Bauwerk
Contemporary Arts Center
Zaha M. Hadid - Cincinnati (USA) - 2003
Schwebende Kisten
Zaha Hadids Contemporary Arts Center in Cincinnati
Am Wochenende wurde in Cincinnati das Contemporary Arts Center von Zaha Hadid eröffnet. Der kubisch verschachtelte, neobrutalistische Musentempel, welcher als kunsthallenartiges Ausstellungsgebäude dient, markiert eine Wende im bisher von aggressiven Formen geprägten Schaffen der in London tätigen Irakerin.
2. Juni 2003 - Roman Hollenstein
Den meisten Europäern ist Ohio nur ein weisser Fleck auf der Landkarte; und den Amerikanern bedeutet dieser Bundesstaat höchstens guter Durchschnitt. Doch für Architekturinteressierte ist das hügelige Land südlich des Eriesees ein Paradies. Denn hier trieb der baukünstlerische Dekonstruktivismus früh schon bunte Blüten: So konnte 1992 in Toledo Frank Gehrys University Art Building eingeweiht werden, welches im Kleinen bereits einen Vorgeschmack vom metallisch gleissenden Formenspiel des Guggenheim-Museums in Bilbao gab. Drei Jahre zuvor hatte Peter Eisenman in Columbus mit dem an eine aufgeschlitzte Ritterburg erinnernden Wexner Center die internationale Kritik verblüfft und sich damit den Folgeauftrag für das 1993 vollendete, an tektonische Verwerfungen erinnernde Konglomerat des Columbus Convention Center gesichert. Und selbst der postmodern angehauchte Minimalist Ieoh Ming Pei fand bei seiner Rock'n'Roll Hall of Fame in Cleveland zu beschwingten Formen. Kein Wunder also, dass seit neustem die Ohio- River-Metropole Cincinnati, die schon 1866 mit dem orientalistischen Plum Street Temple und erneut 1930 mit der Art-déco-Phantasie des Carew Tower ihren Sinn für das Aussergewöhnliche gezeigt hatte, mit exzentrischer Architektur flirtet: Konnte doch 1996 das wie ein Tatzelwurm aus Karton gefaltete Aronoff Center for Design von Eisenman, 1999 der geblähte Ziegelbau des Vontz Center von Gehry und jüngst die zeltartig überdachte Country Day School des einheimischen Blob-Architekten Michael McInturf bezogen werden.
Neobrutalismus
Im Unterschied zu diesen in parkartiger Umgebung errichteten Vorzeigebauten konnte Ohios neustes expressives Meisterwerk, das kurz Rosenthal Center genannte Contemporary Arts Center (CAC), am Wochenende mitten im dicht bebauten Zentrum von Cincinnati eröffnet werden. Damit hat nun das 1939 als kunsthallenartige Institution gegründete CAC, das seit der Präsentation von Picassos «Guernica» im Jahre 1940 mit seinen Ausstellungen immer wieder Zeichen setzte, ein würdiges Haus erhalten. Wie in den USA bei Kulturbauten - den letzten Refugien innovativer Architektur jenseits des Atlantiks - üblich, erbat man von bekannten Architekten Vorschläge für die Bebauung eines 1100 Quadratmeter grossen Grundstücks an der belebten Kreuzung von Sixth und Walnut Street gleich gegenüber von Cesar Pellis Aronoff Theater. Doch wollte das CAC nicht nur mit der Aura eines Stardesigners um Aufmerksamkeit und Spendengelder buhlen, sondern sich ebenso sehr an der kulturellen Rückeroberung des urbanen Zentrums beteiligen. Es war daher nicht zuletzt auch die präzise Auseinandersetzung mit der gewachsenen Stadt, welche die Auftraggeber dazu brachte, sich für Zaha Hadid und gegen Bernard Tschumi und Daniel Libeskind, die beiden anderen Finalisten, zu entscheiden. Die in London tätige Irakerin wich in ihrem Projekt von der bisher stets stark künstlerisch motivierten, die dynamischen Kraftlinien der (Stadt-)Landschaft bildhaft umsetzenden Recherche etwas ab und antwortete ähnlich wie einst Breuer beim Whitney Museum in New York und doch ganz anders auf die Bauvolumen der Umgebung. Entstanden ist ein hartes, skulpturales Eckgebäude, das in seiner neobrutalistischen Strenge nichts von der Selbstverliebtheit eines architektonischen Markenzeichens an sich hat und höchstens noch unterschwellige Bezüge zu Hadids aggressivem Vitra-Feuerwehrhaus in Weil am Rhein oder zur barock-frivolen Bergisel-Skisprungschanze in Innsbruck aufweist.
