Bauwerk
Schloss Gemeindezentrum
Johannes Zieser - Würmla (A) - 2003
Ja, auch Demut
Die Bauherren zufrieden, der Kostenrahmen eingehalten - und überdies: städtebaulich, konzeptionell und architektonisch geglückt. Zwei Beispiele zeitgenössischen Architektenhandwerks in Niederösterreich.
9. April 2005 - Walter Zschokke
Bei den medial aufbereiteten und oft gezeigten Beispielen publizierter Architektur handelt es sich immer um eine selektive Auswahl. Zum einen, weil viel mehr gebaut wird, als publiziert werden kann, zum anderen aber auch, weil eine bloß sorgfältig gemachte Architektenarbeit nicht ausreichend attraktiv ist, als dass sich ein Kritiker oder eine Kritikerin, die ja vom Glanz des publizierten Werks auch ein wenig abbekommen möchten, damit befassen. Es sind daher vor allem Arbeiten der medial bevorzugten „Stars“ oder formal sensationelle Projekte von Newcomern, als deren Entdecker sich Kritiker ebenfalls gern sehen, die besprochen werden. Ebenfalls beliebt sind Einfamilienhäuser, weil sie ein breites Publikum ansprechen, sowie - als wohlfeile Negativbeispiele - die Arbeiten der Häuselbauer, weil deren Geschmack oft genug verwirrt ist und sich ziemlich ungleichzeitig zum gerade gültigen und publizierten bewegt.
Architekten, die ihr Handwerk differenziert und sorgfältig, aber ohne Hang zu Sensationalismen betreiben, müssen sich denn auch von „Star“-Kollegen womöglich als „Häuselbauer“ abqualifizieren lassen, auch wenn ihre Arbeit für das Erscheinungsbild der Masse des Gebauten wichtiger ist als all die missverstandenen Kopien medial bekannter Bauten oder als die missglückten Arbeiten von Stars, die eher verschwiegen werden. Es sei denn, sie werden von Claqueuren und Nebelmachern so lange hoch gelobt, bis auch die Letzten begriffen haben, dass hier ein Misserfolg kaschiert werden soll.
Für Kritiker ist es daher erholsam, sich mit Bauten zu befassen, die alltägliches zeitgenössisches Architektenhandwerk repräsentieren, die die Bedürfnisse der Bauherrschaft erfüllen, den Kostenrahmen nicht überschreiten und dennoch städtebaulich, konzeptionell und architektonisch geglückt sind. Dies betrifft oft Sanierungen, Erneuerungen und Erweiterungen von Gebäuden aus Phasen intensiver Bautätigkeit, etwa der Gründerzeit oder der 1960er- und 1970er-Jahre, wie sie heute anstehen. Unsere beiden Beispiele stehen stellvertretend für andere, und der verantwortliche Architekt, Johannes Zieser, ist kein einsamer Vertreter seines Berufsstandes. Es gibt ausreichend gleich Gesinnte.
Die Gemeinde Würmla liegt an der Straße Richtung Tulln zwischen Böheimkirchen und Michelhausen. Das wahrscheinlich einzige besondere Bauwerk im Dorf ist das gründerzeitliche Schloss, das im Vergleich mit Schönbrunn natürlich im Erdboden versinken würde. Aber in Würmla ist Schönbrunn weit weg, und das Schloss - in einem Park mit alten Bäumen gelegen - wird zum architektonischen Angelpunkt. Jahrzehntelang vernachlässigt, waren seine Mauern durchfeuchtet, das Dach war undicht und der Park verwildert. Für einen privaten Käufer gab das Gebäude zu wenig her, und für eine öffentliche Nutzung des gesamten Hauses ist die Gemeinde zu klein. Den Niedergang beendete ein Konzept, das im Erdgeschoß unter anderem das Gemeindeamt und die Mediathek vorsah, im Obergeschoß den Einbau von Wohnungen. Aber auch dafür musste ein Investor gefunden werden, was mit der gemeinnützigen Genossenschaft Alpenland gelang.
Die geräumige Eingangshalle und das repräsentative Treppenhaus dienen heute beiden Nutzergruppen. Die wenigen, in ihrer Qualität erhaltenen Räume im Erdgeschoß boten für das Bürgermeisterzimmer und den Ratsaal einen würdigen Rahmen, auch wenn von den Stuckdecken bloß eine gerettet werden konnte. Dafür wertet der eine oder andere Kachelofen mit seiner Präsenz jeweils einen Raum auf. Das Äußere des Schlosses wurde nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten hergerichtet und der vollkommen zugewachsene Park ausgelichtet, sodass das freundlich-helle Gebäude nun in einem Hain hoher Bäume steht, wodurch die bescheidene Anlage aufgewertet wird. Die größten Eingriffe erfolgten im Obergeschoß, wobei es sich als Chance erwies, dass die Dippelbaumdecken verrottet waren und ersetzt werden mussten, weil die neue Stahlbetondecke einige Zentimeter höher gesetzt werden konnte, sodass in der Mittelzone eine Galerie eingezogen und die Wohnfläche vergrößert werden konnte.
