Bauwerk
Direktorenhaus
Konrad Wachsmann - Niesky (D) - 1927
Technik und Gestaltung
Das «Direktorenhaus» von Konrad Wachsmann in Niesky
Konrad Wachsmann gilt als einer der Pioniere des industriellen Bauens. Von seinen beruflichen Anfängen zeugt neben dem Einsteinhaus auch ein Blockhaus, das er für die Firma Christoph & Unmack im schlesischen Niesky errichtete. Das Haus steht seit Jahren leer und verfällt, denn die Lage der Stadt am Ostrand von Sachsen schreckt potentielle Käufer ab.
13. Juli 1999 - Hubertus Adam
Eine Zeitungsnotiz begründete die internationale Karriere von Konrad Wachsmann: Die Stadt Berlin, so stand im Frühjahr 1929 zu lesen, wolle dem Nobelpreisträger Albert Einstein ein Landhaus schenken. Die Chuzpe des jungen Architekten Wachsmann, an der Tür des weltberühmten Physikers zu klingeln, zahlte sich aus; noch im gleichen Jahr entstand das hölzerne Sommerhaus in Caputh, einer kleinen Ortschaft am Templiner See südlich von Potsdam. Nicht zuletzt die Freundschaft mit Einstein war es, die es dem einer jüdischen Familie entstammenden Wachsmann ermöglichte, 1941 von Südfrankreich aus in die USA zu emigrieren. Dort konnte er sich als einer der einflussreichsten Protagonisten industriellen Bauens etablieren. Das in Zusammenarbeit mit Walter Gropius entwickelte «Packaged House System» für die «General Panel Corporation» kann dank seinem modularen Konzept als ein Markstein in der Geschichte der Präfabrikation angesehen werden; der Erfolg blieb dem Produkt indes verwehrt.
Musterstadt des Holzhausbaus
Im folgenden beschäftigte sich Wachsmann mit der Entwicklung von gewaltigen Raumfachwerken, Innovationen, die den architektonischen Strukturalismus der sechziger ebenso inspirierten wie die High-Tech-Architektur der siebziger Jahre. Seine Leidenschaft für Präfabrikation und automatisierten Hausbau wäre kaum denkbar ohne die Jahre, die er als Chefarchitekt der Firma Christoph & Unmack im schlesischen Niesky verbrachte - eine Arbeitsstelle, die ihm sein Lehrer Hans Poelzig 1926 vermittelt hatte. Die Entdeckung der Maschine, der Technologie und der Industrialisierung sei für ihn in Niesky zum Schlüsselerlebnis geworden, meinte Wachsmann rückblickend: «Ich begriff, dass die Geschichte des Handwerks ihr Ende gefunden hatte.»
Ähnlich abgelegen wie einst ist die jetzige Kreisstadt des niederschlesischen Oberlausitzkreises Niesky auch heute noch; hinter Dresden werden die Strassen leerer, der östlichste Teil Sachsens ist dünn besiedelt. Das aus einer Gründung der Herrnhuter Brüder hervorgegangene, durch uniforme klassizistische Fassaden und einen regelmässigen Grundriss geprägte Niesky besass in den zwanziger Jahren kaum 3000 Einwohner. Grösster Arbeitgeber war die Firma Christoph & Unmack, die zunächst Dampfkessel hergestellt hatte und im späten 19. Jahrhundert mit Lazarettbaracken reüssierte. Aus der Produktion von vorgefertigten Wohnhäusern (seit 1905) erwuchs der Firma ein neues Profil; als Wachsmann seinen Dienst antrat, galt Christoph & Unmack als grösste Holzbaufirma Europas.
Obwohl in den zwanziger Jahren eine Reihe von heute noch weitgehend erhaltenen Siedlungen entstanden, die Niesky zur Musterstadt für den standardisierten Holzbau machten, gelang es erst Wachsmann mit seinen Entwürfen, auf die bisher massgebliche vernakuläre Anmutung zu verzichten und eine den Konstruktionsprinzipien adäquate, schlichte Formensprache zu entwickeln. Sein Credo, die neue Methode der Holzbearbeitung müsse das äussere Gesicht des Bauwerks verändern und eine neue Form generieren, findet sich formuliert in der Einleitung zu der 1930 bei Ernst Wasmuth verlegten Publikation «Holzhausbau - Technik und Gestaltung», mit dem er seine Arbeit für Christoph & Unmack gleichsam bilanzierte. Gegliedert nach den drei üblichen Konstruktionsprinzipien - Fachwerkbau, Tafelbau und Blockbau -, sollte das Buch aufzeigen, «wie im Holz, im neuen Sinne mit neuen technischen Mitteln werkgerecht bearbeitet, die Wandlung der Anschauung über das Bauen sich widerspiegelt».