Dieses erste von einer Frau realisierte Museumsgebäude in den USA mag denn auch all jene irritieren, die von der Popkönigin der Architektur eher eine modische Spielerei in der Art ihrer spektakulären Innenraumgestaltungen erwartet hatten. Zumal die Entwürfe bunter, transparenter und weit bewegter aussahen als nun das vollendete Bauwerk. Ob dies mit einem Auseinanderklaffen von künstlerischer Vision und gebauter Realität zu tun hat oder ob Hadid bei ihrer ersten grossen urbanen Arbeit die Inszenierungslust im Interesse des Stadtganzen zurücknahm, werden wohl erst ihre Bauten in Rom und Wolfsburg zeigen. Interessant ist jedoch, dass dieser über einer gläsernen Eingangszone schwebende Stapel wackliger Betonkisten von innen, also von den einzelnen Galerien her gedacht ist. Hier spürt man, dass die an der AA in London ausgebildete und von Rem Koolhaas in die Geheimnisse der Baukunst eingeweihte Hadid selbst lange eine betont künstlerische Annäherung an die Architektur betrieben hat. Denn obwohl sie 1983 im Alter von nur 33 Jahren mit ihrem damals beängstigend neuartigen Projekt für den Hong Kong Peak gleichsam über Nacht zur Kultfigur aufgestiegen war, musste sie ihre explosiven Visionen noch lange im Medium der Malerei verwirklichen. Selbst nach dem Welterfolg der Vitra-Miniatur in Weil sah sie noch ihren Traum vom Cardiff Opera House schwinden, so dass nun viel Erwartungsdruck auf Cincinnatis neustem Musentempel lastete.
Ein Fest für die Augen
Gefasst von einem «Urban Carpet», der sich teppichartig von der Strasse durch das Foyer und über die nordseitige Brandmauer bis unter das Dach des Rosenthal Center zieht, scheint die kubistische Raumskulptur des Galerienturms Eisenmans Idee horizontal verschobener Gebäudeplatten ins Vertikale zu transponieren. Doch ist diese eigenwillige, nach aussen sich in Form von grauen Oberflächen aus Glas, Beton und Blech manifestierende Konstruktion, die man durchaus auch als Statement gegen die Banalität des in Amerika grassierenden Fassadendesigns interpretieren darf, weniger das Resultat formalistischer Überlegungen als vielmehr die logische Konsequenz der Unterbringung von möglichst viel Galerie-, Arbeits- und Erschliessungsraum in einem begrenzten Volumen. Ähnliche Lösungen hatte Hadid zuvor schon für ein Hotel in New York und für die Erweiterung des Londoner Victoria & Albert Museum entwickelt. Die einzelnen Galerie- Boxen, zwischen denen durch Glaswände Licht tief ins Gebäude dringt, transformieren das Museum in ein bauliches Fragment. Lange Treppenrampen erzeugen in der schmalen rückwärtigen Erschliessungszone eine piranesieske Atmosphäre, aus der heraus man in die auf vier Ebenen angeordneten Galerien entlassen wird.
