Bauwerk
Kultur- und Kongresszentrum
Jean Nouvel - Luzern (CH) - 1999
Alltag einer Ikone
Zehn Jahre KKL Luzern. Wie bewährt sich das Gebäude?
Der Hausmeister berichtet.
24. November 2008 - Roderick Hönig
Eigentlich hätte Joe Michel nur während der ersten drei Betriebsjahre den Unterhalt und den technischen Betrieb des KKL, des Kultur- und Kongresszentrum Luzern aufbauen sollen. Doch der heutige Leiter Gebäude und Infrastruktur liess sich, wie viele andere, von Jean Nouvels Architekturikone verzaubern und feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Dienstjubiläum. «Wer fürs KKL arbeitet, muss sich hundert Prozent mit dem Bau und der Architektur identifizieren», erklärt der Baufachmann und Betriebswirt, «und wer sich über den Aufwand aufregt, beispielsweise bei der Reinigung, ist bei uns nicht am richtigen Platz: Unser Haus ist ein Sonderfall — jeder Tag ist eine spannende Herausforderung.»
818 000 Franken hat die KKL Luzern Management AG letztes Jahr für die Reinigung der Architekturikone ausgegeben. Das sind immerhin knapp fünf Prozent des gesamten Betriebsaufwands von 17,58 Millionen Franken. Täglich zu Buche schla-gen vor allem die grossen Glasflächen und die vielen Chromteile in den weiten Foyers. «Die meisten Besucher schauen mit den Händen — wir müssen einzelne Glasflächen einmal pro Tag putzen lassen», sagt Michel gelassen. Weniger aufwendig ist die Pflege des dunklen Granitbodens, der Dreck und Kratzer gutmütig schluckt: «Der Stein, den Jean Nouvel ausgewählt hat, ist äus-serst widerstandsfähig. Den würde ich morgen wieder einbauen.»
Putzen nur mit Kletterdiplom
Eine viel gerühmte architektonische Attraktion, aber eine Herausforderung beim Entstauben und Pflegen, ist auch der «Geigenkasten». Die bauchige Holzhülle, die den Konzertsaal rundherum einmantelt, macht das Putzen zur Kletterübung. «Die Reinigung der Konzertsaal-Verkleidung und der Metallgitter-Fassade sind aufwendige Kletteraktionen», so Michel. «Es sind immer dieselben Firmen, die für uns putzen. Für die Reinigung der Hülle des wie ein Schiff vor Anker liegenden Saals konnten wir sogar dieselben Holzfachleute verpflichten, die die Verkleidung auch gebaut und montiert haben.» Konstanz und eine Beziehung zum Objekt sind aber nicht die einzigen Voraussetzungen für Michel. Wer am Haus herumturnt, braucht auch ein Kletterdiplom. Drei bis vier Mal pro Jahr seilen sich drei bis vier Arbeiter der Schreinerei Pfyl mit Klettergürtel und Helm ab und entstauben, waschen und ölen die Holzflächen.
Dass das KKL spektakuläre Putzaktionen nach sich ziehen würde, war schon bei der Planung klar. Nicht gerechnet haben Michel und sein 14-köpfiges Team aber mit der 1,5 Zentimeter grossen Argyroneta aquatica. Der unscheinbaren Wasserspinne gefiel es am weit auskragenden Dach so gut, dass sie den See dafür verliess und mit ihren Kolleginnen die 7000 Quadratmeter grosse Alucobond-Verkleidung mit Spinnweben überzog. Die feinen Netze beeinträchtigten die vom Architekten präzis austarierte Reflektion — wie aber gegen das kleine Tier vorgehen? Michel beauftrage drei Kammerjäger, sich eine Lösung auszudenken. Erst das dritte und kleinste Unternehmen fand eine, indem es eigens fürs KKL einen Zerstäuber entwickelte, der das Insektizid so atomisierte, dass das Spinnengift immer noch wirksam ist, obwohl die feinen Flüssigkeitströpfchen auf der Untersicht unsichtbar blieben. Einmal pro Jahr baut die auf Schädlingsbekämpfung spezialisierte Ronner AG nun einen Hublift auf, entstaubt und wäscht die 21 Meter hohe Decke und «impft» sie mit ihrem Mittel gegen Wasserspinnen.
