Bauwerk
Fachhochschule - Erweiterung
Ingrid Burgdorf, Barbara Burren - Rapperswil (CH) - 1999
Starke Körper präzise gesetzt
Eine Schule von Ingrid Burgdorf und Barbara Burren
1. Oktober 1999 - J. Christoph Bürkle
Wenn zwei Architektinnen kurz nach dem Studium einen Wettbewerb für ein grösseres öffentliches Gebäude gewinnen, ist das an sich schon ungewöhnlich. Um so bemerkenswerter, wenn es sich dabei um die Erweiterung einer Hochschule handelt, die mit ihrer technischen Ausrichtung noch immer männlich dominiert ist. Gemeint ist die Hochschule in Rapperswil, die zwischen 1991 und 1999 von Ingrid Burgdorf und Barbara Burren mit zwei separaten Gebäuden um fast das Doppelte ihrer ursprünglichen Grösse erweitert wurde. Die bestimmende Frage war für die Architektinnen zunächst, wie sie auf die bestehenden Gebäude und die Umgebung reagieren sollten. Da ist die Lage der Hochschule nahe beim Bahnhof Rapperswil mit Blick auf das Schloss und die Altstadt. Auf der anderen Seite besteht ein direkter Seeanstoss. Die schilfbewachsene Uferlandschaft erforderte eine behutsame Integration der neuen Volumen. Dazu kamen die Gebäude von Paul Tittel, deren Stahl-Glas-Architektur das rationale Raster einer Mies-van-der-Rohe-Begeisterung auslebt. Burgdorf und Burren entwarfen zwei prismatische Baukörper, die formal auf die bestehenden Bauten reagieren, aber weder mit diesen noch untereinander verbunden sind.
Die Beharrlichkeit der Architektinnen hat sich gelohnt. Die Gebäude bilden eine sinnvolle Einheit und bleiben zugleich autonome Solitäre, die sich vom übrigen klar absetzen und nicht von überdachter Wegearchitektur oder verbindenden Annexen hierarchisiert werden. Beide Gebäude sind so placiert, dass sie in einer L-Form zum diagonal verlaufenden Gleiskörper stehen und zugleich die orthogonale Anordnung der bestehenden Gebäude weiterführen. Das Foyergebäude öffnet sich mit der Bibliotheksseite zur Stadt und zum Schloss, wodurch sehr schöne und helle Arbeitsplätze entstanden sind. Zum See nimmt die Gebäudehöhe ab. Das neue Schulgebäude ist zweigeschossig und versetzt angeordnet, damit der Blick vom neuen Foyergebäude nicht beeinträchtigt wird. So mäandrieren die Pavillons harmonisch in der Landschaft und sind doch präzise gesetzt.
Der neue Gebäudekomplex tritt in einen dialektischen Dialog mit dem alten: beides sind Skelettbauten. Weist der Altbau ein modulares Raster auf, aus dem sich die horizontale und vertikale Struktur ergibt, «entflechten» Burgdorf und Burren die Rasterstruktur der Neubauten. Die alternierenden, vertikalen Fensterbänder erscheinen unregelmässig, die Geschosse sind verschieden hoch, und die unterschiedlich geschnittenen Brüstungsverkleidungen versagen sich dem Raster.
Die nähere Betrachtung der beiden neuen Gebäude - das eine beherbergt Bibliothek und Hörsäle, das andere Büro- und Seminarräume - lässt das Bemühen der Architektinnen spüren, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem am Ort Vorhandenen und dem, was ihn in Zukunft prägen soll. Es ging aber auch darum, Assoziationen an vertraute Strukturen zu vermitteln und zugleich eine neue Wirklichkeit zu schaffen. Das ist nicht wenig, doch das Engagement der jungen Architektinnen entschädigt den Auslober für das Unbehagen über deren relative Unerfahrenheit. Er profitiert von der präzisen Planungsarbeit und der überaus sorgfältigen Detaillierung, die mittlerweile zu einem Markenzeichen der jungen Deutschschweizer Architektur geworden ist.
Trotz ganz unterschiedlichen Innenraumaufteilungen sind die Gebäude aussen nahezu identisch. Klassische curtain-wall-Fassaden und vertikale Glasbänder, die von Storen rundum geschlossen werden können, bestimmen das Bild. Nur vor den innenliegenden Stützen wurde auf Storen verzichtet, so bleibt das konstruktive Raster immer sichtbar. Die bronzenen Rahmen nobilitieren das schlichte Gewand. Besonderer Clou sind die vertikalen Glasstreifen zwischen Wand und Storenführungen. Sie dienen nicht nur zur Aussteifung, sondern auch zur Vermeidung der optischen Schwere, die durch die additive Häufung der Storen sonst entstanden wäre. Zudem halten sie die curtain-wall «faltenfrei». Einzige horizontale Zäsuren sind die vorgezogenen Dachüberstände sowie Brüstungs- und Geschossdeckenbänder.
