Bauwerk
Casa da Musica
OMA - Porto (P) - 2004
Die Schuhschachtel wird Architektur
Dietmar Steiner über Rem Koolhaas, der eben den Mies van der Rohe Award nach Hause trug und in Porto mit der Casa da Música sein erstes Stück Architektur eröffnete.
23. April 2005 - Dietmar Steiner
Montag: Verleihung des Europäischen Architekturpreises, des Mies van der Rohe Pavilion Award in Barcelona. Politikeransprachen ohne Ende. Freitag: offizielle Eröffnung der Casa da Música in Porto. Politikeransprachen ohne Ende.
Rem Koolhaas, Head of OMA und AMO, leidet. Nichts hasst der rastlose Niederländer so sehr wie unproduktive, nutzlose Zeremonien. Mit desinteressierter Arroganz soll er schon die Verleihung des Pritzker-Preises vor fünf Jahren erlitten haben. Den Europäischen Architekturpreis hat Rem Koolhaas für die niederländische Botschaft in Berlin bekommen. Von einer Jury, der es normalerweise um die reine architektonische Qualität des ausgezeichneten Objekts geht.
Eine ähnliche Begeisterung erfasste vergangenes Jahr schon die internationale Fachwelt anlässlich der Eröffnung von OMAs Public Library in Seattle. Und jetzt die Casa da Música in Porto. Endlich, so seufzt die Fachwelt, endlich macht Rem Koolhaas mit seinem Office of Metropolitan Architecture, das bisher vor allem durch seinen polemischen und theoretischen Furor den unbestrittenen Einfluss auf die Weltarchitektur geltend machte, richtige, richtig gute Architektur.
Am Rande der vom Weltkulturerbe geschützten Altstadt von Porto, einem heterogenen Stadterweiterungsgebiet an der Rotunda da Boavista, bildet das neue Konzerthaus ein deutliches Landmark. „Weißer Kristall“ oder „Meteorit“ wird das vielflächige Ding aus perfektem, weißen Beton genannt.
Schon zu Beginn stand fest, dass der Konzertsaal eine Schuhschachtel wie der Musikvereinssaal sein sollte. Für einen Raum, der Rock, Pop, Folk und Klassik erlauben musste, ist die Kiste akustisch am besten adaptierbar. Aber wie macht man aus einer Schuhschachtel Architektur ? Indem man den zweiten, kleineren Saal nicht daneben legt, sondern um 90 Grad gedreht andockt, die äußeren Linien und Punkte verbindet - und schon ergibt sich eine kristalline, räumliche Hülle, die mit Rolltreppen und vielfältigen Pausenflächen, Sonderräumen und Foyers ein wahres Feuerwerk an fantastischen, an gigantischen, räumlich-architektonischen Erlebnissen bietet.
Die öffentlichen Flächen umrunden die Säle, bieten immer wieder Einblicke durch die großen, gewellten, doppelschaligen und damit akustisch dichten Glasflächen. Von der „Eisbar“ mit Glasboden, über einen VIP-Raum mit im Photoshop rekonstruierten Azulejos bis zu Pausenräumen, die mit allen in Portugal bekannten Fliesenformen ausgestattet sind, reicht das spielerische und doch würdige Repertoire, das auch vor Bar-Theken in groben, dunklen Holzbohlen nicht zurückschreckt.
Der große Konzertsaal für circa 1300 Plätze ist innen mit hellen Holzpaneelen verkleidet, denen eine groß gepixelte Holzstruktur in Gold aufgebracht wurde. Der kleine Saal ist in tiefes Rot gehüllt. Viele zusätzliche Studios und Aufnahmeräume bilden am Ende ein perfekt ausgestattetes Musikzentrum.
