Bauwerk
Bürogebäude WSJ-158
SANAA - Basel (CH) - 2006
Gegensätzliches in Harmonie
Neubauten von Peter Märkli und Sanaa in Basel
Auf dem Novartis-Campus in Basel realisieren führende Architekten wichtige Neubauten. Nun werden die neusten Gebäude von Sanaa und Peter Märkli in einer Basler Ausstellung präsentiert.
10. Oktober 2006 - Lutz Windhöfel
Der Eingangsbereich des Novartis-Campus in Basel ist nahezu fertiggestellt. Im vergangenen Jahr bezog man mit dem «Forum 3» von Diener & Diener das erste Haus der neuen Firmenstadt. Auf derselben Gebäudeachse (mit gleicher Höhe und Tiefe) wird gerade ein Verwaltungshaus des Tokioter Architekturbüros Sanaa von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa vollendet. Parallel zum Sanaa-Bau und zeitgleich mit diesem entstand an der Fabrikstrasse das «Visitors Center» des Zürcher Architekten Peter Märkli. Die Fabrikstrasse beginnt an der Voltastrasse (und der neuen Stadtautobahn), führt zwischen den Bauten von Sanaa und Diener & Diener, die eine Art Portal bilden, hindurch, quert als wichtigste Erschliessungsachse den gesamten Campus und endet an der Grenze zu Frankreich mit einer grossen Stahlplastik von Richard Serra. Vor der nahezu 170 Meter breiten Glasfront, welche die beiden Häuser von Diener & Diener und Sanaa gemeinsam aufspannen, sollen bis zum kommenden Spätsommer noch ein Eingangspavillon und ein von Vogt Landschaftsarchitekten gestalteter Park über der neuen Tiefgarage entstehen. Dieses halböffentliche Areal verlängert den öffentlichen Grünraum der Voltamatte nach Nordosten und wird, wenn die bisherigen Silobauten am Hafen St. Johann einst abgerissen sind, bis zum Rhein reichen.
Präsentation im Architekturmuseum
So weit ist es noch nicht. Aber mit den Bauten von Märkli und Sanaa beginnt der Masterplan des Zürcher ETH-Professors Vittorio Magnago Lampugnani Gestalt anzunehmen. Das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel nutzt die Fertigstellung der Bauten von Märkli und Sanaa zu einer Ausstellung. Mit grossen Modellen des Masterplans (1:500), der Situation der beiden Neubauten (je 1:250) und der Raumskulptur des Sanaa-Hauses (1:50) werden Volumetrien und Räume anschaulich gemacht. In Vitrinen präsentiert man Märklis Entwurfsskizzen und - mit Stein, Holz oder dem Metallprofil der Fassade - die hauptsächlichen Materialien seines Hauses. Ferner ist ein Aluminium-Sandguss zu sehen. Er veranschaulicht die piranesische Geländerkonstruktion, die in allen Stockwerken von Märklis Neubau skulpturale Akzente setzt. Weiter sind Beispiele der Gebäudebeschriftungen des Trios Natalie Bringolf, Kristin Irion und Irene Vögeli in Aluminium, Palladium und Blattgold ausgestellt. In der Totale wird das Haus mit Fotografien von Paolo Rosseli visualisiert, die man auch in der Begleitpublikation findet.
Vom Neubau des Büros Sanaa, der in diesen Wochen fertiggestellt wird (eine Baumonographie ist in Vorbereitung), werden neben dem Modell auch Pläne sowie erste fotografische Bilder von Walter Niedermayr präsentiert, die das gläserne Bauwerk zwar als Baustelle, aber bereits mit der linearen Transparenz seiner Fassaden und der Lichthaltigkeit seiner Innenräume zeigen.