So einheitlich sich die neuen Gebäude von aussen präsentieren, so unterschiedlich ist die Raumeinteilung im Inneren. Sinnfällig steht das Foyergebäude im Mittelpunkt der Gesamtanlage. Während der offene Foyercharakter das Gebäude mit Aufenthaltsräumen und Gängen entlang der Fassade dominiert, verdichten sich die Räume zur Mitte hin. In diesem zentralen Körper befinden sich unten die Hörsäle und darüber die Bibliothek, die mittels Sheddächern belichtet wird. Die Hörsäle haben demzufolge kein Tageslicht; der Konzentration während der Vorlesung im geschlossenen Raum folgt die Pause im vollständig nach aussen sich öffnenden Foyer. Bei der Auswahl von Materialien und Farben wurde auf Einfachheit und Gediegenheit geachtet. Die Stützen sind aus einfachem Schleuderbeton; durch die dunkelgraue Einfärbung und die gerundeten Ecken wirken sie doppelt geadelt. Die einfachen Neonröhren auf den Säulen verleihen dem Raum am Abend den Eindruck einer minimalistischen Inszenierung. Auch der geschliffene Hartbetonboden bekommt durch einen gelblichen Lehmton Terrazzoqualität - bei der Hälfte des Preises. Alle Farben sind dezent grau und schwarz gehalten.
Im neuen Ausbildungsgebäude sind die Volumen ganz anders festgelegt: Die geschlossenen Räume liegen an den Aussenseiten, während der Kern offen angelegt ist. Dadurch ergibt sich für diesen dem See zugewandten Pavillon ein mit dem Aussenraum in Beziehung tretender Dialog. Der asymmetrisch gesetzte Eingang geht über in eine zentrale zweigeschossige Halle, die das Gebäude vertikal in zwei Bereiche gliedert. Hinter der Halle kann das Gebäude aber auch gleich wieder verlassen werden: Es schliesst sich der Gartenhof an, ein Raum zum Feiern oder Verweilen mit Zugang zum See. Durch die vier schlanken, hohen Stützen, die das innere Stützenraster fortsetzen, erhält dieser innenliegende Aussenraum ungewöhnliche Proportionen, die an die Bauten von Erik Gunnar Asplund erinnern.
Die Erweiterungsbauten der Hochschule Rapperswil sind ein beachtlicher Einstieg von Ingrid Burgdorf und Barbara Burren. Die Bausumme von rund 50 Millionen Franken, davon 30 Millionen Gebäudekosten, sind gut angelegt. Die Pavillons vermitteln jene Campus-Atmosphäre, die in Rapperswil bisher fehlte.
Die Beharrlichkeit der Architektinnen hat sich gelohnt. Die Gebäude bilden eine sinnvolle Einheit und bleiben zugleich autonome Solitäre, die sich vom übrigen klar absetzen und nicht von überdachter Wegearchitektur oder verbindenden Annexen hierarchisiert werden. Beide Gebäude sind so placiert, dass sie in einer L-Form zum diagonal verlaufenden Gleiskörper stehen und zugleich die orthogonale Anordnung der bestehenden Gebäude weiterführen. Das Foyergebäude öffnet sich mit der Bibliotheksseite zur Stadt und zum Schloss, wodurch sehr schöne und helle Arbeitsplätze entstanden sind. Zum See nimmt die Gebäudehöhe ab. Das neue Schulgebäude ist zweigeschossig und versetzt angeordnet, damit der Blick vom neuen Foyergebäude nicht beeinträchtigt wird. So mäandrieren die Pavillons harmonisch in der Landschaft und sind doch präzise gesetzt.
Der neue Gebäudekomplex tritt in einen dialektischen Dialog mit dem alten: beides sind Skelettbauten. Weist der Altbau ein modulares Raster auf, aus dem sich die horizontale und vertikale Struktur ergibt, «entflechten» Burgdorf und Burren die Rasterstruktur der Neubauten. Die alternierenden, vertikalen Fensterbänder erscheinen unregelmässig, die Geschosse sind verschieden hoch, und die unterschiedlich geschnittenen Brüstungsverkleidungen versagen sich dem Raster.
