Bauwerk
Ladengeschäft Tod's
Toyo Ito - Tokyo (J) - 2004
«Baumhaus» aus Glas und Beton
Ein spektakuläres Ladengeschäft von Toyo Ito in Tokio
Die Omotesando-Strasse in Tokio wird immer mehr zur Modemeile, an der markante Ladengebäude bedeutender Architekten nah beieinander stehen. Jüngstes Beispiel in dieser Reihe ist der Mitte Dezember 2004 eröffnete Bau, den der Architekt Toyo Ito für die italienische Schuh- und Lederfirma Tod's konzipiert hat.
4. März 2005 - Marco Rossi
An den ersten Neujahrstagen strömen jeweils riesige Menschenmassen zum shintoistischen Meiji-Heiligtum im Zentrum Tokios, um dort zu beten. An allen anderen Tagen im Jahr ist es die in den zwanziger Jahren als Verbindungsachse zum Meiji-Heiligtum gebaute Omotesando-Strasse selbst, welche die Menschen anzieht. Eine Zelkoven-Allee säumt die Strasse auf einem langen Abschnitt und lädt zum Flanieren ein. Hier konnten in den letzten fünf Jahren innovative Architekten für mehrere Modehäuser wichtige Werke realisieren. Nimmt der 1999 von Future Systems für das japanische Label Comme des Garçons gestaltete Ladenumbau Ideen von deren Selfridges- Warenhaus in Birmingham vorweg, so erinnert Jun Aokis Neubau des weltgrössten Louis-Vuitton-Geschäftes (2002) mit seinen von Stahlrahmen gerahmten Fassadenfeldern, die in unterschiedlichen Mustern mit Streckgittern bespannt sind, an gestapelte Koffer. Für den Prada-Flagship-Store verwirklichten Herzog & de Meuron 2003 ein überzeugendes Bauobjekt, dessen Struktur, Raum und Fassade eine netzartige Einheit bilden, welche durch eine mehrdeutige Zeichenhaftigkeit ins Auge springt. In unterschiedlich hohe vertikale Schichten gliederte das japanische Büro Sanaa den Neubau von Dior. Gebogene und mit hellen Linien bedruckte halbtransparente Elemente wecken hinter einer flachen Glashaut die Illusion von textilen Vorhängen. So verschieden und reizvoll die architektonischen Ansätze sind, so ähnlich sind die Motivationen der Modehäuser, soll doch deren Angebot in passenden architektonischen Kleidern gezeigt werden - in Bauten, die als Zeichen in der Stadt wirken und so grosse Medienpräsenz garantieren.
Abstrahiertes Astwerk
Mit seinen jüngsten Bauten und Projekten beweist sich Toyo Ito einmal mehr als einer der bedeutendsten Architekten Japans (NZZ 20. 9. 04). Bei dem vor gut zwei Monaten an der Omotesando eröffneten Flagship-Store der italienischen Lederfirma Tod's suchte er nach einer Sprache, die sich von den benachbarten, vorwiegend mit Stahl-Glas-Fassaden ausgeführten Bauten absetzt. Dies wurde mit einer Analogie auf die Zelkoven, welche die Einkaufsstrasse säumen, erreicht. Stamm und Äste wurden dabei zu einer Silhouette abstrahiert und diese dann neunfach überlagert. Das so entstandene zweidimensionale Muster bestimmt die Gestalt der in Beton ausgeführten Fassadenstruktur, die sich als Abwicklung um den L-förmigen Bau zieht. Die in der Konstruktion wirkenden Kräfte werden durch dieses betonierte «Astwerk» abgetragen fast wie bei einem Baum, wobei die Innenräume ohne Stützen bleiben.
Abstand zur Moderne
In die Zwischenräume der Betonstruktur sind an den Fassaden flächenbündige rahmenlose Gläser oder aber Metallbleche eingesetzt. Die Anordnung der Öffnungen variiert von Etage zu Etage. Im Ladengeschäft, das sich in den ersten drei Geschossen befindet, geben einige wenige grosse Öffnungen den Blick nach draussen auf die Bäume frei. In den oberen vier Stockwerken, wo sich die Büros von Tod's Japan sowie Veranstaltungsräume befinden, lichtet sich die Struktur zum Himmel. Durch die kleineren, aber zahlreichen Öffnungen werden die Räume von Licht durchflutet. Da alle 200 Durchbrüche in den Fassaden unterschiedliche Masse haben, konnten die Gläser nur dank modernsten Produktionsmethoden präzise gefertigt und eingesetzt werden.