Das Dach hält
Weniger Überraschungen als erwartet bot die 107 auf 113 Meter grosse und bis zu 45 Meter auskragende Dachkonstruktion. Seit der Fertigstellung wird sie elektronisch überwacht. Zweistündlich werden alle Bewegungen mit-tels Sensoren aufgezeichnet. 29 Zentimeter darf der Dachrand bei starkem Wind ausschlagen, sobald dieser Grenzwert überschritten wird, geht der Alarm los. Zusätzlich wird alle zwei Jahre die Konstruktion von Spezialisten direkt und systematisch überprüft: Monteure kriechen zwischen den Trägern und Bindern hin und her und suchen an festgelegten Prüfstellen nach Verformungen, Rissen, Rostflecken oder Feuchtigkeit. Da Ende 2009 die zehnjährige Garantie abläuft, liess das KKL alle Daten und Rapporte seit 1998 analysieren. Das Fazit ist positiv: Das Dach überstand den Sturm Lothar ohne Schaden und zeigt auch bei Schnee oder Böen ein gutes Verhalten. «Was die Statik betrifft, werden wir auf die regelmässige Überwachung und Kontrollen verzichten, nicht aber auf die Kontrolle der Feuchte oder Korrosion», sagt Michel. Die dreiwöchige Dachkontrolle, die Teil des Werkvertrags ist, geht aufs Budget «Unterhalt, Reparaturen und Ersatz» der Trägerstiftung. Es betrug letztes Jahr 1,36 Millionen Franken.
Mehr Gastro, weniger Kongresse
Auf einer ganz anderen Ebene musste Elisabeth Dalucas auf die Architekturikone reagieren. Die Kunstwissenschaftlerin und Kommunikations-Fachfrau übernahm 2003 die Direktion in einem Moment, als das Vertrauen der Luzerner in «ihr KKL» langsam, aber sicher zu bröckeln begann: Insgesamt 160 Millionen Franken in fünf Abstimmungen haben sie bewilligt — und trotzdem schien das Subventionsloch nicht gestopft. Dalucas brachte den Kultur-Supertanker mit einer Reduktion der Veranstaltungen und einem Ausbau der Gastronomie wieder auf Kurs. Bis 2002 fanden jährlich etwa 850 Events im KKL statt, letztes Jahr noch 414. Bei den Kulturveranstaltungen positionierte Dalucas das Haus konsequent im «High-End»-Bereich. Das funktioniert auch dank der Strahlkraft der Architektur: «Wir können heute auswählen, wer im KKL Luzern auftritt oder einlädt», so Dalucas. Und der Chüngelizüchterverein, dem das Haus vor Eröffnung ja auch versprochen wurde? «Das KKL ist immer noch ein Begegnungsort für alle, aber nicht alle Veranstaltungen eignen sich fürs KKL Luzern», argumetiert die Direktorin.
Zweites wichtiges Gegensteuermanöver war der Ausbau der Gastronomie. Das ursprüngliche Konzept setzte nur auf Fremd-Catering. Doch von den Satellitenküchen musste das angelieferte Essen lange und komplizierte Wege quer durchs Haus nehmen. «Es war ein unüberbrückbarer Widerspruch: Die Gäste verbrachten einen erstklassigen Konzertabend mit den besten Solisten der Welt und assen danach wenig inspirierende Häppchen», erklärt die Direktorin.
2002 wurde deshalb im rückwärtigen Versorgungsbereich eine professionelle Produktionsküche eingebaut — die erste Voraussetzung für die Repositionierung des Hauses analog des neuen Slogans «culture, convention, cusine». Dalucas und ihr Team stimmten auch die Angebote der bei ihrer Übernahme bereits bestehenden Lokale besser aufeinander ab und eröffneten zwei weitere Restaurants und die «Crystal-Lounge» für private Anlässe. Die Kursänderung macht das KKL einerseits für mehr Luzerner attraktiv, zeigt sich andererseits auch positiv in der Betriebsrechnung: Heute trägt die Gastronomie aufwendige Konzerte und Veranstaltungen mit — sie macht mehr als die Hälfte des gesamten Umsatzes aus.
Schwarze Zahlen
Die KKL Luzern Management AG schloss das Jahr 2007 mit einem positiven Unternehmensergebnis von 114 073 Franken ab. So hat das Kongresszentrum sein betriebswirtschaftliches Ziel einer mindestens kostendeckenden Rechnung im volatilen Veranstaltungsbusiness erreicht. Das KKL führte 2007 414 Veranstaltungen mit rund 400 000 Gästen durch. Zusätzlich haben gut 11 600 Besuchende das Haus besichtigt.
Links
Wie sich das Dach im Lothar-Sturm verhalten hat, alle Messresultate und weitere Links zum KKL > www.hochparterre.ch / links
818 000 Franken hat die KKL Luzern Management AG letztes Jahr für die Reinigung der Architekturikone ausgegeben. Das sind immerhin knapp fünf Prozent des gesamten Betriebsaufwands von 17,58 Millionen Franken. Täglich zu Buche schla-gen vor allem die grossen Glasflächen und die vielen Chromteile in den weiten Foyers. «Die meisten Besucher schauen mit den Händen — wir müssen einzelne Glasflächen einmal pro Tag putzen lassen», sagt Michel gelassen. Weniger aufwendig ist die Pflege des dunklen Granitbodens, der Dreck und Kratzer gutmütig schluckt: «Der Stein, den Jean Nouvel ausgewählt hat, ist äus-serst widerstandsfähig. Den würde ich morgen wieder einbauen.»
