Bauwerk

KZ-Gedenkstätte und Zeitgeschichte-Museum
Bernhard Denkinger - Ebensee am Traunsee (A)
KZ-Gedenkstätte und Zeitgeschichte-Museum, Foto: Steiner
KZ-Gedenkstätte und Zeitgeschichte-Museum, Foto: Steiner

Zwei Stollen im Inneren Österreichs

„SS-Arbeitslager Zement“ war der Deckname für das Nazi-Konzentrationslager im oberösterreichischen Ebensee. Nach dem Krieg war man bemüht, die Spuren des Terrors rasch zu beseitigen. Dem von Denkinger und Felber gestalteten Zeitgeschichte-Museum gelingt es nun, die Ortsgeschichte kritisch zu beleuchten.

2. Juni 2001 - Judith Eiblmayr
Das Salzkammergut wird mitunter als das Herz Österreichs bezeichnet. Dies gilt nicht nur geographisch - mit der vermeintlichen Übereinstimmung der von hohen Bergen und tiefen Seen geprägten wunderschönen Gegend und seiner Bevölkerung, die Hunderte Jahre vorwiegend im Bergbau tätig war und dadurch den karstigen Kalkalpen sicherlich speziell verbunden ist, wird eine Form des „Urösterreichischen“ assoziiert. Vom Klima nicht gerade begünstigt, durch eine Bahnlinie und kaiserliche Gunst jedoch privilegiert, konnte sich hier nebst der Salzgewinnung der Sommerfrischetourismus stetig entwickeln.

Die erwähnte Form des (Deutsch-) Österreichertums im Salzkammergut findet nicht nur in einer tourismusträchtig gepflogenen Trachtenkultur ihren Ausdruck, in Wende-Zeiten wie diesen werden auch gerne Metaphern bemüht, die die Bevölkerung zwar nicht als Ureinwohner, aber als „Urgestein“ politischer Art bezeichnen. Wenn heutzutage mit verschämtem Stolz von so manch eingesessener Familie als „blauem Urgestein“ die Rede ist, so weiß doch jeder, daß sich dahinter übertünchte braune Felsen verbergen können.

Über die Geheimnisse, die die Stollen des Salzkammerguts abgesehen vom Salzabbau bargen, wird naturgemäß nicht gerne gesprochen, und es hat über 40 Jahre gedauert, bis zumindest eine Gemeinde sich diesem Teil ihrer Geschichte stellte und in einer Dauerausstellung publik machen wollte. In Ebensee, am südlichen Ende des Traunsees gelegen, wurde im März dieses Jahres das erste österreichische Zeitgeschichte-Museum eröffnet, das sich umfassend mit der örtlichen Geschichte von 1918 bis 1955 im gesamtösterreichischen Zusammenhang auseinandersetzt. Ebensee wurde durch eine Saline zum sozialdemokratisch geprägten Industrieort, und auch jetzt war es der rote Bürgermeister, Herwart Loidl, der gegenüber der Idee, die Ortsgeschichte kritisch aufzuarbeiten, aufgeschlossen war und „die Strategie der Verdrängung“, die bislang im Ort geherrscht hatte, zu beenden.

Ebensee war wegen seiner Lage und guten Infrastruktur als Standort für ein Konzentrationslager gewählt worden, das die Nationalsozialisten im November 1943 als das größte Außenlager des KZ Mauthausen von Häftlingen errichten ließen. Es war unter dem Decknamen „SS-Arbeitslager Zement“ für jene Zwangsarbeiter bestimmt, die in kürzester Zeit zwei riesige Stollenanlagen für die Verlegung der nach Bombardements beschädigten Raketenversuchsanstalt Peenemünde der Deutschen Wehrmacht in den Berg treiben mußten. In den eineinhalb Jahren seines Bestandes wurden 27.000 zivile Häftlinge aller europäischen Nationalitäten von Mauthausen nach Ebensee gebracht, bis zur Befreiung des Lagers am 6. Mai 1945 durch die US-Army hat diese „ordentliche Beschäftigungspolitik“ zirka 8500 von ihnen das Leben gekostet. Nach dem Krieg war man seitens der Gemeinde bemüht, die Spuren des Terrors rasch zu beseitigen, in den fünfziger Jahren wurde das Lager geschleift und das Areal mit einer Arbeitersiedlung bebaut. Auf Initiative ehemaliger Häftlinge wurde das Eingangstor zum Lager erhalten und eine Gedenkstätte errichtet.

