Bauwerk

Hotel Silken Puerta América
Jean Nouvel, John Pawson, Marc Newson, Christian Liagre, Zaha M. Hadid, Lord Norman Foster, David Chipperfield, plasmastudio, Ron Arad, Kathryn Findlay, Jason Bruges, Richard Gluckman, Arata Isozaki, Javier Mariscal - Madrid (E) - 2005

Schichtweise Design

Dreizehn Spitzen- gestalter legten Hand an das von Kopf bis Fuß durchgestylte Hotel Puerta América in Madrid. Andreas Tölke besuchte die zwölf Stockwerke und das Dach

9. September 2005 - Michael Hausenblas, Andreas Tölke
Eigentlich ist er Kunsthändler. In Sachen Alte Meister. In London. Michael Rich ist der klassische britische Gentleman: hervorragendes Benehmen, leicht verschroben. Seine Kleidung verrät Understatement. Wie kommt so ein Mann dazu, 13 der besten Designer und Architekten für ein Projekt zusammenzutrommeln? „Das ist ja alles eine Szene. Man lernt sich auf Vernissagen kennen, oder es kommt jemand auf Empfehlung in die Galerie“, drückt er sich vorsichtig wie der Pressesprecher der Queen um eine konkrete Antwort. Ein Mann, der als Macher gerne im Hintergrund bleibt.

Der diplomatische Macher wurde vor vier Jahren von Antón Iráculis, dem CEO der spanischen Hotelgruppe Silken, angeheuert, um die „Besten der Besten“ in einem Projekt zu vereinen. "Zwölf Stockwerke, 342 Zimmer (inklusive Suiten), ein Restaurant, eine Bar und natürlich die Lobby, außerdem das Parkdeck, die Außenanlage, das Dachgeschoß mit Pool und Fitnessstudio - jeder Stock, jeder Bereich in der Hand von einem anderen Gestalter.

„Keiner wusste bis zum Zeitpunkt der Enthüllung, was die Konkurrenz so treibt“, erklärt der Chef der Kette. Und dann der Vergleich. Niemals zuvor konnte mit einem Knopfdruck im Lift von einer Designwelt in die andere gewechselt werden. Kein Wunder, dass schon einen Tag vor dem offiziellen Opening Ron Arad auftauchte, um mit einer Digicam bewaffnet die kreativen Ergüsse der Konkurrenz in Augenschein zu nehmen. Dabei musste sich Arad, der für fast alle Topmöbel- und -designfirmen der Welt arbeitet, mit seinem siebenten Stock nicht verstecken.

Das tut auch die Hülle von Jean Nouvel nicht. Von Orange bis Rot leuchten seine „Segel“. Vor jedem Zimmer ist eine dieser Markisen zu finden, und sie bedecken, so sie geschlossen sind, die ganze Fensterfront des jeweiligen Raums. Von vorn - mit einer wenig charmanten Sicht zur Autobahn - flammende Farben, die Rückseite kühl in Blautönen. In den sechs Weltsprachen ist in Schreibschrift ein Gedicht des Surrealisten Paul Éluard auf einigen der Sonnen- segel zu lesen: „Auf die überquellenden Plätze schreibe ich deinen Namen: Freiheit.“ Das programmatische Ansinnen des Lyrikers wird von den Designern prompt als Auftrag verstanden und umgesetzt. Der „Culturclash“ der Freiheiten beginnt in der Lobby.

John Pawson hat die Visitenkarte des Hauses gestaltet. Pawson verdankt seine Bekanntheit dem Design der Calvin-Klein-Stores. Wer mit einem furiosen Auftakt gerechnet hat, wird enttäuscht. In der Halle herrscht der Geist des Zen. „Hinschauen, den Brunnen, der mit fast acht Metern einmal durch die Lobby plätschert, genießen und sich in den dunklen Holzsesseln von den Strapazen der Anreise erholen“, dazu will der Macher den Neuankömmling ein-

laden. Schrill, schräg, bunt und ungewöhnlich wird es noch früh genug, hier in hellem Holz und Travertin gibt es keine optischen Störer. Der Brite teilt sich das Erdgeschoß-Revier mit Marc Newson und Christian Liagre.

Liagre, der diverse Hotelerfahrungen in seinem Portfolio lagert, zeichnet für das Restaurant verantwortlich. Zuvor hat er Luxusherbergen wie das Mercer in New York und das Montalembert in Paris gestaltet. Hier, im Puerta América, mixt er Moderne mit spanischer Folklore. Üppige Ornamente in der Bar bilden tolle Kontraste zur puristischen Bestuhlung. Auf der anderen Seite der Halle hat sich wie erwähnt Marc Newson ausgelassen. „Er und Jean Nouvel sind die Einzigen, die mehrfach ihr Können unter Beweis stellen durften. Jean Nouvel mit der Fassade, der Dachterrasse und dem zwölften Stock, der noch dazu nur aus Suiten besteht und Marc Newson mit der Bar und der sechsten Etage“, erklärt der Zeremonienmeister Michael Rich.

Die Bar, mit B&B-Italia-Sesseln bestückt, hat das sichere Zeug zum Szenetreff Madrids. Eine bodentiefe Glasfront zur Terrasse, die Rückwand aus Alu-Elementen, die über die Decke reichen, und eine sechs Meter lange Marmorbar - alles in allem eine ästhetischer Treffer. Während das Erdgeschoß geschmacklich verbindet, wird im ersten Stock kontroverses Design geboten. Zaha Hadid entführt in eine wahrlich spacige Welt. Ähnlich wie bei ihren Gebäuden sind ihre Interieurs organische Welten, die fließen und Bewegung vortäuschen. Sie gibt der Architektur ein organisches Gesicht. So zukunftsweisend das Gedankenspiel hinter der Umsetzung, so beeindruckend ihr Stockwerk. Die Zimmer aus einem Guss - Bett, Wände, Trennung zum Bad, Wanne und Waschbecken - nirgends ist eine Naht zu entdecken. Dahinter steckt eine neue Technologie aus deutschen Landen: LG Hi-Macs heißt der Zauberstoff von Rosskopf und Partner.

