Bauwerk
Neues Institutsgebäude - Fassade
O&O Baukunst - Wien (A) - 2004
Facelifting mit Ratio
Die Fassade, die Ortner & Ortner dem Neuen Institutsgebäude in Wien jüngst verpasst haben, verleiht der Wissenschaft einen würdigen Rahmen. Das wirkliche Problem, das Innere des Gebäudes, bleibt indes ungelöst.
20. November 2004 - Judith Eiblmayr
Seit dem neuen Studienjahr finden sich die österreichischen Universitäten oft in den Medien, jedoch durchwegs mit Negativschlagzeilen. So hat sich Bildungsministerin Elisabeth Gehrer die Reaktion auf ihr „Bekenntnis zu einem differenzierten Bildungssystem, das die Jugendlichen zu kritischen, mündigen, verantwortungsvollen Bürgern erzieht“, wohl nicht vorgestellt, richtet sich die juvenile Kritikfähigkeit doch in erster Linie gegen sie selbst. Die Proteste der mündigen Studierenden und verantwortungsvollen Lehrpersonen gegen die Autonomisierung der Universitäten halten an, ihrem Dafürhalten nach scheint der zuständigen Ministerin, deren berufliche Praxis im Bildungsbereich sich auf fünf Jahre Lehrtätigkeit in Landvolksschulen beschränkt, das Verständnis für die Komplexität des universitären Betriebs zu fehlen. Gehrer proklamiert zwar Weltklasseniveau für die österreichischen Universitäten, stellt jedoch der Lehre die notwendigen finanziellen Mittel nicht zur Verfügung, um einen effizienten Studienbetrieb aufrechterhalten zu können.
In diesem Artikel allerdings soll die Uni Wien nicht als Subjekt, sondern als Objekt beschrieben werden, und zwar mit dem Neuen Institutsgebäude, vulgo NIG, das sich durch eine frische Fassade plötzlich mit einem neuen Selbstverständnis im Stadtbild präsentiert.
Eine der wenigen Agenden, um die sich die Universitäten beziehungsweise das zuständige Ministerium nicht mehr selber kümmern müssen, ist die Verwaltung ihrer Gebäude. Die Auslagerung der Verwaltung aller Bundesgebäude in die Bundesimmobiliengesellschaft 1992 machte die Fakultäten zu Mietern und entließ sie aus der Verantwortung für die Erhaltung der Bausubstanz. Ein diesbezüglicher Problemfall war das in den frühen Sechzigerjahren errichtete Neue Institutsgebäude in der Universitätsstraße, das nicht nur durch jahrelange offensichtliche Baufälligkeit und zunehmende Verslumung im Eingangsbereich, sondern durch eine originär schlechte Architektur einen speziellen Ostblock-Charme verbreitete.
Im ursprünglichen Wettbewerbsentwurf aus dem Jahr 1951 der Wiener Architekten Alfred Dreier und Otto Nobis als neue Universitätsbibliothek geplant, war ein differenzierter, für Wiener Verhältnisse durchaus moderner Gestus nachvollziehbar, mit der seinerzeit auf Druck der Philosophischen Fakultät ebenfalls durch Dreier und Nobis vorgenommenen Umplanung auf ein Institutsgebäude blieb jedoch von den gestalterischen Ansätzen des Bibliotheksbaus wenig übrig. Realisiert wurde 1960 bis 1962 schließlich ein vom Gedanken maximaler Kubaturausnutzung getragener Bürobau, der jeglichen räumlichen Repräsentationsanspruch, der einem Universitätsgebäude durchaus zugestanden wäre, vermissen ließ.
Nachdem im Laufe der Jahre einerseits die Parapetverkleidungen zu bröckeln begannen und andrerseits eine thermische Instandsetzung notwendig wurde, um Energie zu sparen, entschloss sich die Bundesimmobiliengesellschaft im Jahr 2001 zu einer Generalsanierung der Fassade. Die Auffrischung des Gebäudeinneren war wohl kein Thema, denn während sich die äußere Hülle mittlerweile zeitgemäß und nobel präsentiert, blieb gleich hinter dem Windfang alles beim Alten, die Assoziation, dass dies der Ort des geisteswissenschaftlichen Zentrums Österreichs sei, fällt schwer.
Aber zumindest in der äußeren Form hat es das international tätige österreichische Architekturbüro von Laurids und Manfred Ortner mit seinem Entwurf geschafft, dem Gebäude eine entsprechende Würde zu verleihen, indem die Fassade in jeder Hinsicht rational zurechtgerückt wurde. Ortner & Ortner beschränkten sich nicht darauf, neues Steinmaterial, neue Fenster und technische Aufbauten zur Wärmedämmung zu versetzen, sondern versuchten auch die Proportion des ganzen Baukörpers über die Fassadenzeichnung zu verändern, um den Block mit seinem geglätteten Äußeren wieder als solchen erkennbar zu machen und in den städtebaulichen Kontext des umgebenden Rasters der Ringstraßenbebauung zu integrieren.