Die hohen Fenster des Piano nobile lassen genügend Licht herein, dass auch die oberen Raumzonen nicht düster wirken. Unter der Galerie befinden sich Sanitär- und Abstellräume, die niedriger als die Wohnräume sein dürfen. Die zwölf Wohnungen zu zwei und drei Zimmern mit der meist als zusätzliche Wohnzone genutzten Galerie haben alle Abnehmer gefunden.
Beim Bundesschulzentrum für wirtschaftliche Berufe in Horn galt es, einen Bestand aus den 1970er-Jahren zu erweitern und überdies wärmetechnisch zu sanieren. Der zweiflügelige Erweiterungsbau setzt in der Mittelachse an der Rückseite des Bestandes an. Als räumliches Gelenk wirken die alte Treppe und, an diese anschließend, im Erd- sowie im ersten Obergeschoß eine großzügige Halle. Die beiden Flügel mit Klassenzimmern sind vom Altbau geringfügig weggeschwenkt, was sich noch an der Rückseite an der leicht polygonal eingezogenen Fassade abbildet. Städtebaulich nimmt der Baukörper in unaufgeregter Weise sowohl mit dem Bestand, an den er angebaut ist, als auch mit der rückwärtigen Nachbarschaft der Volksschule einen entspannten Dialog auf und führt das angelegte Konzept weiter. Sein zeitgenössischer Charakter realisiert sich auf der architektonischen Ebene: Die Treppen in den Flügeln liegen in lichtdurchfluteten Ganghallen. Eine farbige Folie im Verbundsicherheitsglas der Geländer bietet sowohl Transparenz als auch Differenz zur verglasten Fassade davor.
Neue Wandelemente im Altbau erhielten eine am Computer verfremdete Gestaltung durch die Künstlerin Elisabeth Handl, deren Ausgangsmotive Schülerfotos waren. Die Flächen in Orangetönen beleben die Stimmung in den Ganghallen und relativieren den ehemals nüchternen Charakter. Die alte Treppe mit ihren Sichtbetonwangen und Brüstungsauflagen aus dunklem Holz wurde original bewahrt. Sie zeugt von der Zeit, da ein Stiegenaufgang - auch in sparsamen Jahren - als architektonisch-räumliche Inszenierung aufgefasst wurde, dem mit beschränkten Mitteln Ausdruck verliehen wurde. Es ist nicht zuletzt das Verdienst von Johannes Zieser, diese zurückhaltende Qualität erfasst und im originalen Charakter in das erneuerte Konzept überführt zu haben. Denn bei dieser Sanierung und Erweiterung ging es nicht darum, dem qualitativ durchschnittlichen Bestand in demütigender Weise eine gegensätzliche Gestaltung überzustülpen, sondern darum, positive Elemente der Grundriss- und Raumstruktur aufzunehmen und mit eigenständigen, aber nicht konträren Elementen zu einem neuen Ganzen zu verbinden.
Das ist weder ein falsches Amalgamieren als Folge unklaren Denkens noch ein billig zu habendes, scheinradikales Schwelgen in hochgespielten Gegensätzen. Es ist viel schwieriger, weil sowohl im Erkennen als auch beim Entwerfen Sensibilität und - ja, auch Demut vor dem Vorhandenen gefordert sind, ohne dass dabei das Gesamtkonzept aus den Augen gelassen wird.
Architekten, die ihr Handwerk differenziert und sorgfältig, aber ohne Hang zu Sensationalismen betreiben, müssen sich denn auch von „Star“-Kollegen womöglich als „Häuselbauer“ abqualifizieren lassen, auch wenn ihre Arbeit für das Erscheinungsbild der Masse des Gebauten wichtiger ist als all die missverstandenen Kopien medial bekannter Bauten oder als die missglückten Arbeiten von Stars, die eher verschwiegen werden. Es sei denn, sie werden von Claqueuren und Nebelmachern so lange hoch gelobt, bis auch die Letzten begriffen haben, dass hier ein Misserfolg kaschiert werden soll.
Für Kritiker ist es daher erholsam, sich mit Bauten zu befassen, die alltägliches zeitgenössisches Architektenhandwerk repräsentieren, die die Bedürfnisse der Bauherrschaft erfüllen, den Kostenrahmen nicht überschreiten und dennoch städtebaulich, konzeptionell und architektonisch geglückt sind. Dies betrifft oft Sanierungen, Erneuerungen und Erweiterungen von Gebäuden aus Phasen intensiver Bautätigkeit, etwa der Gründerzeit oder der 1960er- und 1970er-Jahre, wie sie heute anstehen. Unsere beiden Beispiele stehen stellvertretend für andere, und der verantwortliche Architekt, Johannes Zieser, ist kein einsamer Vertreter seines Berufsstandes. Es gibt ausreichend gleich Gesinnte.
