Bauwerk
Siedlung Oberes Murifeld
ARB Architekten, Jeanette Gygax, Walter Läderach, atelier a&b, Furrer+Rösler, Atelier Sous-Sol, bauladen, Reinhard+Partner, smarch, Bauart Architekten - Bern (CH) - 2004
Die Siedlung
Die Siedlung Oberes Murifeld in Bern war als Arbeitersiedlung vor der Stadt entstanden und fast ein Jahrhundert lang nicht wesentlich renoviert worden. Die Wohnungen hatten zwei oder drei Zimmer, Essküchen, WC, Holzofenheizung und weder Bad noch Balkon. Die Mieten waren günstig und die Menschen zufrieden. Doch um 1990 wurde eine Renovation unausweichlich.
2. Februar 2006 - Orm Bonsma
Es war abzusehen, dass die Renovation zur Vertreibung praktisch der gesamten Bewohnerschaft führen würde, falls dabei heutige konventionelle Standards angewandt würden. Da sich aber die Siedlung im Besitz der öffentlichen Hand befand, konnte die Frage, wie aufwändig sie renoviert werden sollte, auch öffentlich diskutiert und entschieden werden: Eine Motion führte zum Beschluss des Stadtparlaments, die Siedlung sanft und in Absprache mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zu renovieren.
Zwei Häuser wurden als Pilotprojekt ausgewählt: Der Sozialarbeiter Edi Martin sollte den Partizipationsprozess strukturieren und moderieren, die Architekten Tilman Rösler und Arnold Furrer sowie Peter Keller (ARB) machten sich an die Arbeit, den Prozess möglichst transparent zu gestalten.
Als Basis des Entscheidungsprozesses stellten sie den Unterschied zwischen Instandsetzung und Wertvermehrung klar. Die Instandsetzung ist zum Unterhalt der Bauten unverzichtbar und kann nicht ins Ermessen der Mieterschaft gestellt werden; ihre Kosten wurden dafür nur teilweise auf den Mietzins umgeschlagen. Wertvermehrende Massnahmen aber, wie etwa der Bau von Balkonen, werden zwar zu 100% auf die Miete überwälzt, wurden hier aber ins Ermessen der einzelnen Mieterinnen und Mieter oder der jeweiligen Hausversammlung gestellt. Ein kleiner Mietzinsaufschlag wurde zur Finanzierung des Partizipationsprozesses veranschlagt.
Für die wertvermehrenden Massnahmen entwickelten die Architekten zusammen mit Mieterinnen und Mietern des ersten zu renovierenden Hauses einen «Bau-kastenkatalog», der den Entwurf in einzelne Teilmass-nahmen zerlegte, jede genau beschrieb und mit einem Kostenvoranschlag zur Wahl anbot. So konnte sich jede Mieterschaft in Ruhe überlegen, welche Bauelemente wünschenswert und erschwinglich waren. Das Angebot reichte von sehr sparsamen Konzepten, wie zum Beispiel einem Gemeinschaftsbad im Keller oder der Beibehaltung der Ofenheizung, bis zu relativ weit gehenden Eingriffen wie Zentralheizung, Wohnungszusammenlegung, neuen Lukarnen oder Balkonen. Beschlüsse über wohnungsübergreifende bauliche Massnahmen mussten in den Hausversammlungen gefasst werden.
Nach aussen konnte sich die Individualität der Häuser vor allem durch Farbe darstellen – und das gab einiges zu diskutieren. Alle Putzflächen sind nun hellgrau gestrichen, die Fensterläden dafür bunt – pro Haus in je einer Farbe, die von der Blockversammlung aus einem vorgegebenen Farbfächer und in Abhängigkeit von der Farbgebung am Nachbarhaus gewählt wurde. Die Farbigkeit der Fensterläden steht heute als Code für das Konzept Murifeld.
Dieses Instrumentarium wurde in der Folge auf alle Häuser der Siedlung angewandt. Weitere Architekturbüros wurden beigezogen, die jeweils im Dialog mit «ihren» Mieterinnen und Mietern arbeiteten. Der Baukastenkatalog musste übernommen werden, konnte aber um neue Elemente erweitert werden. Andererseits wurden die wirksamsten Kostensparer, Kellerbad und Holzheizung, aus dem Katalog gestrichen: Die Stadtverwaltung war der Ansicht, solche Substandardwohnungen seien langfristig nicht vermietbar.
So entstanden Häuser mit unterschiedlichen Standards und Wohnungsmieten. Wer mit der Lösung nicht leben konnte, für die sich sein Haus entschied, dem stand immer noch die Möglichkeit offen, innerhalb der Siedlung in ein Haus umzuziehen, das seinen individuellen Zielen besser entsprach. Um das zu erleichtern, wurde eine Wohnungsbörse eingerichtet, mit der die Mieterschaft bis heute die Möglichkeit hat, die Wohnungsvergabe selbst zu beeinflussen. Für den sozialen Zusammenhalt des Quartiers ist diese Wohnungsbörse offenbar eine geeignete Institution.
Zu grösseren baulichen Eingriffen kam es nur in der Häuserzeile direkt an der Muristrasse aus Gründen des Lärmschutzes: Statt Balkonen wurden hier Wintergärten gebaut, und die Lücke zwischen den beiden Baukörpern an der Muristrasse wurde mit einem Neubau geschlossen, der einen Quartiertreff und eine Kindertagesstätte beherbergt. Auf der Quartierseite bezieht sich das Gebäude auf die Mindstrasse, die so zum sozialen Zentrum des Quartiers wird. Wer hier an einem Sommernachmittag zwischen grossen Blumentöpfen im Schatten unter alten Bäumen sitzt und den Kindern zuschaut, sieht, dass die Erneuerung der Siedlung Oberes Murifeld ein Erfolg war.