Ästhetik der Moderne
Allerdings entstand in Niesky selbst nur ein einziges Haus nach Wachsmanns eigenem Entwurf, das sogenannte Direktorenhaus, das für einen Direktor von Christoph & Unmack 1927 errichtet wurde. Der Architekt bediente sich der traditionell geprägten Blockbauweise aus horizontal geschichteten Bohlen - ein Verfahren, das nur einen vergleichsweise geringen Grad an Standardisierung erlaubte. Gleichwohl gelang es ihm, den eher rustikalen Eindruck des Blockbaus weitestgehend zu vermeiden und sein Gebäude der Ästhetik des Neuen Bauens anzunähern. Im Gegensatz zu herkömmlichen Blockhäusern lässt sich die Einteilung der Räume nicht am Äusseren ablesen, da die Wände nicht an der Fassade hervortreten, sondern in eine Nut der Aussenwand eingeschoben sind; dadurch behält die Fassade ihren gespannten, fast hautartigen Charakter, die präzise geschnittene Stereometrie des von einem steilen Walmdach gedeckten, zweigeschossigen Kubus wird akzentuiert. Bemerkenswert ist überdies die opulente Durchfensterung; die verstärkten Bohlen der Stürze überspannen Fensterbänder mit Weiten von bis zu sechs Metern.
Während der Zeit der DDR öffentlich genutzt, wurde das einstige Direktorenhaus nach der Wende an die Erben jenes Arztes übertragen, der es 1930 erworben hatte. Das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung, das den Erhalt des - von unpassenden Farbanstrichen der Sperrholzplatten im Inneren abgesehen - weitgehend unveränderten Bauwerks garantieren sollte, erwies sich als kontraproduktiv: angesichts der nötigen denkmalpflegerischen Renovierung fand sich kein Interessent, der die von den Eigentümern geforderten 500 000 Mark für Haus und Grundstück zu zahlen bereit war: Die Randlage Nieskys gilt als unüberwindlicher Standortnachteil. Selbst die Kommune sieht sich finanziell ausserstande, das kulturhistorisch bedeutendste Gebäude Nieskys zu kaufen. Der Plan, den Nachlass des Architekten zu erwerben und im Direktorenhaus ein Wachsmann-Zentrum einzurichten, war vor diesem Hintergrund lediglich eine schöne Illusion. Dass der seit bald zehn Jahren leerstehende Bau vom Vandalismus verschont blieb, ist glücklichen Umständen zuzuschreiben. Doch muss dringend eine Lösung gefunden werden, um den Verfall des Baudenkmals aufzuhalten. Denn neben dem Direktorenhaus in Niesky zeugt in Deutschland lediglich noch das Einsteinhaus in Caputh von dem Beginn einer grossen Architektenkarriere, die in den USA vollendet wurde.
Musterstadt des Holzhausbaus
Im folgenden beschäftigte sich Wachsmann mit der Entwicklung von gewaltigen Raumfachwerken, Innovationen, die den architektonischen Strukturalismus der sechziger ebenso inspirierten wie die High-Tech-Architektur der siebziger Jahre. Seine Leidenschaft für Präfabrikation und automatisierten Hausbau wäre kaum denkbar ohne die Jahre, die er als Chefarchitekt der Firma Christoph & Unmack im schlesischen Niesky verbrachte - eine Arbeitsstelle, die ihm sein Lehrer Hans Poelzig 1926 vermittelt hatte. Die Entdeckung der Maschine, der Technologie und der Industrialisierung sei für ihn in Niesky zum Schlüsselerlebnis geworden, meinte Wachsmann rückblickend: «Ich begriff, dass die Geschichte des Handwerks ihr Ende gefunden hatte.»
