Bauwerk

Secession - Umbau
Adolf Krischanitz, Otto Kapfinger - Wien (A) - 1986
Secession - Umbau, Foto: Margherita Spiluttini
Secession - Umbau, Foto: Margherita Spiluttini

Mit Goldstaub und Jugendstilgrün zu neuem Glanz

Blattgold, Schießzeug und Nieten: Bei der Sanierung der Kuppel der Wiener Secession wird auf Handarbeit gesetzt. Im Labor versuchen Restauratoren, möglichst nah an das Original heranzukommen. Ein Besuch auf der Baustelle und in der Vergolderwerkstatt.

14. März 2018 - Karin Krichmayr
Die warme Luft im hintersten Raum der Werkstatthalle steht, es riecht nach Lack und Kleber. Fast jeder Fleck in der Halle wird ausgefüllt von übereinandergestapelten Platten, auf denen Lorbeeräste der Secessionskuppel verteilt sind – vereinzelte genauso wie große, stark verzweigte Exemplare. Aus der Ferne wirken sie wie eine botanische Sammlung exotischer Riesenpflanzen. Fein säuberlich numeriert sind sie gebettet auf stützende Klötze, die für jeden einzelnen Ast extra angepasst wurden, die geschwungenen Blätter stellenweise geschützt durch Schaumstoff und Luftpolsterfolie.

Am Ende der Halle stehen die Vergolderinnen, die mit Pinseln das Blattgold auf die Lorbeerblätter auftragen: Sie scheinen förmlich zu strahlen, wohl auch, weil Haut und Haar mit feinsten Goldstaubpartikeln überzogen sind. „Jedes Teil ist ursprünglich in Handarbeit entstanden und wird in Handarbeit restauriert“, sagt Chefvergolder Karl Kratochwill, „ein jedes ist ein Unikat.“

Die 217 Äste mit 2500 Blättern und 311 kugelförmigen Lorbeerbeeren, die früher oder später alle in dieser Werkstatt auf einem Gewerbeareal in Wien-Floridsdorf landen, bilden zusammen die goldfarbene Kuppel der von Joseph Maria Olbrich geplanten und 1898 erbauten Wiener Secession. Das fast kugelförmige Blätterdach, auch Krauthappel genannt, ist das Symbol eines der wichtigsten Bauwerke des Jugendstils und wird, so wie das gesamte Gebäude, seit Ende letzten Jahres saniert. Gold und Farbe waren längst abgeblättert, Wind und Wetter haben das darunterliegende Eisen teils komplett durchrosten lassen. Ast für Ast wurde von der Kuppel abmontiert und wird nun Stück für Stück restauriert.

Rost, Schmutz, Farbe

Jene Teile, die nun in der hellen Werkstatthalle liegen, haben das Ärgste schon hinter sich: In dem Kärntner Schmiedebetrieb, der die Kuppelrestaurierung leitet, wurden sie bereits instandgesetzt, fehlende Teile wurden ergänzt, bestehende entrostet, sandgestrahlt, grundiert und lackiert – und zwar in jenem hellen Grün, das für den Jugendstil so typisch ist. Nur die Blattoberseite ist in einem sonnigen Gelb gestrichen.

Um die grüne Farbe möglichst originalgetreu zu rekonstruieren, wurden 25 Proben genommen, „von Ritzen, wo kein Sandstrahl hingekommen sein kann“, berichtet Ulrike Rossmeissl von der Arge Objektsanierung, die zuständig ist für die Beschichtung und Farbfassung des Blattwerks. Schließlich wurde bei der letzten und einzigen Renovierung der Secession in den 1980ern alles rundumerneuert, ohne viel Rücksicht auf das Original. Gemeinsam mit dem Denkmalamt wurde nun unter dem Rasterelektronenmikroskop Schicht um Schicht analysiert, um schließlich unter jeder Menge Rost, Schmutz, Farbe und Korrosionsschutz ein Pigment zu isolieren, „von dem wir interpretieren, dass es sehr früh verwendet wurde“, sagt Rossmeissl.