Die Erinnerungsarbeit des offiziellen Österreich beschränkte sich auf Mauthausen, und so konnten Nebenschauplätze des Nazisystems wie Ebensee leicht in Vergessenheit geraten. Erst in den achtziger Jahren begann sich eine Gruppe engagierter Bürger mit der regionalen Zeitgeschichte kritisch zu befassen. Die gleichzeitig entstandene Publikation über das „Arbeitslager Zement“ des Wiener Historikers Florian Freund bildete die Basis für die Idee, ein „Widerstandsmuseum“ zu errichten und die erhaltenen Stollen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

1993 wurde nach einem geladenen Wettbewerb das Wiener Büro Denkinger und Felber beauftragt, die inhaltliche und gestalterische Betreuung des Museums zu übernehmen. Das gemeinsame Konzept der Historikerin Ulrike Felber und des Architekten Bernhard Denkinger, in Kooperation mit dem zukünftigen Leiter des Museums, Wolfgang Quatember, zielte darauf, nicht mehr nur den Widerstand gegen das Naziregime zu thematisieren, sondern auch jene historischen Entwicklungen seit Beginn der Ersten Republik aufzuzeigen, die das Entstehen des Nationalsozialismus erst möglich machten. Dabei sollen die prozeßhaften Vorgänge im Kleinen, in der Gemeinde Ebensee, im Kontext des Großen, der politischen (Un)Kultur des Staates Österreich, als einander bedingend und ergänzend dargestellt werden. Auch der Zeit nach dem Krieg wird bis zum Jahr 1955 Raum gegeben, um den Umgang der Bevölkerung mit dem Wissen um die unmittelbare NS-Geschichte zu beleuchten.

Seit 1997 besteht eine Dauerausstellung in einem der Stollen, die die Geschichte des KZ und des „Projekts Zement“ behandelt, das Museum mitten im Ort, in einem ehemaligen Schulgebäude aus dem späten 18. Jahrhundert untergebracht, entwickelte sich sukzessive in den letzten vier Jahren. Zuerst wurde das Erdgeschoß mit Foyer, Veranstaltungssaal und Café fertiggestellt, zuletzt das eigentliche Museum und der ausgebaute Dachbodenraum für temporäre Ausstellungen und anderes.

Das kleinteilig organisierte, generalsanierte Gebäude wird über eine einläufige, mit Perger Granit belegte Stiege erschlossen. Man gelangt in die zwei Obergeschoße mit den Ausstellungsräumen, die sich thematisch in drei abgegrenzte Zeiträume gliedern, wobei die mittige Lage der Treppe einen automatischen Rundgang auf einer Ebene bewirkt. Dadurch ergibt sich eine logische Orientierung in der Raumabfolge, was gerade bei einer historischen Ausstellung als sehr angenehm empfunden wird. Die Präsentation der vorwiegend schwarzweißen Dokumente, Photos, Zeitungsausschnitte und Plakate erfolgt auf Glastafeln, die jedoch mit undurchsichtigen, raumteilenden Platten (weißes Plexi oder Eternit) mit Distanz hinterlegt sind. Diese bilden die Träger für die - im wahrsten Sinne des Wortes - Hintergrundinformation, die auf roter Folie appliziert ist. Gegenüber den Exponaten hat dieser Farbfleck natürlich einen sehr hohen visuellen Aufforderungscharakter und bildet somit die perfekte informative Ergänzung.

Die Eternittafeln dienen als Raumteiler, die als Zäsuren mit inhaltlicher Relevanz gesetzt werden, und gewähren auch bewußte Durchblicke, um durch kleine Öffnungen einen zeitlichen Bezug zwischen zwei entfernten Dokumenten herzustellen. Auf thematisch unruhigere Zeiten wurde mit einer „unruhigeren“ Gestaltung der Glasplatten reagiert. Teilweise sind die gläsernen „Objektträger“ auch vor ein Fenster gestellt und werden bei Tageslicht hinterleuchtet. Eine andere Fensteröffnung wird konzeptionell einbezogen, da sie den Blick über den Ort hinweg auf den entfernten Steinbruch freigibt , wo die Stollenanlagen liegen.

Was an diesem kleinen Museum beeindruckt, ist die Kongruenz von wissenschaftlicher Bearbeitung und deren praktischer Vermittlung. Felber und Denkinger wollten keine vordergründige Betroffenheit bei den Besuchern erzeugen, vielmehr haben sie es geschafft, aus der Fülle an Material eine prägnante, in Informationsgehalt und Gestaltung vielschichtige Schau zusammenzustellen, die so manch verregneten Tag im Salzkammergut intellektuell erhellen wird.

KZ-Gedenkstätte und Zeitgeschichte-Museum Ebensee, Kirchengasse 5. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

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