Ähnlich abgelegen wie einst ist die jetzige Kreisstadt des niederschlesischen Oberlausitzkreises Niesky auch heute noch; hinter Dresden werden die Strassen leerer, der östlichste Teil Sachsens ist dünn besiedelt. Das aus einer Gründung der Herrnhuter Brüder hervorgegangene, durch uniforme klassizistische Fassaden und einen regelmässigen Grundriss geprägte Niesky besass in den zwanziger Jahren kaum 3000 Einwohner. Grösster Arbeitgeber war die Firma Christoph & Unmack, die zunächst Dampfkessel hergestellt hatte und im späten 19. Jahrhundert mit Lazarettbaracken reüssierte. Aus der Produktion von vorgefertigten Wohnhäusern (seit 1905) erwuchs der Firma ein neues Profil; als Wachsmann seinen Dienst antrat, galt Christoph & Unmack als grösste Holzbaufirma Europas.
Obwohl in den zwanziger Jahren eine Reihe von heute noch weitgehend erhaltenen Siedlungen entstanden, die Niesky zur Musterstadt für den standardisierten Holzbau machten, gelang es erst Wachsmann mit seinen Entwürfen, auf die bisher massgebliche vernakuläre Anmutung zu verzichten und eine den Konstruktionsprinzipien adäquate, schlichte Formensprache zu entwickeln. Sein Credo, die neue Methode der Holzbearbeitung müsse das äussere Gesicht des Bauwerks verändern und eine neue Form generieren, findet sich formuliert in der Einleitung zu der 1930 bei Ernst Wasmuth verlegten Publikation «Holzhausbau - Technik und Gestaltung», mit dem er seine Arbeit für Christoph & Unmack gleichsam bilanzierte. Gegliedert nach den drei üblichen Konstruktionsprinzipien - Fachwerkbau, Tafelbau und Blockbau -, sollte das Buch aufzeigen, «wie im Holz, im neuen Sinne mit neuen technischen Mitteln werkgerecht bearbeitet, die Wandlung der Anschauung über das Bauen sich widerspiegelt».
Ästhetik der Moderne
Allerdings entstand in Niesky selbst nur ein einziges Haus nach Wachsmanns eigenem Entwurf, das sogenannte Direktorenhaus, das für einen Direktor von Christoph & Unmack 1927 errichtet wurde. Der Architekt bediente sich der traditionell geprägten Blockbauweise aus horizontal geschichteten Bohlen - ein Verfahren, das nur einen vergleichsweise geringen Grad an Standardisierung erlaubte. Gleichwohl gelang es ihm, den eher rustikalen Eindruck des Blockbaus weitestgehend zu vermeiden und sein Gebäude der Ästhetik des Neuen Bauens anzunähern. Im Gegensatz zu herkömmlichen Blockhäusern lässt sich die Einteilung der Räume nicht am Äusseren ablesen, da die Wände nicht an der Fassade hervortreten, sondern in eine Nut der Aussenwand eingeschoben sind; dadurch behält die Fassade ihren gespannten, fast hautartigen Charakter, die präzise geschnittene Stereometrie des von einem steilen Walmdach gedeckten, zweigeschossigen Kubus wird akzentuiert. Bemerkenswert ist überdies die opulente Durchfensterung; die verstärkten Bohlen der Stürze überspannen Fensterbänder mit Weiten von bis zu sechs Metern.
Während der Zeit der DDR öffentlich genutzt, wurde das einstige Direktorenhaus nach der Wende an die Erben jenes Arztes übertragen, der es 1930 erworben hatte. Das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung, das den Erhalt des - von unpassenden Farbanstrichen der Sperrholzplatten im Inneren abgesehen - weitgehend unveränderten Bauwerks garantieren sollte, erwies sich als kontraproduktiv: angesichts der nötigen denkmalpflegerischen Renovierung fand sich kein Interessent, der die von den Eigentümern geforderten 500 000 Mark für Haus und Grundstück zu zahlen bereit war: Die Randlage Nieskys gilt als unüberwindlicher Standortnachteil. Selbst die Kommune sieht sich finanziell ausserstande, das kulturhistorisch bedeutendste Gebäude Nieskys zu kaufen. Der Plan, den Nachlass des Architekten zu erwerben und im Direktorenhaus ein Wachsmann-Zentrum einzurichten, war vor diesem Hintergrund lediglich eine schöne Illusion. Dass der seit bald zehn Jahren leerstehende Bau vom Vandalismus verschont blieb, ist glücklichen Umständen zuzuschreiben. Doch muss dringend eine Lösung gefunden werden, um den Verfall des Baudenkmals aufzuhalten. Denn neben dem Direktorenhaus in Niesky zeugt in Deutschland lediglich noch das Einsteinhaus in Caputh von dem Beginn einer grossen Architektenkarriere, die in den USA vollendet wurde.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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