Zwei Häuser wurden als Pilotprojekt ausgewählt: Der Sozialarbeiter Edi Martin sollte den Partizipationsprozess strukturieren und moderieren, die Architekten Tilman Rösler und Arnold Furrer sowie Peter Keller (ARB) machten sich an die Arbeit, den Prozess möglichst transparent zu gestalten.
Als Basis des Entscheidungsprozesses stellten sie den Unterschied zwischen Instandsetzung und Wertvermehrung klar. Die Instandsetzung ist zum Unterhalt der Bauten unverzichtbar und kann nicht ins Ermessen der Mieterschaft gestellt werden; ihre Kosten wurden dafür nur teilweise auf den Mietzins umgeschlagen. Wertvermehrende Massnahmen aber, wie etwa der Bau von Balkonen, werden zwar zu 100% auf die Miete überwälzt, wurden hier aber ins Ermessen der einzelnen Mieterinnen und Mieter oder der jeweiligen Hausversammlung gestellt. Ein kleiner Mietzinsaufschlag wurde zur Finanzierung des Partizipationsprozesses veranschlagt.
Für die wertvermehrenden Massnahmen entwickelten die Architekten zusammen mit Mieterinnen und Mietern des ersten zu renovierenden Hauses einen «Bau-kastenkatalog», der den Entwurf in einzelne Teilmass-nahmen zerlegte, jede genau beschrieb und mit einem Kostenvoranschlag zur Wahl anbot. So konnte sich jede Mieterschaft in Ruhe überlegen, welche Bauelemente wünschenswert und erschwinglich waren. Das Angebot reichte von sehr sparsamen Konzepten, wie zum Beispiel einem Gemeinschaftsbad im Keller oder der Beibehaltung der Ofenheizung, bis zu relativ weit gehenden Eingriffen wie Zentralheizung, Wohnungszusammenlegung, neuen Lukarnen oder Balkonen. Beschlüsse über wohnungsübergreifende bauliche Massnahmen mussten in den Hausversammlungen gefasst werden.
Nach aussen konnte sich die Individualität der Häuser vor allem durch Farbe darstellen – und das gab einiges zu diskutieren. Alle Putzflächen sind nun hellgrau gestrichen, die Fensterläden dafür bunt – pro Haus in je einer Farbe, die von der Blockversammlung aus einem vorgegebenen Farbfächer und in Abhängigkeit von der Farbgebung am Nachbarhaus gewählt wurde. Die Farbigkeit der Fensterläden steht heute als Code für das Konzept Murifeld.
Dieses Instrumentarium wurde in der Folge auf alle Häuser der Siedlung angewandt. Weitere Architekturbüros wurden beigezogen, die jeweils im Dialog mit «ihren» Mieterinnen und Mietern arbeiteten. Der Baukastenkatalog musste übernommen werden, konnte aber um neue Elemente erweitert werden. Andererseits wurden die wirksamsten Kostensparer, Kellerbad und Holzheizung, aus dem Katalog gestrichen: Die Stadtverwaltung war der Ansicht, solche Substandardwohnungen seien langfristig nicht vermietbar.
So entstanden Häuser mit unterschiedlichen Standards und Wohnungsmieten. Wer mit der Lösung nicht leben konnte, für die sich sein Haus entschied, dem stand immer noch die Möglichkeit offen, innerhalb der Siedlung in ein Haus umzuziehen, das seinen individuellen Zielen besser entsprach. Um das zu erleichtern, wurde eine Wohnungsbörse eingerichtet, mit der die Mieterschaft bis heute die Möglichkeit hat, die Wohnungsvergabe selbst zu beeinflussen. Für den sozialen Zusammenhalt des Quartiers ist diese Wohnungsbörse offenbar eine geeignete Institution.
Zu grösseren baulichen Eingriffen kam es nur in der Häuserzeile direkt an der Muristrasse aus Gründen des Lärmschutzes: Statt Balkonen wurden hier Wintergärten gebaut, und die Lücke zwischen den beiden Baukörpern an der Muristrasse wurde mit einem Neubau geschlossen, der einen Quartiertreff und eine Kindertagesstätte beherbergt. Auf der Quartierseite bezieht sich das Gebäude auf die Mindstrasse, die so zum sozialen Zentrum des Quartiers wird. Wer hier an einem Sommernachmittag zwischen grossen Blumentöpfen im Schatten unter alten Bäumen sitzt und den Kindern zuschaut, sieht, dass die Erneuerung der Siedlung Oberes Murifeld ein Erfolg war.
Umfang:
Renovation: 39 Häuser zweier Grundtypen mit zusammen ursprünglich 276 Whg., einige wurden zusammengelegt
Neubau: 1 Quartiertreff, 1 Kindertagesstätte, 1 Whg.
Energie:
Unterschiedlich: Holz- und Gaszimmeröfen, Gasthermen, Gaszentralheizung pro Gebäudegruppe.
Renovation: 39 Häuser zweier Grundtypen mit zusammen ursprünglich 276 Whg., einige wurden zusammengelegt
Neubau: 1 Quartiertreff, 1 Kindertagesstätte, 1 Whg.
Energie:
Unterschiedlich: Holz- und Gaszimmeröfen, Gasthermen, Gaszentralheizung pro Gebäudegruppe.
Für den Beitrag verantwortlich: TEC21
Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Solt
Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Stadt Bern