Bauwerk
Musée des Beaux-Arts
Berrel Wülser Kräutler Architekten - Lausanne (CH) - 2004
Weisser Monolith am Genfersee
Lausanne träumt von einem neuen Kunstmuseum
Die Architekturszene am Genfersee kommt in Bewegung. Jüngst machte Lausanne nicht nur mit Schul- und Wohnbauten auf sich aufmerksam, sondern auch mit einem Projekt von Kazuyo Sejima. Nun soll das Musée des Beaux-Arts aus den engen Verhältnissen im Palais de Rumine erlöst werden. Geplant ist ein monolithischer Neubau am See.
12. März 2005 - Roman Hollenstein
Lange wirkte die Romandie in Sachen Architektur etwas verschlafen. Doch nun scheint sich rund um den Genfersee eine Szene zu formieren. Im Schatten des für seine Wohnbauten bekannten Atelier Cube, des in die rhetorische Geste verliebten Rodolphe Luscher und des experimentierfreudigen Teams von Brauen & Waelchli versuchen immer mehr Jungarchitekten ihr Glück in Lausanne. Davon zeugt noch bis zum 20. März eine kleine Schau im altehrwürdigen Espace Arlaud, dem 1840 nach Plänen von Louis Wenger vollendeten ersten Kunstmuseum von Lausanne. Neben Brauen & Waelchli, Luscher sowie Richter & Dahl Rocha (die ihr Projekt für das Parkareal «Im Forster» am Zürichberg vorstellen) sind die Newcomer Personini Raffaele Schärer mit einer organisch geformten Liftkabine, Didier Castelli mit Ideen zur Stadt der Zukunft sowie Graf & Rouault mit architektonischen Objekten präsent. In Lausanne lässt man aber auch Auswärtige zu Wort kommen. So realisierte Bernard Tschumi unlängst den «Interface Flon», während Devanthéry & Lamunière aus Genf und Bonnard & Woeffray aus Monthey vielbeachtete Schulhäuser schufen. Nun widmet die ETH Lausanne den jungen Walliser Minimalisten Geneviève Bonnard und Denis Woeffray eine Ausstellung, die noch bis zum 25. März mittels grossformatiger Fotos von schwindelerregender Direktheit insgesamt sechs Bauten zur Diskussion stellt, darunter das von abstrakten, bildhaften Fassaden geprägte Atelierhaus in Monthey und eine Wohnsiedlung mit starkfarbigen Metallfassaden in St-Maurice.
Kulturmeile und Museumsufer
Auf dem Lausanner ETH-Campus selbst kommt die umschwärmte japanische Architektin Kazuyo Sejima vom Büro Sanaa zum Zug, die hier ein wellenförmiges «Learning-Center» errichten wird. Nicht weniger ehrgeizig ist aber auch das Projekt des neuen Kunstmuseums, das zu einem Wahrzeichen am Genfersee werden soll. Bereits 1992 kam die Idee auf, das Musée des Beaux-Arts aus den beengten Verhältnissen des multifunktionalen Palais de Rumine herauszulösen. Die Sammlung, die unter anderem bedeutende Werke der Waadtländer Künstler Ducros, Gleyre und Vallotton umfasst, kann nämlich in dem pittoresken, 1906 eröffneten Palast von Gaspar André aus Lyon nicht mehr zufriedenstellend präsentiert werden. Vor vier Jahren wurde deshalb eine Parzelle bei der Bellerive Plage bestimmt, wo zwischen dem Château d'Ouchy und Max Bills Théâtre de Vidy mit dem Museumsbau ein neuer städtebaulicher Akzent gesetzt werden soll. Doch die etwas periphere Lage am See ist nicht nur schön, sondern auch schwierig, denn das Gebäude wird sich, von Ouchy aus gesehen, hinter Werfthallen verbergen. Dafür wird es zusammen mit dem Musée Olympique und dem Musée de l'Elysée die Lausanner Kulturmeile in ein eigentliches Museumsufer verwandeln.
Am letzten Donnerstag gab nun die Jury die Sieger des im Februar 2004 ausgeschriebenen zweistufigen Wettbewerbs bekannt, an dem sich nicht weniger als 249 Teams aus 15 Ländern beteiligten. Die Überraschung war gross, denn kein Weltstar wurde gekürt, sondern die gerade erst dreissig Jahre alten Architekten Maurice Berrel. Charles Wülser und Raphael Kräutler, die zwar noch nichts gebaut haben, aber mit einem Hotel in der kalifornischen Sierra Nevada und dem Privatmuseum Ernst Koller in Basel demnächst zwei interessante Projekte verwirklichen können. Wer dachte da nicht an den Wettbewerb für das ebenfalls am Wasser gelegene Opernhaus von Sydney, bei dem einst mit Jørn Utzon auch ein Nachwuchsarchitekt die Palme davongetragen hatte.