„Es war nicht leicht, diesen Bau zu realisieren“, erzählt Ellen van Loom, verantwortliche Partnerin von OMA. Stadt, Region und Staat waren beteiligt, EU-Förderung sowieso. Allein sechs aufeinander folgende Minister mussten in den fünf Jahren Bauzeit immer wieder neu überzeugt werden. Es war auch nicht leicht, einen entsprechenden Kontaktarchitekten zu finden. Der Ort ist von der „Schule von Porto“ dominiert, die im spätfunktionalistischen Sinn an die Ewigkeit einer störungsfreien Moderne glaubt. Jorge Carvalho von ANC Architects konnte dann stimmig die OMA-Erfindungen mit der lokalen Bautradition verbinden. Wahrscheinlich mit ein Grund für die Perfektion der Bauausführung und der Details, die von früheren OMA-Projekten unbekannt ist. Rem Koolhaas, mit dem Kommentar konfrontiert, dass OMA hier „richtig gebaute Architektur“ realisiert hat, antwortet bekannt ironisch: „Did I do something wrong?“
Es ist der Abend vor der offiziellen politischen Eröffnung der Casa da Música. Ein Lou-Reed-Konzert haben sich die Betreiber dafür ausgedacht. Ein Zufall. Nicht wissend, dass Lou Reeds kritische Texte in eingängigen Rockmustern der affirmativen Kritik von OMA ziemlich entsprechen. Rem Koolhaas hat ihm in New York davor noch erklärt, dass dies kein normaler Gig in Europa sein würde.
Koolhaas hat privat einige Mitarbeiter und Freunde dazu eingeladen. Miuccia Prada und Bertelli sind dabei. Lou Reed hat hinter den Glasöffnungen des Saales starke Scheinwerfer installiert. Sie tauchen den Raum in wechselnde, kräftige Farben. Schemenhaft durch die Glasflächen erkennbar durchwandern Menschen den inneren öffentlichen Raum, begleiten das Konzert.
Das ist es, was OMA wollte. Vor der Zugabe bedankt sich Lou Reed bei Rem Koolhaas „for this wonderful space“. Standing Ovations. Nach dem Konzert. Koolhaas, der Architektur-Star, wird von Fotografen umringt, gibt Autogramme auf Eintrittskarten. Lou Reed, der Pop-Star, verschwindet abgeschirmt und unbelästigt.
Das ist der Unterschied. Am nächsten Morgen wird ein Architekturkritiker ein Interview mit Lou Reed machen: über das Verhältnis von Pop-Kultur und Architektur.
Rem Koolhaas, Head of OMA und AMO, leidet. Nichts hasst der rastlose Niederländer so sehr wie unproduktive, nutzlose Zeremonien. Mit desinteressierter Arroganz soll er schon die Verleihung des Pritzker-Preises vor fünf Jahren erlitten haben. Den Europäischen Architekturpreis hat Rem Koolhaas für die niederländische Botschaft in Berlin bekommen. Von einer Jury, der es normalerweise um die reine architektonische Qualität des ausgezeichneten Objekts geht.
Eine ähnliche Begeisterung erfasste vergangenes Jahr schon die internationale Fachwelt anlässlich der Eröffnung von OMAs Public Library in Seattle. Und jetzt die Casa da Música in Porto. Endlich, so seufzt die Fachwelt, endlich macht Rem Koolhaas mit seinem Office of Metropolitan Architecture, das bisher vor allem durch seinen polemischen und theoretischen Furor den unbestrittenen Einfluss auf die Weltarchitektur geltend machte, richtige, richtig gute Architektur.
Am Rande der vom Weltkulturerbe geschützten Altstadt von Porto, einem heterogenen Stadterweiterungsgebiet an der Rotunda da Boavista, bildet das neue Konzerthaus ein deutliches Landmark. „Weißer Kristall“ oder „Meteorit“ wird das vielflächige Ding aus perfektem, weißen Beton genannt.