Nach der Lackierung der Blätter liegt es in den Händen der Vergolder, die Kuppel im buchstäblich neuen Glanz erstrahlen zu lassen. Zunächst wird auf den erhobenen Stellen der leicht gewellten Lorbeerblätter ein orangefarbener Kleber aufgetragen bzw. angelegt, wie es in der Fachsprache heißt. Einen Tag später „pfeift es“, wie Kratochwill zufrieden feststellt, während er mit einem Finger die Klebstoffkonsistenz überprüft. „Der Rotton des Klebers gibt dem Gold Wärme“, sagt er.

Dann geht es an die eigentliche Feinarbeit: In kleinen Heftchen stecken zwischen jeweils zwei Seidenpapierseiten 25 Goldblättchen. Einzeln blasen sie die Vergolderinnen in eine kleine, nur nach vorn offene Schachtel, genannt Schießzeug – womit das Wort „hauchdünn“ plötzlich eine ganz neue Bedeutung bekommt. So dünn ist das Blattgold – nämlich ein achttausendstel Millimeter –, dass es sich nur hauchend bewegen lässt. Kommen die Blättchen mit der Haut in Berührung, bleiben sie sofort kleben und lösen sich, wenn man sie zerreibt, im Nu in Nichts auf. „Manchmal glaubt man zu ersticken, weil man sich nicht traut zu atmen, geschweige denn zu lachen oder zu husten“, meint Kratochwill. Dafür ist die Atmosphäre in der Werkstatt aber doch recht entspannt.

Aus dem Schießzeug heben die Vergolderinnen die Blätter mithilfe eines Pinsels auf, wenn nötig, zerteilen sie sie noch mit einer Spachtel und legen sie mit einem Pinsel auf. Sind alle klebrigen Stellen mit Gold belegt, wird „eingekehrt“: Das Blattgold wird mit einem Pinsel geglättet und die Überschüsse in eine Schachtel „gekehrt“ – wobei das „Kehren“ eine schiere Übertreibung ist angesichts des zarten Goldstaubs, der hier weggepinselt und in einer Schachtel gesammelt wird. Erst ganz zum Schluss kommt noch der Staubsauger zum Einsatz.

Blättchenweise Gold

„Gold ist die edelste, schönste und dauerhafteste Beschichtung“, schwärmt Kratochwill, der seit 50 Jahren in seinem Handwerk tätig ist. „Kein anderes Material lässt sich so dünn ausschlagen.“ Rund 18.000 maschinell geplättete 23-Karat-Blättchen, jedes mit einem Wert von 1,20 bis 1,50 Euro (je nach Tagespreis), werden für die Neuvergoldung der Secessionskuppel benötigt, schätzt Kratochwill. Das sei gerade mal ein Dutzend Gramm Gold.

Während das Blattwerk in Floridsdorf vergoldet wird, steht Siegfried Steiner mit seinem Team bereits hoch oben auf dem Dach der Secession, um die frisch restaurierte Kuppelkonstruktion zu montieren, auf der die Äste später wieder befestigt werden. „Die Konstruktion war extrem desolat, das war schon ein statisches Problem“, sagt Steiner. „Auf einer Seite war die Kuppel eingedellt, was auf einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zurückgeht.“

In seinem Familienbetrieb hat Steiner eine Kunsthistorikerin engagiert, die die Baugeschichte der Secession bis ins Detail recherchierte, herausfand, wo das Eisen herkam, wo die Lorbeerblätter geschmiedet wurden. Nachdem jede Verstrebung, jede Schelle und jedes Blech gereinigt, geschliffen und möglichst originalgetreu saniert wurde, geht es nun an die Neumontage des Kuppelskeletts: An die 600 Nieten werden nach alter Manier vor Ort erhitzt und im glühenden Zustand verklopft – „ganz ohne Schrauben oder Schweißen“, wie Steiner betont.

Ende März sollen die ersten Lorbeeräste wieder nach und nach an ihre Plätze geklemmt werden, Ende Mai ist die Fertigstellung geplant. Immerhin rund 50 Blätter fehlten und mussten nachgeschmiedet werden – sie waren abgebrochen, wie oder von wem auch immer. Wie berichtet, fehlt es auch noch an 650.000 Euro Restaurierungsbudget. Wer zumindest symbolisch einen Teil der Kuppel besitzen will, kann für 100 Euro die Patronanz für ein Lorbeerblatt übernehmen – und sich somit quasi in der Goldkuppel verewigen.

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