Als Vorstufe zum Geschäftshaus von Tod's darf der 2002 von Ito realisierte Serpentine Gallery Pavillon in London gelten. War es in London ein Algorithmus, der die abstrakte Geometrie der offenen und geschlossenen Flächen bestimmte, ist es in Tokio die Baumsilhouette. Die Analogie zum Astwerk scheint dabei nicht von allen Seiten des Gebäudes gleich offensichtlich, was mehrdeutige Wahrnehmungen ermöglicht. Zudem wirkt die Geometrie der Struktur einmal scharfkantig, dann wieder weich, weil ein sehr feinkörniger Beton verwendet wurde. Auch in der Ladenausstattung ist die Fassadenstruktur erkennbar. Im Gespräch vor Ort weist Ito auf die Stellen hin, an denen sich das Thema des Baumes auch im Innenraum abbildet. So sind beispielsweise die Spiegel genau in die Zwischenräume der «Stämme» gesetzt. Gleichwohl scheinen sich hier die Ideen von Ito mit den Vorstellungen der Auftraggeber zu überlagern, wurden doch manche Materialien verwendet, die in allen Tod's-Läden zu finden sind: Vacchetta-Kalbsleder, hochglänzende Metallteile und Travertin. Tod's vertraut - anders als Prada - die Inneneinrichtung nicht völlig den Architekten an, sondern hält an einigen Elementen fest. Gemäss Tod's soll der 150 Millionen Franken teure Neubau vor allem die 23- bis 32-Jährigen ansprechen. Die Firma, die erst seit kurzem verstärkt auf den asiatischen Markt setzt, kann hier jährliche Wachstumsraten von über 50 Prozent aufweisen. In Japan besteht eine grosse Nachfrage nach europäischen Luxusgütern, auch wenn sie etwa 40 Prozent teurer sind als in Europa.
Wiederholt äusserte Toyo Ito, dass die Moderne für ihn grundlegend sei und er gerade darum nach Wegen suche, ihr zu entfliehen. Den von ihm angestrebten «lebendigen und sinnlichen Räumen» begegnet man gegenwärtig in mehreren Projekten: So finden sich die wie zufällig in die Fassaden gesetzten, organisch geformten Öffnungen beim Theater in Matsumoto ebenso wie beim neuen «Mikimoto»-Projekt in Tokio. Es können aber auch statische Systeme sein wie die Baumstruktur des Flagship Store von Tod's oder in sich nicht abgeschlossene, frei gekurvte Flächen wie bei einer Parkgestaltung in Fukuoka.
Ähnlich wie Ito haben jüngst auch andere japanische Architekten festgehalten, sie wollten sich möglichst von den Einflüssen der architektonischen Moderne lösen. Obwohl ähnliche Aussagen auch in Europa zu vernehmen sind, stehen die Vorzeichen in Japan doch anders. So wird die Moderne von Ito weniger als eine internationale Strömung denn als eine Bewegung des Westens wahrgenommen. Damit zielen seine Bestrebungen dahin, sich vermehrt von westlichen Einflüssen zu lösen - ein Prozess, dessen weitere Resultate man mit Neugierde erwartet.
Abstrahiertes Astwerk
Mit seinen jüngsten Bauten und Projekten beweist sich Toyo Ito einmal mehr als einer der bedeutendsten Architekten Japans (NZZ 20. 9. 04). Bei dem vor gut zwei Monaten an der Omotesando eröffneten Flagship-Store der italienischen Lederfirma Tod's suchte er nach einer Sprache, die sich von den benachbarten, vorwiegend mit Stahl-Glas-Fassaden ausgeführten Bauten absetzt. Dies wurde mit einer Analogie auf die Zelkoven, welche die Einkaufsstrasse säumen, erreicht. Stamm und Äste wurden dabei zu einer Silhouette abstrahiert und diese dann neunfach überlagert. Das so entstandene zweidimensionale Muster bestimmt die Gestalt der in Beton ausgeführten Fassadenstruktur, die sich als Abwicklung um den L-förmigen Bau zieht. Die in der Konstruktion wirkenden Kräfte werden durch dieses betonierte «Astwerk» abgetragen fast wie bei einem Baum, wobei die Innenräume ohne Stützen bleiben.