Die drei Zürcher haben es verstanden, zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Guido Hager und mit Beratern aus der Museumswelt ein Projekt zu kreieren, das wie kein anderes überzeugt, auch wenn der zweitplacierte Entwurf der jungen Lausanner Mondada, Bieler, Saurer ebenfalls mit einer zeichenhaften Erscheinung und einer spannenden Abfolge der Ausstellungsräume aufwarten kann. Dennoch hätte man es begrüsst, wenn zur zweiten Runde noch einige internationale Grössen geladen worden wären, auch wenn die Projekte der wenigen am ersten Durchgang beteiligten Architekten von europäischem Ruf - Dominique Perrault, MVRDV und Mario Bellini - enttäuschen. So muss nun offen bleiben, ob Stars auf die grandiose Kulisse von Stadt, See und Hochgebirge subtiler geantwortet hätten als die von der Jury einstimmig gekürten Senkrechtstarter, welche sich zu Recht gegen ein Architekturspektakel à la Bilbao und für einen formschönen, präzise placierten Bau entschieden haben.
Wahrzeichen am Wasser
Der polygonale, über einem Glasband schwebende Kubus aus weissem Kunststein steht - inspiriert von Adalberto Liberas Villa Malaparte in Capri - wie ein skulptural geschliffener Fels auf einem Sockel im Wasser. Eine platzartig gestaltete, dem benachbarten Strandbad Halt verleihende Rampe mit weitem Blick über den Léman akzentuiert die Verbindung zwischen Uferstrasse und Neubau. Vom verglasten Eingangsraum fällt eine Panorama-Rampe sanft ab zum Aussichtsrestaurant, während die darüber liegende Terrasse ins Museumsfoyer führt. Im Gegenuhrzeigersinn erreicht man auf einer weiteren Rampe den zur Stadt hin orientierten Vorraum der beiden Ausstellungsgeschosse. Hier werden zwei grosse, frei unterteilbare Kunstlichträume mit den beiden höher gelegenen Oberlichtsälen durch gegenläufige Treppen räumlich übers Kreuz verschränkt. Diese vielseitigen Räume gewähren einem immer wieder überraschende, an Jean Nouvels KKL erinnernde Ausblicke, bevor man auf der Dachterrasse vom Panorama überwältigt wird. Aber das Siegerprojekt bietet nicht nur eine sinnreiche Promenade architecturale durch die auf unterschiedliche Anforderungen antwortenden Säle und einen separat bespielbaren Restaurationsbetrieb. Es soll auch hinsichtlich Kosten und Ökologie hervorragend abgeschnitten haben.
Schon jetzt fiebert man deshalb in Lausanne der Eröffnung entgegen, die im Idealfall noch vor 2010 erfolgen soll. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn private Gönner und der einen rigorosen Sparkurs verfolgende Kanton sollen die auf 54 Millionen Franken veranschlagten Kosten je zur Hälfte übernehmen. Während die Linke aus bildungs- und kulturpolitischen Erwägungen für das Projekt eintritt, geben sich die bürgerlichen Kreise zugeknöpft. Dabei gelten heute attraktive Kunstmuseen längst als erstklassige Standortfaktoren. Auch wird das Musée des Beaux-Arts kaum mehr auf grosse Schenkungen hoffen können, wenn es seine Sammlung weiterhin nur bruchstückhaft zeigen kann. Vor diesen Tatsachen darf der Grosse Rat die Augen nicht verschliessen, wenn er demnächst über den Planungskredit abstimmt - zumal das in einem professionellen Wettbewerbsverfahren gekürte Projekt Lausannes Position als heimliche Kulturhauptstadt der Romandie weiter stärken wird. Dies veranschaulicht derzeit die gelungene, mit Verweisen auf das Musée Arlaud und den Palais de Rumine angereicherte und von einem vorbildlichen Katalog begleitete Ausstellung im Musée des Beaux-Arts.
[ Bis 15. Mai im Palais de Rumine. Katalog: 143 S., Fr. 35.-. ]
Kulturmeile und Museumsufer
Auf dem Lausanner ETH-Campus selbst kommt die umschwärmte japanische Architektin Kazuyo Sejima vom Büro Sanaa zum Zug, die hier ein wellenförmiges «Learning-Center» errichten wird. Nicht weniger ehrgeizig ist aber auch das Projekt des neuen Kunstmuseums, das zu einem Wahrzeichen am Genfersee werden soll. Bereits 1992 kam die Idee auf, das Musée des Beaux-Arts aus den beengten Verhältnissen des multifunktionalen Palais de Rumine herauszulösen. Die Sammlung, die unter anderem bedeutende Werke der Waadtländer Künstler Ducros, Gleyre und Vallotton umfasst, kann nämlich in dem pittoresken, 1906 eröffneten Palast von Gaspar André aus Lyon nicht mehr zufriedenstellend präsentiert werden. Vor vier Jahren wurde deshalb eine Parzelle bei der Bellerive Plage bestimmt, wo zwischen dem Château d'Ouchy und Max Bills Théâtre de Vidy mit dem Museumsbau ein neuer städtebaulicher Akzent gesetzt werden soll. Doch die etwas periphere Lage am See ist nicht nur schön, sondern auch schwierig, denn das Gebäude wird sich, von Ouchy aus gesehen, hinter Werfthallen verbergen. Dafür wird es zusammen mit dem Musée Olympique und dem Musée de l'Elysée die Lausanner Kulturmeile in ein eigentliches Museumsufer verwandeln.