Ein Stockwerk darüber hat der Kuppelkönig des Reichstags, Sir Norman Foster, seine Spuren hinterlassen und besonders ausgereifte Räume beigesteuert. Und doch wirken - verglichen mit der sonst anzutreffenden Formensprache - seine weißen Korridore aus sandgestrahltem Glas und den lederbespannten Wänden fast betulich.

Im dritten Stock faltet sich David Chipperfield seine Welt. Der Professor der Stuttgarter Akademie der Künste arbeitet mit schwarzen, von Hand gearbeiteten Terrakottafliesen auf dem Boden, weißem Marmor an den Wänden und Wildseide als Material für die Bettbespannung. Seine Raumaufteilung fällt klassisch aus: Entree, rechts das Bad und dann die Öffnung zum Schlafbereich.

Im vierten Stock traut man sich mehr. Eva Castro und Holger Kehne sind „Plasma Studio“. Das auch private Doppel, bestehend aus puerto-ricanischer Power und deutschem Technikverständnis, ist wohl die heißeste Newcomer-Erscheinung des Projekts. „Wir haben fünf interessante neue Büros zu Entwürfen eingeladen, und Plasma hat uns überzeugt“, erläutert Michael Rich das Prozedere. Das Stockwerk der beiden schockiert: eine Grotte aus Stahl. Die einzelnen dreieckigen Elemente wirken wie gefaltet, die Kanten nicht auf Stoß, sondern mit Spiel für LED-Leuchtkörper. Der unwirklichste, aber bewegendste Flur von einem Team, das Zukunft baut und hat. Darüber der einzige Fehltritt im Gefüge. Victorio und Lucchino, Modeschöpfer und Lokalmatadore, haben ein Stockwerk für heimatlose Schlagerstars geschaffen. Kitsch as Kitsch can mit wüsten Bildern, und davon zu viele, Marmorsphingen im Entree. Aber schon einen Knopfdruck entfernt ist Eleganz trumpf. Marc Newsons rot gelackter Korridor ist ein Kreuzfahrttraum und die Zimmer mit variabler Trennwand zum Bad so sexy, wie es nur geht.

Ron Arad im siebten Stock entdeckt die Siebziger wieder: runde Betten - aber in der Gegenwart gelandet. Sie sind Teil eines Raumkörpers, der aus einem Stück besteht und den der Gast mittig umkreisen kann. Inklusive Garderobe, Schrank, Waschbecken, Toilette und Bad. Seine selbst gewählte Aufgabenstellung hat er erfüllt: „Ich will weder mich noch sonst jemanden langweilen“, sagt er zu dem Entwurf.

Das ist auch Kathryn Findlay und Jason Bruges gelungen. Die interaktiven Beleuchtungskörper ihrer Lobby bremsen beim Ankommen den Drang, das Hotelzimmer zu beziehen, denn im Vorbeigehen wird der Gast zum Reflektor und verändert so die jeweilige Lichtstimmung. Der weiße Korridor mit den wellenförmig zulaufenden Lichtern ist noch ein Highlight. Das Hotelzimmer ist eine offenherzige Angelegenheit: Die Badewanne ist nur durch einen Vorhang separiert.

Der neunte Stock darüber ist ein bewohnbares Museum. Richard Gluckman, amerikanischer Architekt, ist für seine Musentempel bekannt. Unter anderem trägt das Picasso Museum in Málaga seine Handschrift. Im Puerta América hat er mit der „Abwesenheit von Kunst“, wie es Guide Michael Rich ausdrückt, gespielt. Leere Nischen, von innen beleuchtet, sind Einladungen für Exponate. Leider durch Unmengen Plastik und fiese Vorhänge ein eher überflüssiges Werk. Doch dann geht die Sonne auf. Im zehnten Stock ist Japan Trumpf, und der international ausgezeichnete Architekt Arata Isozaki macht die Gäste zu Shogun und Geisha. Quadratische Holzbadewanne, kostbare handgestickte Kimonos als Wandschmuck und bespannte Holzspaliere vor den Fenstern sorgen dafür.

Im elften Stock ist das Gegenteil des japanischen Purismus Trumpf. Javier Mariscal lässt Farben auftreten und schon im Entree wird der Besucher von einer Skulptur begrüßt. Ein fröhlich gesprenkelter, stilisierter Hase. Die Zimmer haben bemalte Glastüren vor den Schränken, farbige Kacheln auf den Böden und bunt gemusterte Tagesdecken.

Im finalen Stockwerk von Jean Nouvel geht es etwas gesitteter zu. Auch wenn der japanische Fotokünstler Araki mit am Werk ist. Das System von Nouvels Suiten: vier Wände, die überkreuz laufen und in sich verschiebbar sind. Manövriermasse für Gäste mit Bewegungsdrang. Auf zwei gegenüberliegenden Wänden sind Arakis Arbeiten zu sehen: eine Japanerin im Kimono und eine Blume. Schiebt man - kommt es zu einer psychodelischen Doppelbelichtung. Nach der Tour de Force in modernem Design ist das Finale der Blick über Madrid. Vom Dach mit Pool, Bar und Fitnessstudio - das ebenfalls von Nouvel gestaltet wurde, schweift der Blick in die Ferne. Zu Füßen liegt der Ausblick in eine ästhetische Zukunft.

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