Im Gegensatz zur prägnanten Gesamtform des mit einem vergleichsweise bescheidenen Gesamtbudget von gut 30 Millionen Dollar geschaffenen Gebäudes sind die in Grösse und Höhe unterschiedlichen Galerien zurückhaltend gestaltet. Die vielen Rampen und die für Hadid seit je typischen spitzen Winkel aber machen die Räume schwierig zu bespielen. Dafür wird der Spaziergang durch die höchst abwechslungsreiche Architekturlandschaft zum Raum- und Lichterlebnis. Nicht zuletzt deswegen hofft wohl Charles Desmarais, der Direktor des Hauses, dass hier Architektur und Kunst zu einem spannenden Dialog finden werden. Der mit Blick auf den prächtigen Neubau fast schon verwegen mit «Somewhere better than this place» (nach einer Arbeit von Felix Gonzalez- Torres) betitelten Eröffnungsschau jedenfalls gelingt es, die Vorteile der räumlichen Vielfalt auszuloten. Zu sehen sind in dieser politisch korrekten Mini-Documenta Werke von 33 bedeutenden Künstlern wie John Armleder, Vanessa Beecroft, Patty Chang oder Rikrit Tiravanija, welche der Condition humaine unserer Zeit nachspüren. Wichtiger als dieser fulminante Auftakt wird aber die weitere Bespielung des Neubaus sein. Mit einem Konzept, das jährlich rund 15 Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst und Architektur sowie zahlreiche Performances vorsieht, besitzt das Rosenthal Center ein grosses Erfolgspotenzial. Damit dürfte sich Cincinnatis neue Kunsthalle in einer zwischen Museumsboom und Sparmassnahmen hin und her gerissenen Zeit selbstbewusst behaupten können. Gerade weil der Neubau sich nicht so schillernd präsentiert, wie dies die divenhafte Architektin selbst gerne tut, überzeugt hier Zaha Hadid mehr denn je. Damit dürfte für die Irakerin just im Amerika von Präsident Georg W. Bush der Pritzker-Preis in greifbare Nähe rücken.
[Die Eröffnungsausstellung dauert bis zum 9. November.]
Neobrutalismus
Im Unterschied zu diesen in parkartiger Umgebung errichteten Vorzeigebauten konnte Ohios neustes expressives Meisterwerk, das kurz Rosenthal Center genannte Contemporary Arts Center (CAC), am Wochenende mitten im dicht bebauten Zentrum von Cincinnati eröffnet werden. Damit hat nun das 1939 als kunsthallenartige Institution gegründete CAC, das seit der Präsentation von Picassos «Guernica» im Jahre 1940 mit seinen Ausstellungen immer wieder Zeichen setzte, ein würdiges Haus erhalten. Wie in den USA bei Kulturbauten - den letzten Refugien innovativer Architektur jenseits des Atlantiks - üblich, erbat man von bekannten Architekten Vorschläge für die Bebauung eines 1100 Quadratmeter grossen Grundstücks an der belebten Kreuzung von Sixth und Walnut Street gleich gegenüber von Cesar Pellis Aronoff Theater. Doch wollte das CAC nicht nur mit der Aura eines Stardesigners um Aufmerksamkeit und Spendengelder buhlen, sondern sich ebenso sehr an der kulturellen Rückeroberung des urbanen Zentrums beteiligen. Es war daher nicht zuletzt auch die präzise Auseinandersetzung mit der gewachsenen Stadt, welche die Auftraggeber dazu brachte, sich für Zaha Hadid und gegen Bernard Tschumi und Daniel Libeskind, die beiden anderen Finalisten, zu entscheiden. Die in London tätige Irakerin wich in ihrem Projekt von der bisher stets stark künstlerisch motivierten, die dynamischen Kraftlinien der (Stadt-)Landschaft bildhaft umsetzenden Recherche etwas ab und antwortete ähnlich wie einst Breuer beim Whitney Museum in New York und doch ganz anders auf die Bauvolumen der Umgebung. Entstanden ist ein hartes, skulpturales Eckgebäude, das in seiner neobrutalistischen Strenge nichts von der Selbstverliebtheit eines architektonischen Markenzeichens an sich hat und höchstens noch unterschwellige Bezüge zu Hadids aggressivem Vitra-Feuerwehrhaus in Weil am Rhein oder zur barock-frivolen Bergisel-Skisprungschanze in Innsbruck aufweist.
Dieses erste von einer Frau realisierte Museumsgebäude in den USA mag denn auch all jene irritieren, die von der Popkönigin der Architektur eher eine modische Spielerei in der Art ihrer spektakulären Innenraumgestaltungen erwartet hatten. Zumal die Entwürfe bunter, transparenter und weit bewegter aussahen als nun das vollendete Bauwerk. Ob dies mit einem Auseinanderklaffen von künstlerischer Vision und gebauter Realität zu tun hat oder ob Hadid bei ihrer ersten grossen urbanen Arbeit die Inszenierungslust im Interesse des Stadtganzen zurücknahm, werden wohl erst ihre Bauten in Rom und Wolfsburg zeigen. Interessant ist jedoch, dass dieser über einer gläsernen Eingangszone schwebende Stapel wackliger Betonkisten von innen, also von den einzelnen Galerien her gedacht ist. Hier spürt man, dass die an der AA in London ausgebildete und von Rem Koolhaas in die Geheimnisse der Baukunst eingeweihte Hadid selbst lange eine betont künstlerische Annäherung an die Architektur betrieben hat. Denn obwohl sie 1983 im Alter von nur 33 Jahren mit ihrem damals beängstigend neuartigen Projekt für den Hong Kong Peak gleichsam über Nacht zur Kultfigur aufgestiegen war, musste sie ihre explosiven Visionen noch lange im Medium der Malerei verwirklichen. Selbst nach dem Welterfolg der Vitra-Miniatur in Weil sah sie noch ihren Traum vom Cardiff Opera House schwinden, so dass nun viel Erwartungsdruck auf Cincinnatis neustem Musentempel lastete.