Ganz wichtig dabei ist, dass nun eine zweigeschoßige Sockelzone ablesbar ist, indem die Loggia beim Haupteingang einerseits durch stärkere Stützen gewichtiger wurde und - wie auch die hohen Fensteröffnungen an den Seitenfronten - mit den darüber liegenden Fenstern im Querformat zusammengezogen wurden. Die restlichen fünf Geschoße sind je Seite in einem unaufgeregt gestalteten Feld aus Stein- und Fensterflächen zusammengefasst. Der Architekturkritiker Friedrich Achleitner hat in einem Artikel über das NIG im Jahr 1961 gegen die „mächtigen Stein- (richtiger: Schein-)Gewände“ gewettert, die in Form von 40 Zentimeter tiefen Hohlprofilen aus Kunststein als mächtige Lisenen über die ganze Fassade gezogen wurden und, so Achleitner, „keine andere Funktion hatten, als dem Gebäude jene würdige Vertikalgliederung zu geben, die seit Hitler und Stalin auf das Volk erhebend wirkt“.
All dieser „modernistische“ Zierrat ist nun weg und einer rationalistischen Architektur gewichen, die sich als hellbeige, poröse und dadurch weich wirkende Schale aus Riolit, einem Tuffgestein, präsentiert und durch dunkelgraue Fensterprofile konterkariert wird. Die Fenster sind übereinander in der Achse unregelmäßig versetzt, was der Fassade die Strenge nimmt, auch die Loggienverglasungen, die nach einem Entwurf der Künstlerin Eva Schlegl bedruckt sind, schaffen eine spielerische vertikale Gliederung des kubischen Baukörpers. Innerhalb der Tuffschale liegt, metaphorisch betont, der harte Kern, indem die Innenseite der Eingangsarkade und der Windfang mit schwarzem Glas verkleidet wurden.
Die gestalterisch wirklich „harte Nuss“ ist allerdings das Innere des Gebäudes selbst; Das Verslumungsproblem wurde laut einer NIG-Nutzerin eher internalisiert als gelöst - die Sandler liegen jetzt halt drinnen und nicht mehr vor der Tür -, Hörsäle, Institutsräumlichkeiten und Toiletten sind in höchst sanierungsbedürftigem Zustand, und die Fassade zum Innenhof könnte ebenfalls 20 Zentimeter Wärmedämmung vertragen. Das „Facelifting“, das die Architekten Ortner & Ortner dem Neuen Institutsgebäude verpasst haben, bildet für die Geisteswissenschaften einen würdigen rationalistischen Rahmen - zumindest nach außen hin. Die Ratio sagt einem aber auch, dass Wissenschaftler eine würdige Struktur benötigen, um Großes leisten zu können, nämlich ausreichend Geld und adäquate Arbeitsräume. Lässt sich vielleicht auch der architektonische Erfolg an der Außenseite internalisieren?
In diesem Artikel allerdings soll die Uni Wien nicht als Subjekt, sondern als Objekt beschrieben werden, und zwar mit dem Neuen Institutsgebäude, vulgo NIG, das sich durch eine frische Fassade plötzlich mit einem neuen Selbstverständnis im Stadtbild präsentiert.
Eine der wenigen Agenden, um die sich die Universitäten beziehungsweise das zuständige Ministerium nicht mehr selber kümmern müssen, ist die Verwaltung ihrer Gebäude. Die Auslagerung der Verwaltung aller Bundesgebäude in die Bundesimmobiliengesellschaft 1992 machte die Fakultäten zu Mietern und entließ sie aus der Verantwortung für die Erhaltung der Bausubstanz. Ein diesbezüglicher Problemfall war das in den frühen Sechzigerjahren errichtete Neue Institutsgebäude in der Universitätsstraße, das nicht nur durch jahrelange offensichtliche Baufälligkeit und zunehmende Verslumung im Eingangsbereich, sondern durch eine originär schlechte Architektur einen speziellen Ostblock-Charme verbreitete.
Im ursprünglichen Wettbewerbsentwurf aus dem Jahr 1951 der Wiener Architekten Alfred Dreier und Otto Nobis als neue Universitätsbibliothek geplant, war ein differenzierter, für Wiener Verhältnisse durchaus moderner Gestus nachvollziehbar, mit der seinerzeit auf Druck der Philosophischen Fakultät ebenfalls durch Dreier und Nobis vorgenommenen Umplanung auf ein Institutsgebäude blieb jedoch von den gestalterischen Ansätzen des Bibliotheksbaus wenig übrig. Realisiert wurde 1960 bis 1962 schließlich ein vom Gedanken maximaler Kubaturausnutzung getragener Bürobau, der jeglichen räumlichen Repräsentationsanspruch, der einem Universitätsgebäude durchaus zugestanden wäre, vermissen ließ.
