Bauwerk

Albertina - Rampe
Hans Hollein - Wien (A) - 2003
Albertina - Rampe, Foto: Angelo Kaunat
Albertina - Rampe, Foto: Angelo Kaunat

Ein Messer in Wiens Himmel

Hans Holleins Albertina-Flugdach

8. Januar 2004 - Paul Jandl
Bedroht scheint der vergangenheitsselige Friede zwischen Hofburg, Oper und Hotel Sacher. Wie die Schneide eines Messers ragt das neue Wahrzeichen der Wiener Albertina in den Platz. Weil die prunkvoll renovierte und vor einem Dreivierteljahr wiedereröffnete Graphische Sammlung Albertina aussen ein markantes Signal bekommen sollte, wurde 2001 ein Wettbewerb ausgeschrieben, den der Wiener Architekt Hans Hollein gewann. Sein Entwurf eines Flugdachs, das zum Eingang der Albertina weist und über die alte Rampe des Museums ragt, versprach edles Titan und schwebende Leichtigkeit. Was jetzt nach langer Bauverzögerung vor dem Museum steht, ist aus eloxiertem Aluminium gefertigt und einigermassen plump. Wenn die neue Architektur unverwechselbare Wahrzeichen ins dicht bebaute Stadtgebiet stellt, dann hat Hans Hollein seine eigene Signatur gefunden. Das Flugdach, vom Wiener Haas-Haus der achtziger Jahre bis zu neuesten Bürohausprojekten immer wieder als krönender Abschluss auf Holleins Bauten placiert, ist zum Markenzeichen sich selbst beglaubigender Modernität geworden. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder rühmt den bleiern wirkenden Flügel vor seinem Haus jetzt als «Symbol der Geschwindigkeit und der Zukunft».

Das historische und in seiner heutigen Form aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammende Palais der Albertina sieht hinter dieser grob gebauten Zukunftsbeschwörung ziemlich verloren aus. Und auch im Symbolischen ist die Wirkung des 53 Meter langen und bis zu 12 Meter breiten Flugdachs fatal. Wohl wahr, dass Holleins Metallkörper, wie Schröder anerkennend sagt, «ein messerscharfer Schnitt» im Himmel ist. Doch diese martialische Geste steht in schwerem Konflikt mit dem darunter liegenden Mahnmal Alfred Hrdlickas gegen Faschismus und Krieg. Holleins Flugdach, das die bauliche Ergänzung einer auf die Rampe führenden Rolltreppe ist, hat im Wettbewerb über Entwürfe von Zaha Hadid, Coop Himmelb(l)au und Wilhelm Holzbauer gesiegt. Jetzt scheitert der massive Metallflügel an der Situation eines architektonisch heiklen Ortes. In seiner aggressiven Präsenz ist Holleins Dach auch verräterisch. Das neue Museumsmanagement der Albertina ist jeweils nicht leise, wenn es darum geht, für das eigene Angebot zu werben. Und auch die edlen Spender des Albertina-Flugdaches sind es nicht. «Soravia-Wing» steht deutlich lesbar und etwas vulgär an der Kante des Daches. Die Brüder Hanno und Erwin Soravia, Bau- und Immobilienunternehmer in Wien, haben wohl Millionen von Euro gegeben (ein genauer Betrag wird nicht genannt), um den 300 Quadratmeter grossen Metallflügel zu finanzieren. Es ist ein Mäzenatentum neuer Form. Denn das Dach repräsentiert nichts anderes als sich selbst.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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