Ein Fest für die Augen
Gefasst von einem «Urban Carpet», der sich teppichartig von der Strasse durch das Foyer und über die nordseitige Brandmauer bis unter das Dach des Rosenthal Center zieht, scheint die kubistische Raumskulptur des Galerienturms Eisenmans Idee horizontal verschobener Gebäudeplatten ins Vertikale zu transponieren. Doch ist diese eigenwillige, nach aussen sich in Form von grauen Oberflächen aus Glas, Beton und Blech manifestierende Konstruktion, die man durchaus auch als Statement gegen die Banalität des in Amerika grassierenden Fassadendesigns interpretieren darf, weniger das Resultat formalistischer Überlegungen als vielmehr die logische Konsequenz der Unterbringung von möglichst viel Galerie-, Arbeits- und Erschliessungsraum in einem begrenzten Volumen. Ähnliche Lösungen hatte Hadid zuvor schon für ein Hotel in New York und für die Erweiterung des Londoner Victoria & Albert Museum entwickelt. Die einzelnen Galerie- Boxen, zwischen denen durch Glaswände Licht tief ins Gebäude dringt, transformieren das Museum in ein bauliches Fragment. Lange Treppenrampen erzeugen in der schmalen rückwärtigen Erschliessungszone eine piranesieske Atmosphäre, aus der heraus man in die auf vier Ebenen angeordneten Galerien entlassen wird.
Im Gegensatz zur prägnanten Gesamtform des mit einem vergleichsweise bescheidenen Gesamtbudget von gut 30 Millionen Dollar geschaffenen Gebäudes sind die in Grösse und Höhe unterschiedlichen Galerien zurückhaltend gestaltet. Die vielen Rampen und die für Hadid seit je typischen spitzen Winkel aber machen die Räume schwierig zu bespielen. Dafür wird der Spaziergang durch die höchst abwechslungsreiche Architekturlandschaft zum Raum- und Lichterlebnis. Nicht zuletzt deswegen hofft wohl Charles Desmarais, der Direktor des Hauses, dass hier Architektur und Kunst zu einem spannenden Dialog finden werden. Der mit Blick auf den prächtigen Neubau fast schon verwegen mit «Somewhere better than this place» (nach einer Arbeit von Felix Gonzalez- Torres) betitelten Eröffnungsschau jedenfalls gelingt es, die Vorteile der räumlichen Vielfalt auszuloten. Zu sehen sind in dieser politisch korrekten Mini-Documenta Werke von 33 bedeutenden Künstlern wie John Armleder, Vanessa Beecroft, Patty Chang oder Rikrit Tiravanija, welche der Condition humaine unserer Zeit nachspüren. Wichtiger als dieser fulminante Auftakt wird aber die weitere Bespielung des Neubaus sein. Mit einem Konzept, das jährlich rund 15 Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst und Architektur sowie zahlreiche Performances vorsieht, besitzt das Rosenthal Center ein grosses Erfolgspotenzial. Damit dürfte sich Cincinnatis neue Kunsthalle in einer zwischen Museumsboom und Sparmassnahmen hin und her gerissenen Zeit selbstbewusst behaupten können. Gerade weil der Neubau sich nicht so schillernd präsentiert, wie dies die divenhafte Architektin selbst gerne tut, überzeugt hier Zaha Hadid mehr denn je. Damit dürfte für die Irakerin just im Amerika von Präsident Georg W. Bush der Pritzker-Preis in greifbare Nähe rücken.
[Die Eröffnungsausstellung dauert bis zum 9. November.]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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