Bauwerk
Park der Magischen Wasser
- Bad Oeynhausen (D) - 2000
Im Schlund des Wasserdrachen
1. Dezember 2003 - Udo Weilacher
Die Warnungen vor dem Abstieg in den geheimnisvollen grünen Krater und vor dem Eindringen in die scheinbar unendliche Tiefe des steinernen Schlundes waren eindringlich. Aber der Drang, den Ursachen der rätselhaften Eruptionen auf den Grund zu gehen, war einfach unwiderstehlich. Als die Kinder den versunkenen Kratergarten durchquert hatten und schliesslich 18 Meter unter der Erde auf einen rätselhaften, kreisrunden, ruhigen Wasserspiegel trafen, war es schon zu spät. Unheimliches Donnern aus der Unterwelt, Lichtblitze, und plötzlich begann die Wasseroberfläche zu brodeln das verhiess nichts Gutes. Doch der Weg zurück ans Tageslicht war einfach zu lang.
Die Geschichte von Aqua Magica, dem Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen), begann vor Tausenden von Jahren, als tektonische Kräfte die Erdoberfläche und damit nicht nur das Gesicht der Landschaft formten. In der Tiefe entstanden jene Verwerfungslinien, aus denen bis heute salzhaltiges Wasser an die Oberfläche dringt, das als Nährlösung für das wirtschaftliche Wachstum der Region diente. 1745 wurde in Bad Oeynhausen die erste Salzquelle entdeckt, was den Anstoss zum Bau von Salzwerken und zur Entwicklung einer prosperierenden Salzindustrie gab. Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem die therapeutische Heilwirkung des Thermalsolewassers entdeckt worden war, setzte die Entwicklung der Kurbetriebe in der Region Ostwestfalen-Lippe ein.
Nach der Blüte des Kurbetriebes sanken am Ende des 20. Jahrhunderts, mit der Strukturkrise des Gesundheitswesens, die Besucherzahlen in den Kurorten; die Auslastung der zahlreichen Gesundheitszentren und Kurkliniken nahm stark ab, und man beschloss, der Region mit einer Landesgartenschau im Jahr 2000 neue Impulse zu geben.
Als Sieger aus einem 1997 durchgeführten freiraumplanerischen Werkstattverfahren ging das Pariser Landschaftsarchitekturbüro Agence Ter hervor. Henri Bava und Olivier Philippe verfolgten mit ihrem Entwurf «Aqua Magica» für das 35 Hektaren grosse Gelände zwischen den Städten Bad Oeynhausen und Löhne das Ziel, die zwei unsichtbaren Verwerfungslinien und die unterirdischen Wasserkräfte sinnlich erlebbar zu machen mit vernebelten Steinbändern, einer Allee des Weltklimas, heimischen Blütengärten, Sprüh- und Wassergärten.
Ein kleiner, aber zentraler Teil der Parkanlage ist der Wasserkrater, der selbst Jahre nach dem Ende der Gartenschau die Besucherinnen und Besucher noch immer in seinen magischen Bann zieht. Auf ihrem Weg über eine baumlose Wiese stehen sie unvermittelt am Rand des kreisrunden Kraters, der geschickt auf einer Anhöhe positioniert ist; seine Wände sind mit niedrigwüchsigen Weidenarten unterschiedlicher Grünschattierungen bepflanzt. Die strauchartig wachsenden, drei Meter hohen Kupfer-Felsenbirnen, die den Grund der Senke einheitlich bewalden, ragen mit ihren Kronen nicht über den Kraterrand hinaus, wodurch das Massstabsempfinden gezielt verändert wird. Unweigerlich hat man den Eindruck, über die Kronen grosser Bäume hinweg einen weitläufigen Kratergrund zu überblicken.
In der Mitte wird das Kronendach von einem riesig anmutenden Kratertopf überragt, dessen rostrote Corten-Stahlwände sich kontrastreich von der grünen Umgebung abheben. Zwei schmale Eingänge, von schweren Stahltoren verschlossen, versprechen den Zutritt zum Topf, der im Inneren mit Drahtschotterkörben ausgekleidet ist, die an die isolierende Schamottverkleidung in Öfen erinnern.
Die Neugierde ist geweckt: Welcher bedrohliche Saurier wird hinter diesen dicken Mauern am Grunde der verlorenen Welt im Krater wohl gefangen gehalten? Über eine steile Treppe oder eine versteckt angelegte Rampe erreicht man den Kraterboden und taucht zunächst in eine versunkene, stille Gartenwelt ein. Die Felsenbirnen wachsen zwischen langen schmalen Betonbändern, die in der Formation schwimmender Baumstämme den Kratertopf umkreisen. Abwechslungsreiche Farn- und Schattenstaudenpflanzungen bilden einen sattgrünen Teppich, den man auf den Betonstreifen fast balancierend durchquert, bis man schliesslich eines der grossen Stahltore durchschreitet und die stählerne Plattform betritt, die das zentrale Bohrloch fasst.