Kunstvolle Präzision
Das Haus von Peter Märkli ist - je nach Standpunkt - eine Zumutung und ein Brillant. Es ist bald üppig und kostbar, bald opulent, banal oder von verschwenderischem Geiz. Von aussen wirkt es zunächst wie der Dutzendbau eines Verwaltungssitzes. Im Innern wähnt man sich zunächst in einem venezianischen Palazzo, dann in einer Bündner Arvenstube. Dazwischen ahnt man die Kasino-Atmosphäre von Las Vegas. Märkli veranstaltet eine Material-Travestie mit der artistischen Präzision eines Hochseilaktes, die Überraschung und Wohlgefühl auslöst, die virtuos spielt, scheinbar Unvereinbares kombiniert und eine Harmonie des Gegensätzlichen erzeugt. Stadt und Land, Salon und Bauernstube, Barock und Futurismus, Intimität und Weite, Distanz und Nähe scheinen sich in Märklis Raum- und Materialkontinuum zu vereinen. Über dem in makellos weissem Carraramarmor und der kühlen Eleganz eines Palast-Entrées gehaltenen Parterre erheben sich fünf Geschosse um einen Lichthof. Alle Decken sind aus furnierter Eibe, die so geschnitten, geschliffen und kassettiert ist, dass jede Rustikalität verlorengeht und sich die Wirkung von Ebenholz oder Mahagoni einstellt. Gleiches gilt für das Auditorium des Untergeschosses mit seinen 124 Eames-Lobby-Chairs.
In den Obergeschossen kommt zur Holzdecke ein Wandtäfer an den zwei Erschliessungskernen. Auf dem Boden der sonst völlig verglasten Büroebenen liegt ein tiefblauer Teppichboden. Die Brüstungen zum Lichthof und die Marmortreppen sind mit Geländerstützen aus porösem Aluminiumguss und einem Handlauf mit Olivenholzfurnier versehen. Die kleinteilige Maserung der Eibe und das gestische Linienspiel des geschnittenen Olivenholzes geben der sachlich-coolen Ambiance einen expressiven Charakter, dem die grob wirkende Oberfläche des Aluminiumgusses das Flair einer Edelbaustelle hinzufügt.
Hier spürt man auch das Las-Vegas-Feeling des neuen Visitors Center. Märkli schöpft ohne Berührungsängste aus dem Material- und Formenfundus, den Bauindustrie und Architekturgeschichte bieten. Damit pflegt er einen Manierismus, den die Moderne als Todsünde stigmatisierte. Wenn man diesen Material- und Formenmix nach ausschliesslich funktional-ökonomischen Kriterien in die Dreidimensionalität überführt, entsteht Kitsch. Wenn man ihn aber so planerisch exakt und mit virtuoser Handwerklichkeit einsetzt wie Märkli, wird er Kunst. So muss man schliesslich auch die Fassade lesen, die mit 22 Metern Höhe und 5700 Quadratmetern Fläche zunächst einen simplen Verwaltungsbau vermuten lässt. Doch die champagnerfarbene Haut der vorfabrizierten Aluminiumteile ordnet sich präzise dem architektonischen Entwurf unter.
Transparenz
Der Neubau von Sanaa ist nur durch die Lage und die Gemeinsamkeiten in Höhe und Nutzung mit Märklis Gebäude vergleichbar. Hier geht es nicht um die Repräsentation eines weltweit tätigen Unternehmens, sondern um die Transparenz, Helligkeit und Freundlichkeit eines Bürohauses. Die Architekten aus Tokio haben den 80 Meter langen und 20 Meter tiefen Baukörper, der über sechs Geschosse in 22 Meter Höhe führt, mit einem Lichthof ausgehöhlt. Alle Aussenwände sind aus Glas, die Geschossdecken so dünn, dass sie von aussen kaum sichtbar sind und ein durchgehendes Raumkontinuum suggerieren. Treppen und Geländer sind weiss lackierte, einfache Metallkonstruktionen, die an ein Schiffsdeck erinnern. Jeder Gang in den Geschossen ist mit dem Blick zum Aussenraum verbunden. In wenigen Wochen soll der Lichthof des Sanaa-Baues zu einem von Vogt Landschaftsarchitekten konzipierten bepflanzten Wasserbecken werden.
