und den Nutzer mit in die Verantwortung nehmen? Es schadet niemandem, ein Fenster manuell zu öffnen. Wenn wir jetzt Kinder in Schulen setzen, die komplett mechanisch gelüftet sind und in denen sie nichts mehr spüren können, stellt sich für mich auch die Frage: Wie geht es dann weiter im Leben?
Das Thema Schule bewegt mich sehr, deswegen bin ich auch immer wieder dankbar zu sehen, dass Konzepte wie Apolda funktionieren. Man sollte nicht den Anspruch formulieren „Viel hilft viel“, sondern „Wie wenig ist genug“, um diesen schönen Bestand wieder benutzen zu können. Wie wichtig nehmen wir uns als Menschen dabei? Das war der Leitspruch, mit dem Tobias Hag und Katja Fischer von der IBA Thüringen und wir vorzugehen versucht haben.“
Elisabeth Endres hat an der TU München Architektur studiert. Heute ist sie im Ingenieurbüro Hausladen in Kirchheim bei München Mitglied der Geschäftsführung. Das Büro erarbeitet ganzheitliche Gebäudekonzepte. Sie ist Professorin an der TU Braunschweig und beschäftigt sich dort mit der Schnittstelle von Architektur, Haustechnik und erneuerbarer Energie. Ihr Institut nennt sich Bauklimatik und Energie der Architektur.