Nachdem im Laufe der Jahre einerseits die Parapetverkleidungen zu bröckeln begannen und andrerseits eine thermische Instandsetzung notwendig wurde, um Energie zu sparen, entschloss sich die Bundesimmobiliengesellschaft im Jahr 2001 zu einer Generalsanierung der Fassade. Die Auffrischung des Gebäudeinneren war wohl kein Thema, denn während sich die äußere Hülle mittlerweile zeitgemäß und nobel präsentiert, blieb gleich hinter dem Windfang alles beim Alten, die Assoziation, dass dies der Ort des geisteswissenschaftlichen Zentrums Österreichs sei, fällt schwer.
Aber zumindest in der äußeren Form hat es das international tätige österreichische Architekturbüro von Laurids und Manfred Ortner mit seinem Entwurf geschafft, dem Gebäude eine entsprechende Würde zu verleihen, indem die Fassade in jeder Hinsicht rational zurechtgerückt wurde. Ortner & Ortner beschränkten sich nicht darauf, neues Steinmaterial, neue Fenster und technische Aufbauten zur Wärmedämmung zu versetzen, sondern versuchten auch die Proportion des ganzen Baukörpers über die Fassadenzeichnung zu verändern, um den Block mit seinem geglätteten Äußeren wieder als solchen erkennbar zu machen und in den städtebaulichen Kontext des umgebenden Rasters der Ringstraßenbebauung zu integrieren.
Ganz wichtig dabei ist, dass nun eine zweigeschoßige Sockelzone ablesbar ist, indem die Loggia beim Haupteingang einerseits durch stärkere Stützen gewichtiger wurde und - wie auch die hohen Fensteröffnungen an den Seitenfronten - mit den darüber liegenden Fenstern im Querformat zusammengezogen wurden. Die restlichen fünf Geschoße sind je Seite in einem unaufgeregt gestalteten Feld aus Stein- und Fensterflächen zusammengefasst. Der Architekturkritiker Friedrich Achleitner hat in einem Artikel über das NIG im Jahr 1961 gegen die „mächtigen Stein- (richtiger: Schein-)Gewände“ gewettert, die in Form von 40 Zentimeter tiefen Hohlprofilen aus Kunststein als mächtige Lisenen über die ganze Fassade gezogen wurden und, so Achleitner, „keine andere Funktion hatten, als dem Gebäude jene würdige Vertikalgliederung zu geben, die seit Hitler und Stalin auf das Volk erhebend wirkt“.
All dieser „modernistische“ Zierrat ist nun weg und einer rationalistischen Architektur gewichen, die sich als hellbeige, poröse und dadurch weich wirkende Schale aus Riolit, einem Tuffgestein, präsentiert und durch dunkelgraue Fensterprofile konterkariert wird. Die Fenster sind übereinander in der Achse unregelmäßig versetzt, was der Fassade die Strenge nimmt, auch die Loggienverglasungen, die nach einem Entwurf der Künstlerin Eva Schlegl bedruckt sind, schaffen eine spielerische vertikale Gliederung des kubischen Baukörpers. Innerhalb der Tuffschale liegt, metaphorisch betont, der harte Kern, indem die Innenseite der Eingangsarkade und der Windfang mit schwarzem Glas verkleidet wurden.
Die gestalterisch wirklich „harte Nuss“ ist allerdings das Innere des Gebäudes selbst; Das Verslumungsproblem wurde laut einer NIG-Nutzerin eher internalisiert als gelöst - die Sandler liegen jetzt halt drinnen und nicht mehr vor der Tür -, Hörsäle, Institutsräumlichkeiten und Toiletten sind in höchst sanierungsbedürftigem Zustand, und die Fassade zum Innenhof könnte ebenfalls 20 Zentimeter Wärmedämmung vertragen. Das „Facelifting“, das die Architekten Ortner & Ortner dem Neuen Institutsgebäude verpasst haben, bildet für die Geisteswissenschaften einen würdigen rationalistischen Rahmen - zumindest nach außen hin. Die Ratio sagt einem aber auch, dass Wissenschaftler eine würdige Struktur benötigen, um Großes leisten zu können, nämlich ausreichend Geld und adäquate Arbeitsräume. Lässt sich vielleicht auch der architektonische Erfolg an der Außenseite internalisieren?
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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