Und am Haupteingang haben Sanaa jene sechs Meter hohe Fussgängerarkade geschaffen, die Lampugnanis Masterplan vorschreibt und die, durch eine Gasse getrennt, nahtlos in jene des Visitors Center von Peter Märkli übergeht. Und Märklis Arkade hat auf der Strassenseite ein monumentales Schrift-Display von Jenny Holzer. Wenn man will, erinnert auch dessen pausenlos laufende Botschaft an Las Vegas.
[ Ausstellung im SAM bis 26. November. Begleitpublikation: Novartis-Campus. Peter Märkli. Hrsg. Ulrike Jehle. Christoph- Merian-Verlag, Basel 2006. 79 S., Fr. 49.-. Zum Neubau von Sanaa ist eine Monographie in Vorbereitung. ]
Präsentation im Architekturmuseum
So weit ist es noch nicht. Aber mit den Bauten von Märkli und Sanaa beginnt der Masterplan des Zürcher ETH-Professors Vittorio Magnago Lampugnani Gestalt anzunehmen. Das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel nutzt die Fertigstellung der Bauten von Märkli und Sanaa zu einer Ausstellung. Mit grossen Modellen des Masterplans (1:500), der Situation der beiden Neubauten (je 1:250) und der Raumskulptur des Sanaa-Hauses (1:50) werden Volumetrien und Räume anschaulich gemacht. In Vitrinen präsentiert man Märklis Entwurfsskizzen und - mit Stein, Holz oder dem Metallprofil der Fassade - die hauptsächlichen Materialien seines Hauses. Ferner ist ein Aluminium-Sandguss zu sehen. Er veranschaulicht die piranesische Geländerkonstruktion, die in allen Stockwerken von Märklis Neubau skulpturale Akzente setzt. Weiter sind Beispiele der Gebäudebeschriftungen des Trios Natalie Bringolf, Kristin Irion und Irene Vögeli in Aluminium, Palladium und Blattgold ausgestellt. In der Totale wird das Haus mit Fotografien von Paolo Rosseli visualisiert, die man auch in der Begleitpublikation findet.
Vom Neubau des Büros Sanaa, der in diesen Wochen fertiggestellt wird (eine Baumonographie ist in Vorbereitung), werden neben dem Modell auch Pläne sowie erste fotografische Bilder von Walter Niedermayr präsentiert, die das gläserne Bauwerk zwar als Baustelle, aber bereits mit der linearen Transparenz seiner Fassaden und der Lichthaltigkeit seiner Innenräume zeigen.
Kunstvolle Präzision
Das Haus von Peter Märkli ist - je nach Standpunkt - eine Zumutung und ein Brillant. Es ist bald üppig und kostbar, bald opulent, banal oder von verschwenderischem Geiz. Von aussen wirkt es zunächst wie der Dutzendbau eines Verwaltungssitzes. Im Innern wähnt man sich zunächst in einem venezianischen Palazzo, dann in einer Bündner Arvenstube. Dazwischen ahnt man die Kasino-Atmosphäre von Las Vegas. Märkli veranstaltet eine Material-Travestie mit der artistischen Präzision eines Hochseilaktes, die Überraschung und Wohlgefühl auslöst, die virtuos spielt, scheinbar Unvereinbares kombiniert und eine Harmonie des Gegensätzlichen erzeugt. Stadt und Land, Salon und Bauernstube, Barock und Futurismus, Intimität und Weite, Distanz und Nähe scheinen sich in Märklis Raum- und Materialkontinuum zu vereinen. Über dem in makellos weissem Carraramarmor und der kühlen Eleganz eines Palast-Entrées gehaltenen Parterre erheben sich fünf Geschosse um einen Lichthof. Alle Decken sind aus furnierter Eibe, die so geschnitten, geschliffen und kassettiert ist, dass jede Rustikalität verlorengeht und sich die Wirkung von Ebenholz oder Mahagoni einstellt. Gleiches gilt für das Auditorium des Untergeschosses mit seinen 124 Eames-Lobby-Chairs.