Abstand zur Moderne
In die Zwischenräume der Betonstruktur sind an den Fassaden flächenbündige rahmenlose Gläser oder aber Metallbleche eingesetzt. Die Anordnung der Öffnungen variiert von Etage zu Etage. Im Ladengeschäft, das sich in den ersten drei Geschossen befindet, geben einige wenige grosse Öffnungen den Blick nach draussen auf die Bäume frei. In den oberen vier Stockwerken, wo sich die Büros von Tod's Japan sowie Veranstaltungsräume befinden, lichtet sich die Struktur zum Himmel. Durch die kleineren, aber zahlreichen Öffnungen werden die Räume von Licht durchflutet. Da alle 200 Durchbrüche in den Fassaden unterschiedliche Masse haben, konnten die Gläser nur dank modernsten Produktionsmethoden präzise gefertigt und eingesetzt werden.
Als Vorstufe zum Geschäftshaus von Tod's darf der 2002 von Ito realisierte Serpentine Gallery Pavillon in London gelten. War es in London ein Algorithmus, der die abstrakte Geometrie der offenen und geschlossenen Flächen bestimmte, ist es in Tokio die Baumsilhouette. Die Analogie zum Astwerk scheint dabei nicht von allen Seiten des Gebäudes gleich offensichtlich, was mehrdeutige Wahrnehmungen ermöglicht. Zudem wirkt die Geometrie der Struktur einmal scharfkantig, dann wieder weich, weil ein sehr feinkörniger Beton verwendet wurde. Auch in der Ladenausstattung ist die Fassadenstruktur erkennbar. Im Gespräch vor Ort weist Ito auf die Stellen hin, an denen sich das Thema des Baumes auch im Innenraum abbildet. So sind beispielsweise die Spiegel genau in die Zwischenräume der «Stämme» gesetzt. Gleichwohl scheinen sich hier die Ideen von Ito mit den Vorstellungen der Auftraggeber zu überlagern, wurden doch manche Materialien verwendet, die in allen Tod's-Läden zu finden sind: Vacchetta-Kalbsleder, hochglänzende Metallteile und Travertin. Tod's vertraut - anders als Prada - die Inneneinrichtung nicht völlig den Architekten an, sondern hält an einigen Elementen fest. Gemäss Tod's soll der 150 Millionen Franken teure Neubau vor allem die 23- bis 32-Jährigen ansprechen. Die Firma, die erst seit kurzem verstärkt auf den asiatischen Markt setzt, kann hier jährliche Wachstumsraten von über 50 Prozent aufweisen. In Japan besteht eine grosse Nachfrage nach europäischen Luxusgütern, auch wenn sie etwa 40 Prozent teurer sind als in Europa.
Wiederholt äusserte Toyo Ito, dass die Moderne für ihn grundlegend sei und er gerade darum nach Wegen suche, ihr zu entfliehen. Den von ihm angestrebten «lebendigen und sinnlichen Räumen» begegnet man gegenwärtig in mehreren Projekten: So finden sich die wie zufällig in die Fassaden gesetzten, organisch geformten Öffnungen beim Theater in Matsumoto ebenso wie beim neuen «Mikimoto»-Projekt in Tokio. Es können aber auch statische Systeme sein wie die Baumstruktur des Flagship Store von Tod's oder in sich nicht abgeschlossene, frei gekurvte Flächen wie bei einer Parkgestaltung in Fukuoka.
Ähnlich wie Ito haben jüngst auch andere japanische Architekten festgehalten, sie wollten sich möglichst von den Einflüssen der architektonischen Moderne lösen. Obwohl ähnliche Aussagen auch in Europa zu vernehmen sind, stehen die Vorzeichen in Japan doch anders. So wird die Moderne von Ito weniger als eine internationale Strömung denn als eine Bewegung des Westens wahrgenommen. Damit zielen seine Bestrebungen dahin, sich vermehrt von westlichen Einflüssen zu lösen - ein Prozess, dessen weitere Resultate man mit Neugierde erwartet.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom