Bauwerk
Palmach-Museum
Rafi Segal, Zvi Hecker - Tel Aviv (IL) - 1999
Das Haus als Landschaft
Zvi Heckers Palmach-Museum in Tel Aviv
Der israelische Architekt Zvi Hecker ist in Europa ein Star. In seiner Heimat aber galt er lange als Enfant terrible. Nun steht in Tel Aviv mit dem Palmach-Museum sein erstes öffentliches Gebäude in Israel seit 30 Jahren vor der Einweihung. Das Haus, das an die einstige jüdische Untergrundorganisation Palmach erinnert, ist ein Meisterwerk - ein unvollendetes allerdings.
25. Februar 1999 - Roman Hollenstein
Tel Aviv, die laute Metropole des weltlichen Israel, ist ein Kronjuwel der architektonischen Moderne. Bedeutende zeitgenössische Baukunst aber findet man hier kaum, sieht man einmal ab von Mario Bottas Cymbalista-Synagoge auf dem Campus der Tel Aviv University oder dem Kulturhaus von Bracha und Michael Chyutin in Givataim. Seit neustem allerdings ragt ein Bau aus der durch Spekulation und politische Verstrickungen gezeichneten Architekturlandschaft: das Palmach-Museum von Zvi Hecker. Auf dem Weg zur Universität - unweit des Yarqon-Flusses - erscheint es dem Vorbeifahrenden auf der rechten Strassenseite kurz als eigenwilliges Konglomerat aus Steinmauern, Betonwänden und Pinien. Man kann es leicht für eine in den terrassierten Hügel eingelassene Bunkeranlage aus vergangenen Tagen halten. Allerdings zeigte sich dieser Ort vor zwei Jahren noch völlig anders: Damals glaubte man, eine von Bäumen überwucherte Tempelruine von ägyptischen Dimensionen vor sich zu haben. In Wahrheit aber handelte es sich um eine von Betonpfeilern gesicherte Hügelkuppe, um die herum dann das Museum halb unterirdisch errichtet wurde. Der fertige Bau ist nun so glücklich in die Landschaft integriert, dass der israelische Bildhauer Michi Ullman in ihm «zwei Berge mit Bäumen dazwischen» zu erkennen glaubte.
Bunker im Pinienhügel
Dieses unkonventionelle Bauwerk ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den 1992 die Vereinigung der Palmach-Veteranen für ein multifunktionales Zentrum mit Museum, Theater, Cafeteria und Verwaltungsräumen ausgeschriebenen hatte. Nach der kurz bevorstehenden Eröffnung wird der Baukomplex als Erinnerungsstätte an Palmach dienen, eine jüdische Untergrundorganisation, die gegen die britische Herrschaft in Palästina kämpfte, am Unabhängigkeitskrieg teilnahm und 1948 schliesslich in der israelischen Armee aufging. Als Museum und Memorial für diese Elitetruppe, die im kollektiven Gedächtnis des Landes längst zur Legende geworden ist, strebte Hecker keinen anonymen Bau an. Vielmehr sollte das Gebäude die Verwurzelung von Palmach im Land und in der Geschichte Israels zum Ausdruck bringen. Entstanden ist eine expressive, entfernt an Frank Lloyd Wrights Arbeiten in Taliesin West erinnernde Architektur und zugleich Heckers erstes öffentliches Werk in Israel seit dem Rathaus von Bat Yam und der Negev-Synagoge, die beide in den sechziger Jahren erstellt wurden.
Der Grundriss des Neubaus evoziert, ganz ähnlich wie das Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin, einen fragmentierten Davidstern. Aber auch drei gekreuzte Schwerter, das Symbol von Palmach, kann man in ihm erkennen. Dieses Motiv des Kreuzens, das in Heckers neueren Werken die Spiralkomposition - wie sie noch 1996 in der Berliner Galinski-Schule in Erscheinung trat - abgelöst hat, taucht im unrealisierten Entwurf für ein Nationaldenkmal auf dem Har Eytan wieder auf. In beiden Fällen wurde die Grundrissfigur aber nicht aus einem Zeichen, sondern aus der Topographie entwickelt. Gerade beim Palmach- Projekt bemühte sich Hecker, die Natur des Ortes so gut wie möglich in den Bau zu integrieren: Ein System von Betonmauern, die teilweise mit «Kurkar», einem dünnschichtigen lokalen Sandstein, verkleidet sind, verkantet sich um den Pinienhügel. Die Mauern begrenzen dabei nicht nur die drei sich überlagernden Baukörper, sie definieren auch die Aussenräume. Diese Verzahnung des Gebäudes mit der Umgebung ist im heutigen Tel Aviv ebenso ungewöhnlich wie die mit ihr einhergehende ökologische Grundhaltung. Sie weist den 1931 in Krakau geborenen Hecker als einen der raren baukünstlerischen Visionäre Israels aus.
Architektur als Landschaft, ein zentraler Topos in Heckers Werk, der sich schon 1963 im Polyeder-Gebirge des Dubiner House in Ramat Gan ankündigte, im Spirala House verdichtete und unlängst im Projekt «Berliner Berge» ins Bildhafte steigerte, spielte auch im Konzept des Palmach- Museums eine bedeutende Rolle. In diese gebaute Landschaft taucht man ein, sobald man die Rampe betritt, die hinauf zum Museumsbezirk führt. Nach wenigen Schritten öffnet sich links der Eingang zum Museum, dessen Foyer fliessend übergeht in den erhöhten temporären Ausstellungsbereich. Nach rechts gelangt man hinab ins eigentliche Museum, das unterirdisch den zentralen Hof umgibt. Im bunkerartigen Untergrund sind Szenen aus dem Unabhängigkeitskrieg getreu nachgestellt. Verlässt man nach einem Rundgang das Museum mit seinen wertvollen Erinnerungsstücken, so erreicht man - vorbei an einem kleinen Open-air-Theater mit Blick auf Ramat Aviv - den schattigen Hof, in dem man sich in einem jener Wäldchen wähnt, die einst den Palmach- Kämpfern Unterschlupf boten.
Faszination des Unvollendeten
Diese magische Atmosphäre dürfte sich verflüchtigen, wenn dereinst die Cafeteria im Nordosttrakt den Betrieb aufnimmt. Neben dem noch leerstehenden Lokal führt eine Aussentreppe hinauf in das unvollendete Itzhak-Rabin-Memorial, einen hohen Raum mit Terrasse, von der aus man über die schräg wie Felsenriffe aus den Bäumen ragenden Baukörper bis zum Mittelmeer sieht. Etwas verborgen, erhebt sich im Südosten des Hofs die nackte Betonkonstruktion des Theaters, das für 400 Besucher im Parkett und auf der Galerie konzipiert wurde. Dieser Teil des Gebäudes ist wie das Rabin-Memorial und die Cafeteria erst im Rohbau fertig, während mit der Realisierung der durch eine Art Cañon vom Hauptgebäude abgeschnittenen, für zeremonielle Anlässe bestimmten Plaza und der darunter liegenden Tiefgarage noch gar nicht erst begonnen wurde. Die Auftraggeber, denen seit der Ermordung Rabins die treibende Kraft fehlt, konnten sich nämlich bis heute nicht einigen, wann und ob überhaupt die zweite Bauetappe abgeschlossen werden soll. Doch trägt gerade der nicht eingeplante Zustand des Unvollendeten viel zur eigentümlichen Stimmung der Anlage bei. Zusammen mit der rohen, an die Arte povera gemahnenden Detailbehandlung der Innenräume, wie man sie schon von der Galinski- Schule her kennt, macht gerade der Aspekt des «Work in progress» das Palmach-Museum zu einem Gebäude, das gut zum sozialen und politischen Zustand Israels passt.
Bunker im Pinienhügel
Dieses unkonventionelle Bauwerk ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den 1992 die Vereinigung der Palmach-Veteranen für ein multifunktionales Zentrum mit Museum, Theater, Cafeteria und Verwaltungsräumen ausgeschriebenen hatte. Nach der kurz bevorstehenden Eröffnung wird der Baukomplex als Erinnerungsstätte an Palmach dienen, eine jüdische Untergrundorganisation, die gegen die britische Herrschaft in Palästina kämpfte, am Unabhängigkeitskrieg teilnahm und 1948 schliesslich in der israelischen Armee aufging. Als Museum und Memorial für diese Elitetruppe, die im kollektiven Gedächtnis des Landes längst zur Legende geworden ist, strebte Hecker keinen anonymen Bau an. Vielmehr sollte das Gebäude die Verwurzelung von Palmach im Land und in der Geschichte Israels zum Ausdruck bringen. Entstanden ist eine expressive, entfernt an Frank Lloyd Wrights Arbeiten in Taliesin West erinnernde Architektur und zugleich Heckers erstes öffentliches Werk in Israel seit dem Rathaus von Bat Yam und der Negev-Synagoge, die beide in den sechziger Jahren erstellt wurden.
