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Olaf Grawert – No to Demolition
Olaf Grawert – No to Demolition, Foto: Olaf Grawert

HouseEurope! ist eine europäische Bürgerinitiative, die Renovierung und Umbau zur Norm machen will. Die Initiative braucht eine Millionen Stimmen, damit das Thema von der Europäischen Kommission behandelt wird. Schon jetzt kann man sich für den Newsletter anmelden und ab Januar 2025 können alle ihre Stimme dafür abgeben. Olaf Grawert ist Mitinitiator von HouseEurope!. Er ist Architekt, Lehrender und Forschender an der ETH Zürich und führt gemeinsam mit Arno Brandlhuber, Jonas Janke and Roberta Jurčić das Designbüro b+ (bplus.xyz). Hier erzählt er, wie die Idee zu HouseEurope! entstand und mit welchen Forderungen die Initiative an die Europäische Kommission herantreten wird. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

5. November 2024 - Anne Isopp
„HouseEurope! ist eine Initiative, die Renovierung und Umbau zur Norm machen will. Die Idee dazu entstand aus unserer Praxis. b+ ist ein kollaboratives Designbüro, das sich auf die adaptive Umnutzung bestehender Gebäude konzentriert. Ein Beispiel dafür ist der Mäusebunker. Das ist ein riesiges Gebäude in Berlin, ein ehemaliges Tierlabor. Dieses Labor hätte abgerissen werden sollen. Wir von b+ haben einen Gegenvorschlag gemacht, wie man das Gebäude erhalten und nachnutzen kann. Während der Arbeit daran hat aber unser Banker zu uns gesagt, dass wir das aufgrund der finanziellen Hürden nicht schaffen können.
In dem Moment haben wir realisiert: Es reicht nicht mehr, dass wir als ArchitektInnen beweisen, dass man ein Gebäude nachnutzen kann, sondern wir müssen darüber hinaus etwas an den Gesetzen und am System ändern. Deswegen haben wir HouseEurope!, eine europäische Bürgerinitiative, gegründet. Die EU ermöglicht ihren BürgerInnen, selbst einen Gesetzesvorschlag einzubringen. Wir haben ein Jahr Zeit, eine Million Stimmen zu sammeln. Wenn uns das gelingt, kommt der Gesetzesvorschlag in die EU-Gremien, und diese verpflichten sich dann, ihn zu bearbeiten und umzusetzen.

Renovierung statt Abriss ist einfach ein größeres Thema, das über Wahlzyklen, Legislaturperioden und Parteibücher hinaus behandelt werden muss. Deswegen heben wir es auf europäische Ebene und sammeln eine Million Stimmen für unsere drei Gesetzesvorschläge. Im Oktober reichen wir diese ein. Drei Monate später, im Januar 2025, kommen sie zur Abstimmung. Dann haben wir ein Jahr Zeit, die Stimmen zu sammeln. Das Ziel der Initiative ist, Renovierung und Umbau zur Norm zu machen. Renovierung und Umbau sind einfacher, sozialer und ökologisch verträglicher als neu zu bauen. Wir schlagen kein Verbot von Abriss vor, sondern bieten mit unseren drei Gesetzesvorschlägen ein Anreizmodell.

In unserem ersten Gesetzesvorschlag fordern wir eine Reduktion oder die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Renovierung, das beinhaltet sowohl die Renovierungsarbeiten als auch das Material. Das gibt es bereits in verschiedenen europäischen Ländern. In Italien zum Beispiel kosten alle Dinge, die mit Renovierung von bestehenden Gebäuden zu tun haben, nur 10 statt 22 Prozent Mehrwertsteuer. Auf Secondhand-Material, das neu genutzt wird, wird gar keine Steuer eingehoben, weil in der Vergangenheit die Mehrwertsteuer ja schon bezahlt wurde. Es soll zur europäischen Norm werden, dass Renovierungsarbeiten und wiederverwendetes Material deutlich günstiger und damit konkurrenzfähiger sind.
Zweitens fordern wir transparente Regeln bei Gutachten. Es ist ein Unterschied, ob ExpertInnen alle Risiken oder alle Potenziale eines Gebäudes aufschreiben. Diese Listen sind die Grundlage für die Bank zu entscheiden, ob sie einen Kredit vergeben oder nicht. Im Fall des Mäusebunkers hat unser Banker gesagt, dass er für ein Renovierungsprojekt ein Drittel mehr Kapitalsicherheit braucht. Also wollen wir mit unserem zweiten Vorschlag die Entscheidungsgrundlage für solche Gutachten verändern. Auch das gibt es schon in anderen Ländern, wo man sich auf die Potenziale konzentriert bzw. auch die Risiken eines Neubaus auflistet. Der dritte Vorschlag umfasst viele Punkte, zusammenfassend geht es darum, der Energie, die im Gebäude steckt, einen Wert zu geben, um aus den Konsequenzen unseres vergangenen Handelns ein Potenzial für die Zukunft zu machen. Dazu zählt, dass das CO₂, das in den Gebäuden steckt, ermittelt werden muss. Das ist die Grundlage für die Schaffung eines Anreizmodells, um den Bestand zu erhalten.

Damit diese Gesetzvorlagen von der Europäischen Kommission behandelt werden, brauchen wir eine Millionen Stimmen. Schon jetzt kann man sich auf der Website www.houseeurope.eu für den Newsletter anmelden oder freiwillige Helferin oder Helfer werden – ab Januar 2025 kann man seine Stimme abgeben. Wir brauchen dann jeden Tag 3.000 Unterschriften. 3.000 mal 365 ist eine Million. So gelingt es uns, Renovierung und Umbau zur Norm zu machen.“

Olaf Grawert ist Gründungspartner und Architekt des kollaborativen Designbüros b+ (bplus.xyz), das sich auf die adaptive Umnutzung bestehender Gebäude konzentriert. Er ist Forscher und Programmdirektor bei s+ (station.plus), dem Lehrstuhl für Architektur und Storytelling an der ETH Zürich, sowie Mitinitiator und Kampagnenmanager von HouseEurope! (houseeurope.eu), einem Non-Profit-Policy-Lab und einer europäischen Bürgerinitiative für die Renovierung und gegen den Abriss von bestehenden Gebäuden.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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