Bauwerk

Umweltbundesamt
Sauerbruch Hutton - Dessau (D) - 2005
Umweltbundesamt, Foto: Annette Kisling

Umweltbundesamt Dessau

9. Juni 2006 - Achim Geissinger
So viel Heiterkeit war selten in deutschen Amtsstuben. Licht, Luft, frei schwingende Formen und vielerlei Farben prägen das auffällige Gebäude im so genannten Gasviertel. Der Bau entstand auf einer ehedem stark kontaminierten Industriefläche in unmittelbarer Nähe zu Stadtmitte und Bahnhof und wirkt schon vom Zug aus wie ein freundlicher Fingerzeig, der bessere Zeiten für die vom Strukturwandel stark gebeutelte Stadt heraufbeschwört.

Mit dem Umzug der Behörde von Berlin nach Dessau Mitte 2005 war eine ganze Reihe von Erwartungen verknüpft, vor allem erhoffte man sich neue Impulse für die Stadtentwicklung. Ob sie eingelöst werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Fest steht jedoch, dass trotz eines umfassenden Katalogs von einschränkenden Anforderungen und angesichts einer Vielzahl unterschiedlicher Behörden, die alle bei der Planung mit zu entscheiden hatten, ein gestalterisch anspruchsvolles und räumlich überzeugendes Gebäudeensemble entstanden ist.

Von Anfang an wurde das neue Domizil des Umweltbundesamtes als eine Art Prototyp des vorbildlichen Verwaltungsbaus und – dem Nutzer entsprechend – als Aushängeschild ökologisch orientierten Bauens konzipiert. Bereits zum Wettbewerb war für die Entwicklung eines umfassenden Energiekonzepts die enge Zusammenarbeit mit den Gebäudetechnikern gefragt. Das Konzept wurde während der konkreten Planungen mehrfach optimiert, weiterentwickelt und, wo dem Einsatz ausgefeilter Techniken zu hohe Investitionskosten entgegenstanden, auf Low-tech-Lösungen zurückgefahren. Im Ergebnis zeigt der Bau nun eine Zusammenstellung verschiedener Komponenten, zuvorderst die durch die kompakte Gebäudeform minimierte, hoch gedämmte Gebäudehülle – eine mit Zelluloseflocken ausgefüllte Holzkonstruktion mit hoher Luftdichtigkeit. Das lang gestreckte Atrium dient zugleich als thermische Pufferzone und als Konvektionskamin für die natürliche Lüftung. Zur Nachtauskühlung wird die Öffnung von Lüftungsklappen in den Büros zentral gesteuert und die Luft durch natürliche Konvektion über das Atrium abgeführt. Dessen Glasdach wird teils mit einem beweglichen textilen Sonnenschutz, teils durch feste Fotovoltaik-Elemente verschattet. Solarkollektoren sollen den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergiebedarf auf 15 bis 20 Prozent anheben.

Heizbedarfsspitzen werden über den Anschluss an das Fernwärmenetz abgefangen. Die Zuluft für die Büros wird im Kanal der Erdwärmetauschanlage – mit fünf Kilometern Länge eine der größten weltweit – vortemperiert. Der Flächenanteil der dreifach verglasten Fenster mit Öffnungsbeschränkung beträgt bei den Außenwänden 35 und bei den Innenwänden 60 Prozent. Der Tageslichtausnutzung kommen die geringe Gebäudetiefe und die halboffen gestalteten Flurwände zugute. Bei herabgelassenen Sonnenschutzjalousien muss kein Kunstlicht zugeschaltet werden; die Lamellen lenken einen Teil des Sonnenlichts an die hellen Zimmerdecken.

Zum ökologischen Gesamtkonzept gehört auch die Auswahl möglichst unbedenklicher Baustoffe: Für die Böden wurde Naturkautschuk verwendet, Blechverwahrungen im Dach mit verzinntem Kupfer ausgeführt und die Fassade mit unbehandeltem Lärchenholz verkleidet. Dem Wunsch des Bauherrn nach größtmöglicher Offenheit entsprechen die öffentlich zugänglichen Bereiche rund um das verglaste Foyer und die am Gebäude entlang führende Parkanlage. Der an das verwinkelte Grundstück angepasste geschwungene Grundriss schafft trotz der banalen Aneinanderreihung stark normierter Zellenbüros und minimierter Flurflächen im Innen- wie auch im Außenraum eine Abfolge heiterer Räume und lässt an keiner Stelle Assoziationen an den Ehrfurcht gebietenden Verwaltungsbau vergangener Tage aufkommen.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de