Die Gemeinde Würmla liegt an der Straße Richtung Tulln zwischen Böheimkirchen und Michelhausen. Das wahrscheinlich einzige besondere Bauwerk im Dorf ist das gründerzeitliche Schloss, das im Vergleich mit Schönbrunn natürlich im Erdboden versinken würde. Aber in Würmla ist Schönbrunn weit weg, und das Schloss - in einem Park mit alten Bäumen gelegen - wird zum architektonischen Angelpunkt. Jahrzehntelang vernachlässigt, waren seine Mauern durchfeuchtet, das Dach war undicht und der Park verwildert. Für einen privaten Käufer gab das Gebäude zu wenig her, und für eine öffentliche Nutzung des gesamten Hauses ist die Gemeinde zu klein. Den Niedergang beendete ein Konzept, das im Erdgeschoß unter anderem das Gemeindeamt und die Mediathek vorsah, im Obergeschoß den Einbau von Wohnungen. Aber auch dafür musste ein Investor gefunden werden, was mit der gemeinnützigen Genossenschaft Alpenland gelang.
Die geräumige Eingangshalle und das repräsentative Treppenhaus dienen heute beiden Nutzergruppen. Die wenigen, in ihrer Qualität erhaltenen Räume im Erdgeschoß boten für das Bürgermeisterzimmer und den Ratsaal einen würdigen Rahmen, auch wenn von den Stuckdecken bloß eine gerettet werden konnte. Dafür wertet der eine oder andere Kachelofen mit seiner Präsenz jeweils einen Raum auf. Das Äußere des Schlosses wurde nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten hergerichtet und der vollkommen zugewachsene Park ausgelichtet, sodass das freundlich-helle Gebäude nun in einem Hain hoher Bäume steht, wodurch die bescheidene Anlage aufgewertet wird. Die größten Eingriffe erfolgten im Obergeschoß, wobei es sich als Chance erwies, dass die Dippelbaumdecken verrottet waren und ersetzt werden mussten, weil die neue Stahlbetondecke einige Zentimeter höher gesetzt werden konnte, sodass in der Mittelzone eine Galerie eingezogen und die Wohnfläche vergrößert werden konnte.
Die hohen Fenster des Piano nobile lassen genügend Licht herein, dass auch die oberen Raumzonen nicht düster wirken. Unter der Galerie befinden sich Sanitär- und Abstellräume, die niedriger als die Wohnräume sein dürfen. Die zwölf Wohnungen zu zwei und drei Zimmern mit der meist als zusätzliche Wohnzone genutzten Galerie haben alle Abnehmer gefunden.
Beim Bundesschulzentrum für wirtschaftliche Berufe in Horn galt es, einen Bestand aus den 1970er-Jahren zu erweitern und überdies wärmetechnisch zu sanieren. Der zweiflügelige Erweiterungsbau setzt in der Mittelachse an der Rückseite des Bestandes an. Als räumliches Gelenk wirken die alte Treppe und, an diese anschließend, im Erd- sowie im ersten Obergeschoß eine großzügige Halle. Die beiden Flügel mit Klassenzimmern sind vom Altbau geringfügig weggeschwenkt, was sich noch an der Rückseite an der leicht polygonal eingezogenen Fassade abbildet. Städtebaulich nimmt der Baukörper in unaufgeregter Weise sowohl mit dem Bestand, an den er angebaut ist, als auch mit der rückwärtigen Nachbarschaft der Volksschule einen entspannten Dialog auf und führt das angelegte Konzept weiter. Sein zeitgenössischer Charakter realisiert sich auf der architektonischen Ebene: Die Treppen in den Flügeln liegen in lichtdurchfluteten Ganghallen. Eine farbige Folie im Verbundsicherheitsglas der Geländer bietet sowohl Transparenz als auch Differenz zur verglasten Fassade davor.
Neue Wandelemente im Altbau erhielten eine am Computer verfremdete Gestaltung durch die Künstlerin Elisabeth Handl, deren Ausgangsmotive Schülerfotos waren. Die Flächen in Orangetönen beleben die Stimmung in den Ganghallen und relativieren den ehemals nüchternen Charakter. Die alte Treppe mit ihren Sichtbetonwangen und Brüstungsauflagen aus dunklem Holz wurde original bewahrt. Sie zeugt von der Zeit, da ein Stiegenaufgang - auch in sparsamen Jahren - als architektonisch-räumliche Inszenierung aufgefasst wurde, dem mit beschränkten Mitteln Ausdruck verliehen wurde. Es ist nicht zuletzt das Verdienst von Johannes Zieser, diese zurückhaltende Qualität erfasst und im originalen Charakter in das erneuerte Konzept überführt zu haben. Denn bei dieser Sanierung und Erweiterung ging es nicht darum, dem qualitativ durchschnittlichen Bestand in demütigender Weise eine gegensätzliche Gestaltung überzustülpen, sondern darum, positive Elemente der Grundriss- und Raumstruktur aufzunehmen und mit eigenständigen, aber nicht konträren Elementen zu einem neuen Ganzen zu verbinden.
Das ist weder ein falsches Amalgamieren als Folge unklaren Denkens noch ein billig zu habendes, scheinradikales Schwelgen in hochgespielten Gegensätzen. Es ist viel schwieriger, weil sowohl im Erkennen als auch beim Entwerfen Sensibilität und - ja, auch Demut vor dem Vorhandenen gefordert sind, ohne dass dabei das Gesamtkonzept aus den Augen gelassen wird.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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