Schon zu Beginn stand fest, dass der Konzertsaal eine Schuhschachtel wie der Musikvereinssaal sein sollte. Für einen Raum, der Rock, Pop, Folk und Klassik erlauben musste, ist die Kiste akustisch am besten adaptierbar. Aber wie macht man aus einer Schuhschachtel Architektur ? Indem man den zweiten, kleineren Saal nicht daneben legt, sondern um 90 Grad gedreht andockt, die äußeren Linien und Punkte verbindet - und schon ergibt sich eine kristalline, räumliche Hülle, die mit Rolltreppen und vielfältigen Pausenflächen, Sonderräumen und Foyers ein wahres Feuerwerk an fantastischen, an gigantischen, räumlich-architektonischen Erlebnissen bietet.
Die öffentlichen Flächen umrunden die Säle, bieten immer wieder Einblicke durch die großen, gewellten, doppelschaligen und damit akustisch dichten Glasflächen. Von der „Eisbar“ mit Glasboden, über einen VIP-Raum mit im Photoshop rekonstruierten Azulejos bis zu Pausenräumen, die mit allen in Portugal bekannten Fliesenformen ausgestattet sind, reicht das spielerische und doch würdige Repertoire, das auch vor Bar-Theken in groben, dunklen Holzbohlen nicht zurückschreckt.
Der große Konzertsaal für circa 1300 Plätze ist innen mit hellen Holzpaneelen verkleidet, denen eine groß gepixelte Holzstruktur in Gold aufgebracht wurde. Der kleine Saal ist in tiefes Rot gehüllt. Viele zusätzliche Studios und Aufnahmeräume bilden am Ende ein perfekt ausgestattetes Musikzentrum.
„Es war nicht leicht, diesen Bau zu realisieren“, erzählt Ellen van Loom, verantwortliche Partnerin von OMA. Stadt, Region und Staat waren beteiligt, EU-Förderung sowieso. Allein sechs aufeinander folgende Minister mussten in den fünf Jahren Bauzeit immer wieder neu überzeugt werden. Es war auch nicht leicht, einen entsprechenden Kontaktarchitekten zu finden. Der Ort ist von der „Schule von Porto“ dominiert, die im spätfunktionalistischen Sinn an die Ewigkeit einer störungsfreien Moderne glaubt. Jorge Carvalho von ANC Architects konnte dann stimmig die OMA-Erfindungen mit der lokalen Bautradition verbinden. Wahrscheinlich mit ein Grund für die Perfektion der Bauausführung und der Details, die von früheren OMA-Projekten unbekannt ist. Rem Koolhaas, mit dem Kommentar konfrontiert, dass OMA hier „richtig gebaute Architektur“ realisiert hat, antwortet bekannt ironisch: „Did I do something wrong?“
Es ist der Abend vor der offiziellen politischen Eröffnung der Casa da Música. Ein Lou-Reed-Konzert haben sich die Betreiber dafür ausgedacht. Ein Zufall. Nicht wissend, dass Lou Reeds kritische Texte in eingängigen Rockmustern der affirmativen Kritik von OMA ziemlich entsprechen. Rem Koolhaas hat ihm in New York davor noch erklärt, dass dies kein normaler Gig in Europa sein würde.
Koolhaas hat privat einige Mitarbeiter und Freunde dazu eingeladen. Miuccia Prada und Bertelli sind dabei. Lou Reed hat hinter den Glasöffnungen des Saales starke Scheinwerfer installiert. Sie tauchen den Raum in wechselnde, kräftige Farben. Schemenhaft durch die Glasflächen erkennbar durchwandern Menschen den inneren öffentlichen Raum, begleiten das Konzert.
Das ist es, was OMA wollte. Vor der Zugabe bedankt sich Lou Reed bei Rem Koolhaas „for this wonderful space“. Standing Ovations. Nach dem Konzert. Koolhaas, der Architektur-Star, wird von Fotografen umringt, gibt Autogramme auf Eintrittskarten. Lou Reed, der Pop-Star, verschwindet abgeschirmt und unbelästigt.
Das ist der Unterschied. Am nächsten Morgen wird ein Architekturkritiker ein Interview mit Lou Reed machen: über das Verhältnis von Pop-Kultur und Architektur.
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