Bauwerk

Seminarzentrum und Gästehaus
Marcel Meili, Markus Peter Architekten - Rüschlikon (CH) - 2000
Seminarzentrum und Gästehaus, Foto: Margherita Spiluttini
Seminarzentrum und Gästehaus, Foto: Margherita Spiluttini

Angemessene Schwere

Das idyllisch zwischen Kastienbäumen am See gelegene Seminarzentrum der Architekten Meili&Peter öffnet sich seiner ansprechenden Umgebung durch großzügige Glasflächen. Der hohe Foyerbereich, in zwei Bereich gegliedert, wird von einem Dach, das 13 m auskragt, überdeckt. Im unteren Foyer und dem anschließenden Forum tragen große Balken aus Holz-Leimbindern die Decke und ermöglichen die stützenfreie Glaswände nach außen. Geteilt und statisch getragen, werden diese zwei repräsentablen Räume durch eine Betonwand, auf der die vorgespannten Balken aufliegen. Die Profile der Verglasung spannen die Konstruktion nach unten und fungieren als Zugbänder im Foyer. Beim anschließenden Forum spannen runde Stahlstützen die Balken ab - können dort aber auch Zugkräfte aufnehmen.

15. September 2002 - Otto Kapfinger
Das Hinuntersteigen vom oberen Sitzbereich des Seminartrakts in den doppelt so hohen, völlig verglasten Foyerbereich intensiviert noch die Erscheinung der riesigen Kronen der Kastanienbäume, die mitten im Raum zu stehen scheinen und die zwischen sich nun den unvermuteten Prospekt von Villa und See präsentieren. Oberes und unteres Foyer werden von derselben, über die Glasfassaden auskragenden Dachplatte überdeckt. Im Bereich des unteren Foyers und des anschließenden Forums, des großen Saales, wird die Decke jedoch von mächtigen Holz-Leimbindern getragen, die ohne Unterstützung und mit gleichbleibendem Querschnitt über die Glaswände hinweg in den Außenraum vorstoßen.

Was man vom Foyer aus sieht, ist Erde, Kies, Stein, Gras, Laub, Stämme, Äste, Wasser, Luft. Das Foyer selbst ist im wesentlichen aus der technischen Transformation dieser Stoffe gebaut: Terrazzo, Beton, Glas und – Schichtholz. Vor allem diese mächtigen Träger sind nun keineswegs selbstverständlich. Der besondere Ort rechtfertigt aber das gestalterische Extrem, dessen konstruktive Komplexität hintergründig bleibt, da sie dem Erreichen einer spezifischen, dem Konstruktiven übergeordneten Wirkung dient. Die Träger überspannen wie gesagt nur die hohen Räume – unteres Foyer und Forum; diese funktionell zentralen Bereiche liegen beiderseits einer raumhältigen Betonwand, die das statische Rückgrat des ganzen Seminartraktes bildet. Im niedrigeren Annex, dem oberen Foyer, wäre zwar dieselbe Spannweite der Auskragung gegeben. Hohe Träger hätten dort aber die Raumproportion erdrückt. Zudem liegen in diesem Abschnitt auf der anderen Seite der Beton-achse nur untergeordnete, kleinteilige Räume.

Das obere Foyer hat generell eine andere, weniger dynamische Wechselwirkung mit dem Park, auch die Glasteilung (und Möblierung) ist hier anders als im unteren Foyer, das sozusagen in voller Höhe und über Eck den Dialog zwischen Innen und Außen exklusiv inszeniert. Die großen Balken geben dort dem hohen, der Weite des Umraums voll ausgesetzten Raum den entsprechenden Rhythmus und Halt. Sie bilden ein Gegengewicht zum dunklen Beton-Monolith der Mittelwand, sie erzeugen einen mächtigen horizontalen Sog zwischen Drinnen und Draußen und ermöglichen die fast entmaterialisierte, stützenfreie Glaswand und Glasecke. Die vorgespannten Holzbalken erstrecken sich in einem Stück über Forum und Foyer, liegen auf der Mittelwand auf, kragen am Foyer 13 m weit aus, wobei hier die Profile der Verglasung als Zugbänder das Ganze wieder nach unten verspannen, während beim Forum runde Stahlstützen im Luftraum der dort zweischaligen Verglasung die Balken abspannen, dort aber auch Druckkräfte aufnehmen können.

Das Ganze wäre wohl prinzipiell auch in Beton denkbar gewesen. Warum also Holz? Auch wenn Holz größere Dimensionen erfordert, wirkt es optisch leichter. Und Masse war bei dieser Raumkonstellation kein Nachteil, sondern gestalterisch erwünscht. Die Holzträger belassen auch die Beton-Rückwand und den mit Zement gebunden Terrazzo des Bodens in ihrer jeweiligen Autonomie, schaffen ein lebhaftes Spiel zwischen den unterschiedlichen statischen Primärelementen, zwischen vertikal und horizontal, zwischen Wand und Balken, zwischen dem isotrop Gegossenen und dem homogen Geschichteten, zwischen dem ruhig Stehenden und dem gespannt Darübergelegten.

Weiters war mit Holz der thermische Übergang beim Vordach viel einfacher und eleganter lösbar und konnten die Balkenuntersichten im Saal akustisch und optisch pur in dem dort noch anspruchsvolleren Raumcharakter mitspielen. Und schließlich: Veranden zum Garten sind im kollektiven Gedächtnis immer noch als Holzvorbauten mit großen Glasfenstern abgespeichert. Meili&Peter rühren vielleicht an diese Erinnerung. Der Typus ist jedoch vollkommen neu dargestellt und unsentimental in die Wirkung modernster Holzbautechnologie übergeführt, wo flächige Schichtungen, Vorfertigung enormer Teile und statische Ausreizung mit Vorspannung und dergleichen eine ganz neue Grammatik des Materials und seiner Ausstrahlung erzeugen.

Und zu allerletzt, im Hinblick auf die vorhin erwähnte asymmetrische Spiegelung der Stofflichkeit zwischen Umraum und Veranda: Wäre nicht auch denkbar, die großen Holzträger als das stofflich entsprechende, technisch und tektonisch transformierte Rahmenwerk für das damit aufbereitete Bild der mächtigen Kastanienstämme zu verstehen?

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Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

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