Bauwerk

Haus W.
Heinz Lutter - Wien (A) - 2004

Glashaus in Variationen

Für Abwechslung zwischen Fertigteilbauten sorgt ein dynamisches neues Haus von Heinz Lutter. Im Schutz von Sichtbetonzaun und Feuermauer lässt sich durchs transparente Wohnraumeck mit Terrasse der Garten mit Glashaus genießen. Zwei eingeschnittene Lufträume mit Galerie schaffen ungeahnte Weite. Im Studio am Dach herrschen Glas und Ausblick.

5. Februar 2005 - Isabella Marboe
Schütter bebaut, geht im Hinterland der Speisingerstraße das noble Hietzing in die weinberggesäumte Maurer Peripherie über. Zwischen Fuhrwerkshäusern, Gemeindeblöcken und Rosenhügelsaum entdeckte ein Developper Grünland, kaufte und parzellierte es. Zwei- bis dreigeschossige Fertigteilhäuser charakterisieren die Gegend. Den Bauherren mit zwei Kindern wurde ihr Dreifamilienhaus zu eng, sie wollten in der vertrauten Nachbarschaft neu bauen.

Auf der Anrainerversammlung zum Furtwänglerplatz stellten sich gleich zwei Weichen. Man hörte von der Parzellierung der alten Gärtnerei gegenüber und bat den spielplatzgestaltenden Architekten Volker Dienst um Rat bei der Planerwahl. Unter drei Kollegen schrieb der Bauherr einen Wettbewerb für einen Ziegelbau aus. Er hatte ein präzises Raumprogramm und aufgrund profunder Ortskenntnis klare Präferenzen: nord-und straßenseitig abgeschottet, zum Garten offen. Der bauplastische, innenhofbildende Entwurf von Heinz Lutter machte das Rennen.

Kaum 17 Meter breit, erstreckt sich der Grund von der Straße fast 80 Meter tief zum Garten nach Westen, wo malerisch das Glashaus der Gärtnerei steht. Die Bauordnung legte an der länggseitigen Nordfeuermauer gekuppelte Bauweise fest. Bis zu 15 Meter Tiefe durfte das Haus 6,5 Meter, dahinter 4,5 Meter hoch sein, zur Straße waren 6 Meter, zum Südnachbarn 4,5 Meter Abstand zu halten. Daraus formte Lutter einen zweigesichtigen, dynamisch ausdifferenzierten Baukörper mit transparentem Studio am Dach. Die hakenförmige Grundform nimmt die örtliche Fuhrwerkshaustypologie auf, schräge Wandverläufe, zwei eingeschnittene Lufträume, das auskragende rote Obergeschoss, Sonnenkollektoren und Studio am Dach erweitern sie zeitgemäß.

Die abgetreppte Feuermauer wird zur schützenden Nordflanke für Fitness, Sanitär und Kinderzimmer, vor der sich das Haus zum Garten entfaltet. Das vollverglaste Wohnraumeck weitet sich zum zentralen Luftraum mit Stiege und Galerie. West- und Südlicht durchströmt die großzügig eingeschnittene Weite, die über Hakenform und Ebenen hinweg die Räume miteinander und der Natur kommunizieren lässt. Eine Sichtbetonmauer schirmt von der Straße ab, als Verweis auf den Garten bilden horizontale Lattung vor Tür und Garage blickdurchlässige Filter, auch Sockel und die Balkone sind so verkleidet. Einer springt frech aus dem Obergeschoss, wo der Junior alle Freunde im Visir hat.

Lutter variierte den Filter auch im Interieur. Mattglasstreifen in der Tür, im Kontrast zum schmalen Vorraum, entfaltet die Höhe im Wohnbereich ihre volle Wirkung. Durchs transparente Raumeck flutet der Garten über die freigeformte Terrasse. Dynamisch kragt die rote Deckenuntersicht aus, knickt sich als horizontal geschlitzte Wand um den Balkon, schafft gedeckte Bereiche und spannende Perspektiven. Im Osten geht der offene Raum in die Küche über, die im Süden keck vorspringt. Vis-à-vis gibt der zweite Luftraum der ruhigen Nordwand feines Licht, prädestiniert sie zur Hängefläche für Kunst, eine Schiebetür bindet den Fitnesstrakt ein.

Die zwischen zwei schrägen Scheiben geführte, einläufige Stiege wird gartenseitig zum raumbildenden Möbel. Hinterleuchtetes Mattglas, erdige Sitzstufen am Kamin, rechts und links scheinen horizontale Regale wie Äste bis ins Studio zu wachsen. Dem Bad schenkt der Luftraumzwickel Schluchtperspektive, Ober-Ost-und Südlicht. Jedes Kind, Eltern und Bad haben eigenen Balkon, die große Galerie schafft eine Gemeinschaftszone am Puls von Haus und Garten. Im Kemperol-gedeckten Studio-Holzleichtbau auf der Flachdachterrasse lösen sich Innen und Außen dann fast auf: eine Wand zur Straße, sonst Glas und Weitblick.

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