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Die Internationale Bauausstellung 2027, die IBA’27, findet in der Stadtregion Stuttgart statt. Ihr Fokus liegt auf der Transformation von reinen Gewerbe- und Wohnvierteln sowie monofunktionalen Großstrukturen in eine durchmischte produktive Stadt.
Künstlerischer Leiter der IBA’27 ist der Schweizer Architekt Andreas Hofer. Als Mitbegründer der Zürcher Bau- und Wohngenossenschaft „Kraftwerk1“ und Koordinator der Baugenossenschaft „mehr als wohnen“ war er maßgeblich an der Entwicklung und Renaissance des genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Zürich beteiligt. Für die Stadt der Zukunft sieht er ein großes Potenzial in der Weiterentwicklung von Gewerbegebieten. Gerade in der von Hochtechnologie geprägten Region Stuttgart, in der es noch immer viel produzierendes Gewerbe gibt, bietet die Nutzungsdurchmischung von Arbeit und Wohnen in Gewerbegebieten neue Möglichkeiten. Sie würde nicht nur Impulse gegen die Wohnungsnot setzen, sondern auch die Entwicklung von produktiven und zukunftsfähigen Stadtquartieren forcieren. Andreas Hofer erklärt, warum er in der produktiven Stadt die Stadt der Zukunft sieht und wie er diese Mischgebiete vor Gentrifizierung schützen will. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
Erst seit 2017 gibt es im deutschen Planungsrecht die Kategorie ‚Urbanes Gebiet‘, die eine intensive Nutzungsmischung ermöglicht. Wohnen und Gewerbe sind meistens verträglich. Aber natürlich hat der Gewerbetreibende Angst, dass er herausgeklagt wird. Die Wohnenden befürchten, dass es lärmig ist. Wenn man das aber auf eine clevere Art und Weise strukturiert, kriegt man das in den Griff. Da hilft mir persönlich die Erfahrung aus Zürich, weil wir ja immer an unmöglichen Orten gebaut haben. Unsere Strategie war „arm, aber clever“. Wir bauten auf Grundstücken, die niemand haben will. Da mussten wir auch Wohnungstypologien erfinden, die vor Lärm schützen. Der große Vorteil des Gewerbegebiets ist, dass es Parzellengrößen hat, bei denen man sich auch typologisch vor Lärm schützen kann. Man kann das dann sogar in Bebauungs-Plänen verrechtlichen, dafür braucht es clevere Juristen sowie eine Verwaltung und eine Kommunalpolitik, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Dafür gibt es jetzt erste Beispiele. Das ist alles sehr anspruchsvoll und kompliziert, aber ich glaube, dass das die richtige Richtung ist.
Es geht sicher nicht überall und mit allen Formen des Gewerbes. Aber es gibt einen interessanten Zwischenbereich – von Forschung und Entwicklung über Prototyping, Softwareentwicklung und kleinteilige Hightech-Produktion bis hin zu lokalen Handwerkern und Gewerbe –, in dem spannende Kombinationen mit Wohnen, Freizeit und Kultur entstehen können, mit einem Nutzen für alle Seiten. Da wird es auch ökonomisch spannend. Allerdings besteht die Gefahr, dass diese Projekte so erfolgreich sind, dass sie zur Gentrifizierung in Gewerbegebieten führen. Wir brauchen dafür neue Instrumente, um diese Nutzungsmischung dauerhaft zu sichern.
Es gibt eine Initiative in Zürich, die eine neue Gebietskategorie für urbane Produktion einführen möchte. Hier könnte ein kreatives Miteinander entstehen, in dem die Grenzen zwischen Wohnen, Arbeiten und Kultur aufgeweicht werden. Das sind dann sehr dynamische, komplexe Systeme, die man auch gut verwalten, betreiben und entwickeln muss. Aber der Gewinn an Qualität ist hoch. Die Zehn-Minuten-Stadt geht nur so.“
Andreas Hofer ist künstlerischer Leiter der Internationalen Bauausstellung IBA’27, die 2027 in der Stadtregion Stuttgart stattfindet. Er hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Als Mitbegründer und Projektleiter der Genossenschaften „mehr als wohnen“ und „Kraftwerk1“ war er maßgeblich an der Entwicklung und Renaissance des genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Zürich beteiligt.