Am letzten Donnerstag gab nun die Jury die Sieger des im Februar 2004 ausgeschriebenen zweistufigen Wettbewerbs bekannt, an dem sich nicht weniger als 249 Teams aus 15 Ländern beteiligten. Die Überraschung war gross, denn kein Weltstar wurde gekürt, sondern die gerade erst dreissig Jahre alten Architekten Maurice Berrel. Charles Wülser und Raphael Kräutler, die zwar noch nichts gebaut haben, aber mit einem Hotel in der kalifornischen Sierra Nevada und dem Privatmuseum Ernst Koller in Basel demnächst zwei interessante Projekte verwirklichen können. Wer dachte da nicht an den Wettbewerb für das ebenfalls am Wasser gelegene Opernhaus von Sydney, bei dem einst mit Jørn Utzon auch ein Nachwuchsarchitekt die Palme davongetragen hatte.
Die drei Zürcher haben es verstanden, zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Guido Hager und mit Beratern aus der Museumswelt ein Projekt zu kreieren, das wie kein anderes überzeugt, auch wenn der zweitplacierte Entwurf der jungen Lausanner Mondada, Bieler, Saurer ebenfalls mit einer zeichenhaften Erscheinung und einer spannenden Abfolge der Ausstellungsräume aufwarten kann. Dennoch hätte man es begrüsst, wenn zur zweiten Runde noch einige internationale Grössen geladen worden wären, auch wenn die Projekte der wenigen am ersten Durchgang beteiligten Architekten von europäischem Ruf - Dominique Perrault, MVRDV und Mario Bellini - enttäuschen. So muss nun offen bleiben, ob Stars auf die grandiose Kulisse von Stadt, See und Hochgebirge subtiler geantwortet hätten als die von der Jury einstimmig gekürten Senkrechtstarter, welche sich zu Recht gegen ein Architekturspektakel à la Bilbao und für einen formschönen, präzise placierten Bau entschieden haben.
Wahrzeichen am Wasser
Der polygonale, über einem Glasband schwebende Kubus aus weissem Kunststein steht - inspiriert von Adalberto Liberas Villa Malaparte in Capri - wie ein skulptural geschliffener Fels auf einem Sockel im Wasser. Eine platzartig gestaltete, dem benachbarten Strandbad Halt verleihende Rampe mit weitem Blick über den Léman akzentuiert die Verbindung zwischen Uferstrasse und Neubau. Vom verglasten Eingangsraum fällt eine Panorama-Rampe sanft ab zum Aussichtsrestaurant, während die darüber liegende Terrasse ins Museumsfoyer führt. Im Gegenuhrzeigersinn erreicht man auf einer weiteren Rampe den zur Stadt hin orientierten Vorraum der beiden Ausstellungsgeschosse. Hier werden zwei grosse, frei unterteilbare Kunstlichträume mit den beiden höher gelegenen Oberlichtsälen durch gegenläufige Treppen räumlich übers Kreuz verschränkt. Diese vielseitigen Räume gewähren einem immer wieder überraschende, an Jean Nouvels KKL erinnernde Ausblicke, bevor man auf der Dachterrasse vom Panorama überwältigt wird. Aber das Siegerprojekt bietet nicht nur eine sinnreiche Promenade architecturale durch die auf unterschiedliche Anforderungen antwortenden Säle und einen separat bespielbaren Restaurationsbetrieb. Es soll auch hinsichtlich Kosten und Ökologie hervorragend abgeschnitten haben.
Schon jetzt fiebert man deshalb in Lausanne der Eröffnung entgegen, die im Idealfall noch vor 2010 erfolgen soll. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn private Gönner und der einen rigorosen Sparkurs verfolgende Kanton sollen die auf 54 Millionen Franken veranschlagten Kosten je zur Hälfte übernehmen. Während die Linke aus bildungs- und kulturpolitischen Erwägungen für das Projekt eintritt, geben sich die bürgerlichen Kreise zugeknöpft. Dabei gelten heute attraktive Kunstmuseen längst als erstklassige Standortfaktoren. Auch wird das Musée des Beaux-Arts kaum mehr auf grosse Schenkungen hoffen können, wenn es seine Sammlung weiterhin nur bruchstückhaft zeigen kann. Vor diesen Tatsachen darf der Grosse Rat die Augen nicht verschliessen, wenn er demnächst über den Planungskredit abstimmt - zumal das in einem professionellen Wettbewerbsverfahren gekürte Projekt Lausannes Position als heimliche Kulturhauptstadt der Romandie weiter stärken wird. Dies veranschaulicht derzeit die gelungene, mit Verweisen auf das Musée Arlaud und den Palais de Rumine angereicherte und von einem vorbildlichen Katalog begleitete Ausstellung im Musée des Beaux-Arts.
[ Bis 15. Mai im Palais de Rumine. Katalog: 143 S., Fr. 35.-. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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