Bauwerk

Einfamilienhaus H. - Umbau
Neururer & Neururer - Baden (A) - 2002
Einfamilienhaus H. - Umbau, Foto: Pez Hejduk
Einfamilienhaus H. - Umbau, Foto: Pez Hejduk

Mit italienischer Grandezza

Glasvorbau und Dachgeschoß machten ein Jahrhundertwende- Sommerhaus in Baden zu dem, was es immer sein wollte: zu einer Villa.

17. November 2003 - Isabella Marboe
Auf der Suche nach einem Urlaubsdomizil fiel der Blick von Kaiser Franz I. wohlwollend aufs nahe Baden, das er sich mit Gefolge zur Sommerresidenz erkor. Und alles, was Rang und Namen hatte, von der Hocharistokratie bis zur mondänen Kunstwelt, folgte. Als dann auch noch die Südbahn kam, avancierte Baden zum Nobelkurort. Ein repräsentativer Sommersitz gehörte damals zum guten Ton, prächtige Villen entstanden.

Gleich beim Strandbad ließ sich der Urgroßonkel des Bauherrn 1894 von Stadtbaumeister Hugo Zimmermann die „Villa Altmann“ in der Helenenstraße bauen. Im losen Baumbestand der Gärten reiht sich hier ein Prachtbau an den nächsten. Doch der Junggeselle, der mit „Charlotte Wolter, der größten Tragödin der Welt“ Umgang pflegte, konnte sich den geplanten Palazzo nicht ganz leisten: Rustika-Sockel, Mittelrisalit mit Tempelfassade und Pilaster können nicht kaschieren, dass ein Geschoß fehlt. Und so wirkte die Villa neben den noblen Nachbarn etwas unbeholfen.

1992 erbte der Bauherr das Haus. Das erste Kind war da, die Villa desolat. Der Keller war schimmlig, die Veranda morsch, Bad, Heizung und Elektroinstallationen fehlten. Trotzdem zog man ein, legte das Haus trocken und baute eine Nasszelle. 1999, das dritte Kind war unterwegs, lernte der Bauherr Alois und Elena Neururer kennen. Er bat sie, sich die Veranda anzusehen. Doch nicht nur sie, auch das Dach war ein Sanierungsfall. Die Architekten schlugen vor, neu aufzustocken, um der Villa endlich die Proportion zu geben, die sie zum Palazzo adelt. Zur Minderung der Finanzlast wurde die Stiege durch Glaswände abgetrennt. So ist das Dachgeschoß separat vermietbar, ein gartenseitig vorgesetzter Balkon und das transparente Entree lassen Helligkeit aus dem Innern ins Treppenhaus fluten.

Der raffinierte Aufbau verleiht der Villa italienische Grandezza. In der geforderten acht Meter Traufhöhe schwebt er leicht als umlaufendes Glasband überm historistischen Gesims. Zart kragt das neue Blechdach ein Meter aus, der denkmalpflegebedingte Anstieg dahinter ist nicht zu sehen.


Panoramablick

Die neue Konstruktion durfte nicht mehr wiegen als das alte Walmdach. Zwölf schmale Stahlsäulen auf der Außenmauer tragen die flache Innendecke, die - indirekt vom Rand beleuchtet - zu schweben scheint. Die Heizung wurde ins Parapet integriert, nichts stört den Panoramablick über Baden.

Als reizvoller Kontrast wirkt der massive Risalit-Aufbau, in dem die Küche sitzt. Im Südosten liegt der große Wohnraum mit Zugang auf den neuen Balkon, gegenüber sind Bad und zwei Zimmer mit Abendsonne angeordnet.

Man betritt die Villa gartenseitig im Mittelrisalit oder über die Außentreppe durch den neuen Glaszubau: Er wird zur nahtlosen Erweiterung der Küche ins Grüne. Das Herz des Hauses, wo gekocht wird und alle sitzen, war früher nur übers Nordost-Seitenfenster belichtet, die alte, kalte Veranda verkam zum Windfang. Das neue raumhohe Übereck-Panoramafenster verwandelt die Küche zum hellsten Raum. Man fühlt sich wie mitten im Garten, so elegant und praktisch lassen sich zwei Fenster zum Rauslehnen und Lüften öffnen. Im schmalen Raum neben der Stiege sind geschickt WC und Bad eingefügt. Das neue Fenster lässt ins Freie blicken, die Wand hinter der Wanne ist schräg. Sie gibt dem Bett im Elternschlafzimmer dahinter ein Rückgrat, eine neue Nische in der tragenden, massiven Mittelwand schenkt dem Kasten Raum. Statt auf schwerem Rustika-Stein thront der transparente Küchenzubau auf einem Sichtbetonsockel mit Tür zum Keller.

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