Der Grundriss des Neubaus evoziert, ganz ähnlich wie das Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin, einen fragmentierten Davidstern. Aber auch drei gekreuzte Schwerter, das Symbol von Palmach, kann man in ihm erkennen. Dieses Motiv des Kreuzens, das in Heckers neueren Werken die Spiralkomposition - wie sie noch 1996 in der Berliner Galinski-Schule in Erscheinung trat - abgelöst hat, taucht im unrealisierten Entwurf für ein Nationaldenkmal auf dem Har Eytan wieder auf. In beiden Fällen wurde die Grundrissfigur aber nicht aus einem Zeichen, sondern aus der Topographie entwickelt. Gerade beim Palmach- Projekt bemühte sich Hecker, die Natur des Ortes so gut wie möglich in den Bau zu integrieren: Ein System von Betonmauern, die teilweise mit «Kurkar», einem dünnschichtigen lokalen Sandstein, verkleidet sind, verkantet sich um den Pinienhügel. Die Mauern begrenzen dabei nicht nur die drei sich überlagernden Baukörper, sie definieren auch die Aussenräume. Diese Verzahnung des Gebäudes mit der Umgebung ist im heutigen Tel Aviv ebenso ungewöhnlich wie die mit ihr einhergehende ökologische Grundhaltung. Sie weist den 1931 in Krakau geborenen Hecker als einen der raren baukünstlerischen Visionäre Israels aus.
Architektur als Landschaft, ein zentraler Topos in Heckers Werk, der sich schon 1963 im Polyeder-Gebirge des Dubiner House in Ramat Gan ankündigte, im Spirala House verdichtete und unlängst im Projekt «Berliner Berge» ins Bildhafte steigerte, spielte auch im Konzept des Palmach- Museums eine bedeutende Rolle. In diese gebaute Landschaft taucht man ein, sobald man die Rampe betritt, die hinauf zum Museumsbezirk führt. Nach wenigen Schritten öffnet sich links der Eingang zum Museum, dessen Foyer fliessend übergeht in den erhöhten temporären Ausstellungsbereich. Nach rechts gelangt man hinab ins eigentliche Museum, das unterirdisch den zentralen Hof umgibt. Im bunkerartigen Untergrund sind Szenen aus dem Unabhängigkeitskrieg getreu nachgestellt. Verlässt man nach einem Rundgang das Museum mit seinen wertvollen Erinnerungsstücken, so erreicht man - vorbei an einem kleinen Open-air-Theater mit Blick auf Ramat Aviv - den schattigen Hof, in dem man sich in einem jener Wäldchen wähnt, die einst den Palmach- Kämpfern Unterschlupf boten.
Faszination des Unvollendeten
Diese magische Atmosphäre dürfte sich verflüchtigen, wenn dereinst die Cafeteria im Nordosttrakt den Betrieb aufnimmt. Neben dem noch leerstehenden Lokal führt eine Aussentreppe hinauf in das unvollendete Itzhak-Rabin-Memorial, einen hohen Raum mit Terrasse, von der aus man über die schräg wie Felsenriffe aus den Bäumen ragenden Baukörper bis zum Mittelmeer sieht. Etwas verborgen, erhebt sich im Südosten des Hofs die nackte Betonkonstruktion des Theaters, das für 400 Besucher im Parkett und auf der Galerie konzipiert wurde. Dieser Teil des Gebäudes ist wie das Rabin-Memorial und die Cafeteria erst im Rohbau fertig, während mit der Realisierung der durch eine Art Cañon vom Hauptgebäude abgeschnittenen, für zeremonielle Anlässe bestimmten Plaza und der darunter liegenden Tiefgarage noch gar nicht erst begonnen wurde. Die Auftraggeber, denen seit der Ermordung Rabins die treibende Kraft fehlt, konnten sich nämlich bis heute nicht einigen, wann und ob überhaupt die zweite Bauetappe abgeschlossen werden soll. Doch trägt gerade der nicht eingeplante Zustand des Unvollendeten viel zur eigentümlichen Stimmung der Anlage bei. Zusammen mit der rohen, an die Arte povera gemahnenden Detailbehandlung der Innenräume, wie man sie schon von der Galinski- Schule her kennt, macht gerade der Aspekt des «Work in progress» das Palmach-Museum zu einem Gebäude, das gut zum sozialen und politischen Zustand Israels passt.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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