Wasser tropft von den Gabionen-Wänden des Schachtes auf die stählerne Wendeltreppe bis hinunter in das Schattenreich der Schachtsohle. Der Klang tropfenden Wassers hallt aus der Tiefe.
Dort unten, auf der untersten Plattform, stehen die Kinder am Geländer. Gebannt starren sie auf den kreisrunden schwarzen Wasserspiegel, der plötzlich zu explodieren scheint: 35 Meter hoch schiesst eine eineinhalb Meter breite, schäumende Wassersäule brodelnd durch den Schacht dem Licht entgegen, über den Kraterrand hinaus in den Himmel. Plötzlich fällt sie wieder in sich zusammen, hüllt die Kinder und alles um sie herum in einen dichten Wassernebel, den die Sonnenstrahlen mystisch durchdringen und zum Leuchten bringen.
Immer wieder, in unerwarteten Abständen und unterschiedlichen Intensitäten und Rhythmen, wiederholt sich das wasser-, licht- und klangtechnisch perfekt inszenierte Spektakel in der Tiefe. Es begeistert die verblüfften Zuschauer und setzt bildgewaltige Assoziationen frei: Rund um den Wasserkrater, im ruhigen Schatten des idyllischen Felsenbirnenhains, der gelegentlich von einem Wasserhauch durchweht wird, erzählt man sich Geschichten von Geysiren in entlegenen Weltregionen, von Vulkaneruptionen, von Drachenfontänen in berühmten Barockgärten, von blasenden Walen in den Meeren, Tiefbrunnen in der Wüste und magischen Quellen in zahllosen Märchen.
«Gärten, Parkanlagen und Plätze sollen von ihrer Geschichte erzählen, sie sollen aber auch neue Geschichten erzählen. Sie sind poetische Orte unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft», schrieb der Zürcher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast einmal und formulierte damit eines der wichtigsten Kriterien zur Gestaltung guter Gärten.
Der versunkene Garten mit Wasserkrater von Agence Ter in Bad Oeynhausen erzählt auf ästhetische, landschafts- und gartenarchitektonisch versierte Weise auf begrenztem Raum nicht nur eine Geschichte von der Magie des unterirdischen Wassers, dem eine ganze Region seine Identität verdankt.
Mit archetypischen Garten- und Landschaftselementen wie dem kreisrunden Kraterkessel, dem verschwiegenen Hain, dem Schattengarten, dem hortus conclusus, dem Höllenschlund und tiefen Brunnenschacht oder der wilden Fontäne knüpfen die Landschaftsarchitekten an uralte Idealbilder an und verführen die Besucher, die Gedanken schweifen zu lassen zurück in die Gärten, in denen die Geschichtenerzähler die Zuhörer in ihren Bann schlugen.
Dem Garten als Ort der Geschichten gehören Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Die Geschichte von Aqua Magica, dem Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen), begann vor Tausenden von Jahren, als tektonische Kräfte die Erdoberfläche und damit nicht nur das Gesicht der Landschaft formten. In der Tiefe entstanden jene Verwerfungslinien, aus denen bis heute salzhaltiges Wasser an die Oberfläche dringt, das als Nährlösung für das wirtschaftliche Wachstum der Region diente. 1745 wurde in Bad Oeynhausen die erste Salzquelle entdeckt, was den Anstoss zum Bau von Salzwerken und zur Entwicklung einer prosperierenden Salzindustrie gab. Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem die therapeutische Heilwirkung des Thermalsolewassers entdeckt worden war, setzte die Entwicklung der Kurbetriebe in der Region Ostwestfalen-Lippe ein.
Nach der Blüte des Kurbetriebes sanken am Ende des 20. Jahrhunderts, mit der Strukturkrise des Gesundheitswesens, die Besucherzahlen in den Kurorten; die Auslastung der zahlreichen Gesundheitszentren und Kurkliniken nahm stark ab, und man beschloss, der Region mit einer Landesgartenschau im Jahr 2000 neue Impulse zu geben.
Als Sieger aus einem 1997 durchgeführten freiraumplanerischen Werkstattverfahren ging das Pariser Landschaftsarchitekturbüro Agence Ter hervor. Henri Bava und Olivier Philippe verfolgten mit ihrem Entwurf «Aqua Magica» für das 35 Hektaren grosse Gelände zwischen den Städten Bad Oeynhausen und Löhne das Ziel, die zwei unsichtbaren Verwerfungslinien und die unterirdischen Wasserkräfte sinnlich erlebbar zu machen mit vernebelten Steinbändern, einer Allee des Weltklimas, heimischen Blütengärten, Sprüh- und Wassergärten.
