Bauwerk

River and Rowing Museum
David Chipperfield - Henley-on Thames (GB) - 1998
River and Rowing Museum, Foto: Margherita Spiluttini
River and Rowing Museum, Foto: Margherita Spiluttini

Pfahlbauten am Themseufer

1. Februar 2000 - Roman Hollenstein
Die dunklen Schatten der High-Tech-Architektur liegen seit langem über der britischen Baulandschaft, so dass selbst eine Kultfigur wie die Londoner Dekonstruktivistin Zaha Hadid in England kaum Aufträge erhält. Der vermeintlich frische Wind von Tony Blairs New Labour jedenfalls hat die baukünstlerische Verkrustung bisher noch nicht aufgebrochen. Architektonische Wegmarken muss man deshalb auf dem Inselreich weiterhin mit der Lupe suchen.

Fündig wird man dann an so überraschenden Orten wie dem Themsestädtchen Henley, wo die Königin im November 1998 David Chipperfields River and Rowing Museum eröffnete. Mit diesem Ausstellungsbau am alljährlichen Austragungsort der legendären Royal Regatta konnte der 46jährige Londoner Architekt, der sich mit Bauten in Japan und Projekten für die Berliner Museumsinsel sowie das Grassi-Museum in Leipzig einen Namen machte, nicht nur seinen ersten grösseren Auftrag in England, sondern auch sein bisheriges Chef d'¦uvre realisieren.

Nähert man sich dem Museum von Osten durch das Wiesland, so tauchen zwischen Weiden und Pappeln zwei Giebel auf, die man leicht für Bootshäuser halten kann. Diese poetische Architektur protzt nicht mit ihrem innovativen Potential. Dabei versteht es Chipperfield wie kein anderer, Überliefertes zeitgemäss zu interpretieren, indem er es «im Detail neu umschreibt». Nach dem Studium an der angesehenen AA holte er sich sein Rüstzeug bei den High-Tech-Päpsten Foster und Rogers, gebrauchte es dann aber höchst unkonventionell. Getreu seinem Motto «more with less» strebt er nach einer sinnlichen Einfachheit von Material und Form, die sich dann letztlich aber doch zu komplexen Raumgebilden verdichtet.

Das Museum, das aus zwei parallel angeordneten, über eine Passerelle mit einem Annexbau verbundenen Ausstellungstrakten besteht, antwortet auf die natürlichen Gegebenheiten der am Rande des historischen Städtchens Henley sich ausbreitenden Flussauen, indem es sich - ähnlich wie Glenn Murcutts australische Verandahäuser - auf Pfeilern über das Marschland erhebt. Es beschwört so die Idee der Urhütte und verweist auf Pfahlbauten, kann aber auch als metaphorische Anspielung auf die hier im Sommer üblichen Regatta-Zelte gelesen werden. Dennoch kommt es ganz ohne historisierende Zitate aus: anders als Terry Farrells postmodernes Meisterwerk, das etwas flussabwärts im Herzen von Henley gelegene, aber auf die alten Landsitze am Fluss Bezug nehmende Regatta-Hauptquartier von 1985.

Der von den Pilotis knapp einen Meter über das Sumpfland gestemmte Eingangsbereich, den man von den Uferwiesen her auf einer schmalen Brücke, vom Parkplatz aus auf einer Treppe oder Rampe erreicht, ist völlig verglast. Über dem durchsichtigen Fensterband scheinen zwei mit Eichenbrettern verkleidete Galerieaufsätze - die Gesetze der Schwerkraft auf den Kopf stellend - wie umgedrehte Ruderboote zu schweben. Damit wird aber schon von aussen die innere Aufteilung ersichtlich. Rechts vom Eingang befindet sich das Museumsrestaurant, das sich durch die Glasfront auf eine japanisch anmutende Holzplattform öffnet. Geradeaus erreicht man die Kasse, den Museumsshop und die Temporärgalerie, in der zurzeit eine kleine Chipperfield-Schau zu sehen ist.

Durch das Treppenhaus, das diskret auf die Raumsequenzen von John Soane verweist, steigt man hinauf zu den 36 und 48 Meter langen Oberlichtsälen. Vor der Ausstattung durch Land Design Studio erinnerten sie noch deutlich an Louis Kahns Galerien im Kimbell Art Museum. Obwohl die Raumwirkung nun durch Einbauten und Exponate, die die Geschichte des Flusses, der Stadt Henley und des Rudersports anschaulich illustrieren, etwas beeinträchtigt ist, lässt sich das Spiel mit Licht und Sicht noch immer nachvollziehen - dank gezielten, als Teil der Präsentation inszenierten Ausblicken auf die Auenlandschaft und den Fluss. Die ebenfalls an Kahn geschulte Unterteilung in dienende und bediente Teile lässt zudem parallele Gebäudeschichten und Achsen entstehen, wie man sie von Chipperfields japanischen Bauten oder von seinem «Wagamama»-Restaurant im Londoner In-Quartier Soho kennt.

Anders als bei den oft coolen Häusern der neunziger Jahre manifestiert sich in diesem unorthodoxen Museumsbau ein aus dem Entwurfsprozess gewachsenes Zusammenklingen von Ratio und Sentiment. Nicht zuletzt dadurch wird diese vielschichtige Architektur, in der man das Abbild einer demokratisch und ökologisch ausgerichteten Baukunst der Zukunft zumindest erahnen kann, zum Ereignis.

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