Die nähere Betrachtung der beiden neuen Gebäude - das eine beherbergt Bibliothek und Hörsäle, das andere Büro- und Seminarräume - lässt das Bemühen der Architektinnen spüren, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem am Ort Vorhandenen und dem, was ihn in Zukunft prägen soll. Es ging aber auch darum, Assoziationen an vertraute Strukturen zu vermitteln und zugleich eine neue Wirklichkeit zu schaffen. Das ist nicht wenig, doch das Engagement der jungen Architektinnen entschädigt den Auslober für das Unbehagen über deren relative Unerfahrenheit. Er profitiert von der präzisen Planungsarbeit und der überaus sorgfältigen Detaillierung, die mittlerweile zu einem Markenzeichen der jungen Deutschschweizer Architektur geworden ist.
Trotz ganz unterschiedlichen Innenraumaufteilungen sind die Gebäude aussen nahezu identisch. Klassische curtain-wall-Fassaden und vertikale Glasbänder, die von Storen rundum geschlossen werden können, bestimmen das Bild. Nur vor den innenliegenden Stützen wurde auf Storen verzichtet, so bleibt das konstruktive Raster immer sichtbar. Die bronzenen Rahmen nobilitieren das schlichte Gewand. Besonderer Clou sind die vertikalen Glasstreifen zwischen Wand und Storenführungen. Sie dienen nicht nur zur Aussteifung, sondern auch zur Vermeidung der optischen Schwere, die durch die additive Häufung der Storen sonst entstanden wäre. Zudem halten sie die curtain-wall «faltenfrei». Einzige horizontale Zäsuren sind die vorgezogenen Dachüberstände sowie Brüstungs- und Geschossdeckenbänder.
So einheitlich sich die neuen Gebäude von aussen präsentieren, so unterschiedlich ist die Raumeinteilung im Inneren. Sinnfällig steht das Foyergebäude im Mittelpunkt der Gesamtanlage. Während der offene Foyercharakter das Gebäude mit Aufenthaltsräumen und Gängen entlang der Fassade dominiert, verdichten sich die Räume zur Mitte hin. In diesem zentralen Körper befinden sich unten die Hörsäle und darüber die Bibliothek, die mittels Sheddächern belichtet wird. Die Hörsäle haben demzufolge kein Tageslicht; der Konzentration während der Vorlesung im geschlossenen Raum folgt die Pause im vollständig nach aussen sich öffnenden Foyer. Bei der Auswahl von Materialien und Farben wurde auf Einfachheit und Gediegenheit geachtet. Die Stützen sind aus einfachem Schleuderbeton; durch die dunkelgraue Einfärbung und die gerundeten Ecken wirken sie doppelt geadelt. Die einfachen Neonröhren auf den Säulen verleihen dem Raum am Abend den Eindruck einer minimalistischen Inszenierung. Auch der geschliffene Hartbetonboden bekommt durch einen gelblichen Lehmton Terrazzoqualität - bei der Hälfte des Preises. Alle Farben sind dezent grau und schwarz gehalten.
Im neuen Ausbildungsgebäude sind die Volumen ganz anders festgelegt: Die geschlossenen Räume liegen an den Aussenseiten, während der Kern offen angelegt ist. Dadurch ergibt sich für diesen dem See zugewandten Pavillon ein mit dem Aussenraum in Beziehung tretender Dialog. Der asymmetrisch gesetzte Eingang geht über in eine zentrale zweigeschossige Halle, die das Gebäude vertikal in zwei Bereiche gliedert. Hinter der Halle kann das Gebäude aber auch gleich wieder verlassen werden: Es schliesst sich der Gartenhof an, ein Raum zum Feiern oder Verweilen mit Zugang zum See. Durch die vier schlanken, hohen Stützen, die das innere Stützenraster fortsetzen, erhält dieser innenliegende Aussenraum ungewöhnliche Proportionen, die an die Bauten von Erik Gunnar Asplund erinnern.
Die Erweiterungsbauten der Hochschule Rapperswil sind ein beachtlicher Einstieg von Ingrid Burgdorf und Barbara Burren. Die Bausumme von rund 50 Millionen Franken, davon 30 Millionen Gebäudekosten, sind gut angelegt. Die Pavillons vermitteln jene Campus-Atmosphäre, die in Rapperswil bisher fehlte.
[ Ingrid Burgdorf und Barbara Burren stellen ihre Arbeit am 6. Oktober um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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