In den Obergeschossen kommt zur Holzdecke ein Wandtäfer an den zwei Erschliessungskernen. Auf dem Boden der sonst völlig verglasten Büroebenen liegt ein tiefblauer Teppichboden. Die Brüstungen zum Lichthof und die Marmortreppen sind mit Geländerstützen aus porösem Aluminiumguss und einem Handlauf mit Olivenholzfurnier versehen. Die kleinteilige Maserung der Eibe und das gestische Linienspiel des geschnittenen Olivenholzes geben der sachlich-coolen Ambiance einen expressiven Charakter, dem die grob wirkende Oberfläche des Aluminiumgusses das Flair einer Edelbaustelle hinzufügt.
Hier spürt man auch das Las-Vegas-Feeling des neuen Visitors Center. Märkli schöpft ohne Berührungsängste aus dem Material- und Formenfundus, den Bauindustrie und Architekturgeschichte bieten. Damit pflegt er einen Manierismus, den die Moderne als Todsünde stigmatisierte. Wenn man diesen Material- und Formenmix nach ausschliesslich funktional-ökonomischen Kriterien in die Dreidimensionalität überführt, entsteht Kitsch. Wenn man ihn aber so planerisch exakt und mit virtuoser Handwerklichkeit einsetzt wie Märkli, wird er Kunst. So muss man schliesslich auch die Fassade lesen, die mit 22 Metern Höhe und 5700 Quadratmetern Fläche zunächst einen simplen Verwaltungsbau vermuten lässt. Doch die champagnerfarbene Haut der vorfabrizierten Aluminiumteile ordnet sich präzise dem architektonischen Entwurf unter.
Transparenz
Der Neubau von Sanaa ist nur durch die Lage und die Gemeinsamkeiten in Höhe und Nutzung mit Märklis Gebäude vergleichbar. Hier geht es nicht um die Repräsentation eines weltweit tätigen Unternehmens, sondern um die Transparenz, Helligkeit und Freundlichkeit eines Bürohauses. Die Architekten aus Tokio haben den 80 Meter langen und 20 Meter tiefen Baukörper, der über sechs Geschosse in 22 Meter Höhe führt, mit einem Lichthof ausgehöhlt. Alle Aussenwände sind aus Glas, die Geschossdecken so dünn, dass sie von aussen kaum sichtbar sind und ein durchgehendes Raumkontinuum suggerieren. Treppen und Geländer sind weiss lackierte, einfache Metallkonstruktionen, die an ein Schiffsdeck erinnern. Jeder Gang in den Geschossen ist mit dem Blick zum Aussenraum verbunden. In wenigen Wochen soll der Lichthof des Sanaa-Baues zu einem von Vogt Landschaftsarchitekten konzipierten bepflanzten Wasserbecken werden.
Und am Haupteingang haben Sanaa jene sechs Meter hohe Fussgängerarkade geschaffen, die Lampugnanis Masterplan vorschreibt und die, durch eine Gasse getrennt, nahtlos in jene des Visitors Center von Peter Märkli übergeht. Und Märklis Arkade hat auf der Strassenseite ein monumentales Schrift-Display von Jenny Holzer. Wenn man will, erinnert auch dessen pausenlos laufende Botschaft an Las Vegas.
[ Ausstellung im SAM bis 26. November. Begleitpublikation: Novartis-Campus. Peter Märkli. Hrsg. Ulrike Jehle. Christoph- Merian-Verlag, Basel 2006. 79 S., Fr. 49.-. Zum Neubau von Sanaa ist eine Monographie in Vorbereitung. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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