Ein kleiner, aber zentraler Teil der Parkanlage ist der Wasserkrater, der selbst Jahre nach dem Ende der Gartenschau die Besucherinnen und Besucher noch immer in seinen magischen Bann zieht. Auf ihrem Weg über eine baumlose Wiese stehen sie unvermittelt am Rand des kreisrunden Kraters, der geschickt auf einer Anhöhe positioniert ist; seine Wände sind mit niedrigwüchsigen Weidenarten unterschiedlicher Grünschattierungen bepflanzt. Die strauchartig wachsenden, drei Meter hohen Kupfer-Felsenbirnen, die den Grund der Senke einheitlich bewalden, ragen mit ihren Kronen nicht über den Kraterrand hinaus, wodurch das Massstabsempfinden gezielt verändert wird. Unweigerlich hat man den Eindruck, über die Kronen grosser Bäume hinweg einen weitläufigen Kratergrund zu überblicken.
In der Mitte wird das Kronendach von einem riesig anmutenden Kratertopf überragt, dessen rostrote Corten-Stahlwände sich kontrastreich von der grünen Umgebung abheben. Zwei schmale Eingänge, von schweren Stahltoren verschlossen, versprechen den Zutritt zum Topf, der im Inneren mit Drahtschotterkörben ausgekleidet ist, die an die isolierende Schamottverkleidung in Öfen erinnern.
Die Neugierde ist geweckt: Welcher bedrohliche Saurier wird hinter diesen dicken Mauern am Grunde der verlorenen Welt im Krater wohl gefangen gehalten? Über eine steile Treppe oder eine versteckt angelegte Rampe erreicht man den Kraterboden und taucht zunächst in eine versunkene, stille Gartenwelt ein. Die Felsenbirnen wachsen zwischen langen schmalen Betonbändern, die in der Formation schwimmender Baumstämme den Kratertopf umkreisen. Abwechslungsreiche Farn- und Schattenstaudenpflanzungen bilden einen sattgrünen Teppich, den man auf den Betonstreifen fast balancierend durchquert, bis man schliesslich eines der grossen Stahltore durchschreitet und die stählerne Plattform betritt, die das zentrale Bohrloch fasst.
Wasser tropft von den Gabionen-Wänden des Schachtes auf die stählerne Wendeltreppe bis hinunter in das Schattenreich der Schachtsohle. Der Klang tropfenden Wassers hallt aus der Tiefe.
Dort unten, auf der untersten Plattform, stehen die Kinder am Geländer. Gebannt starren sie auf den kreisrunden schwarzen Wasserspiegel, der plötzlich zu explodieren scheint: 35 Meter hoch schiesst eine eineinhalb Meter breite, schäumende Wassersäule brodelnd durch den Schacht dem Licht entgegen, über den Kraterrand hinaus in den Himmel. Plötzlich fällt sie wieder in sich zusammen, hüllt die Kinder und alles um sie herum in einen dichten Wassernebel, den die Sonnenstrahlen mystisch durchdringen und zum Leuchten bringen.
Immer wieder, in unerwarteten Abständen und unterschiedlichen Intensitäten und Rhythmen, wiederholt sich das wasser-, licht- und klangtechnisch perfekt inszenierte Spektakel in der Tiefe. Es begeistert die verblüfften Zuschauer und setzt bildgewaltige Assoziationen frei: Rund um den Wasserkrater, im ruhigen Schatten des idyllischen Felsenbirnenhains, der gelegentlich von einem Wasserhauch durchweht wird, erzählt man sich Geschichten von Geysiren in entlegenen Weltregionen, von Vulkaneruptionen, von Drachenfontänen in berühmten Barockgärten, von blasenden Walen in den Meeren, Tiefbrunnen in der Wüste und magischen Quellen in zahllosen Märchen.
«Gärten, Parkanlagen und Plätze sollen von ihrer Geschichte erzählen, sie sollen aber auch neue Geschichten erzählen. Sie sind poetische Orte unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft», schrieb der Zürcher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast einmal und formulierte damit eines der wichtigsten Kriterien zur Gestaltung guter Gärten.
Der versunkene Garten mit Wasserkrater von Agence Ter in Bad Oeynhausen erzählt auf ästhetische, landschafts- und gartenarchitektonisch versierte Weise auf begrenztem Raum nicht nur eine Geschichte von der Magie des unterirdischen Wassers, dem eine ganze Region seine Identität verdankt.
Mit archetypischen Garten- und Landschaftselementen wie dem kreisrunden Kraterkessel, dem verschwiegenen Hain, dem Schattengarten, dem hortus conclusus, dem Höllenschlund und tiefen Brunnenschacht oder der wilden Fontäne knüpfen die Landschaftsarchitekten an uralte Idealbilder an und verführen die Besucher, die Gedanken schweifen zu lassen zurück in die Gärten, in denen die Geschichtenerzähler die Zuhörer in ihren Bann schlugen.
Dem Garten als Ort der Geschichten gehören Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
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