Putzen nur mit Kletterdiplom
Eine viel gerühmte architektonische Attraktion, aber eine Herausforderung beim Entstauben und Pflegen, ist auch der «Geigenkasten». Die bauchige Holzhülle, die den Konzertsaal rundherum einmantelt, macht das Putzen zur Kletterübung. «Die Reinigung der Konzertsaal-Verkleidung und der Metallgitter-Fassade sind aufwendige Kletteraktionen», so Michel. «Es sind immer dieselben Firmen, die für uns putzen. Für die Reinigung der Hülle des wie ein Schiff vor Anker liegenden Saals konnten wir sogar dieselben Holzfachleute verpflichten, die die Verkleidung auch gebaut und montiert haben.» Konstanz und eine Beziehung zum Objekt sind aber nicht die einzigen Voraussetzungen für Michel. Wer am Haus herumturnt, braucht auch ein Kletterdiplom. Drei bis vier Mal pro Jahr seilen sich drei bis vier Arbeiter der Schreinerei Pfyl mit Klettergürtel und Helm ab und entstauben, waschen und ölen die Holzflächen.
Dass das KKL spektakuläre Putzaktionen nach sich ziehen würde, war schon bei der Planung klar. Nicht gerechnet haben Michel und sein 14-köpfiges Team aber mit der 1,5 Zentimeter grossen Argyroneta aquatica. Der unscheinbaren Wasserspinne gefiel es am weit auskragenden Dach so gut, dass sie den See dafür verliess und mit ihren Kolleginnen die 7000 Quadratmeter grosse Alucobond-Verkleidung mit Spinnweben überzog. Die feinen Netze beeinträchtigten die vom Architekten präzis austarierte Reflektion — wie aber gegen das kleine Tier vorgehen? Michel beauftrage drei Kammerjäger, sich eine Lösung auszudenken. Erst das dritte und kleinste Unternehmen fand eine, indem es eigens fürs KKL einen Zerstäuber entwickelte, der das Insektizid so atomisierte, dass das Spinnengift immer noch wirksam ist, obwohl die feinen Flüssigkeitströpfchen auf der Untersicht unsichtbar blieben. Einmal pro Jahr baut die auf Schädlingsbekämpfung spezialisierte Ronner AG nun einen Hublift auf, entstaubt und wäscht die 21 Meter hohe Decke und «impft» sie mit ihrem Mittel gegen Wasserspinnen.
Das Dach hält
Weniger Überraschungen als erwartet bot die 107 auf 113 Meter grosse und bis zu 45 Meter auskragende Dachkonstruktion. Seit der Fertigstellung wird sie elektronisch überwacht. Zweistündlich werden alle Bewegungen mit-tels Sensoren aufgezeichnet. 29 Zentimeter darf der Dachrand bei starkem Wind ausschlagen, sobald dieser Grenzwert überschritten wird, geht der Alarm los. Zusätzlich wird alle zwei Jahre die Konstruktion von Spezialisten direkt und systematisch überprüft: Monteure kriechen zwischen den Trägern und Bindern hin und her und suchen an festgelegten Prüfstellen nach Verformungen, Rissen, Rostflecken oder Feuchtigkeit. Da Ende 2009 die zehnjährige Garantie abläuft, liess das KKL alle Daten und Rapporte seit 1998 analysieren. Das Fazit ist positiv: Das Dach überstand den Sturm Lothar ohne Schaden und zeigt auch bei Schnee oder Böen ein gutes Verhalten. «Was die Statik betrifft, werden wir auf die regelmässige Überwachung und Kontrollen verzichten, nicht aber auf die Kontrolle der Feuchte oder Korrosion», sagt Michel. Die dreiwöchige Dachkontrolle, die Teil des Werkvertrags ist, geht aufs Budget «Unterhalt, Reparaturen und Ersatz» der Trägerstiftung. Es betrug letztes Jahr 1,36 Millionen Franken.
Mehr Gastro, weniger Kongresse
Auf einer ganz anderen Ebene musste Elisabeth Dalucas auf die Architekturikone reagieren. Die Kunstwissenschaftlerin und Kommunikations-Fachfrau übernahm 2003 die Direktion in einem Moment, als das Vertrauen der Luzerner in «ihr KKL» langsam, aber sicher zu bröckeln begann: Insgesamt 160 Millionen Franken in fünf Abstimmungen haben sie bewilligt — und trotzdem schien das Subventionsloch nicht gestopft. Dalucas brachte den Kultur-Supertanker mit einer Reduktion der Veranstaltungen und einem Ausbau der Gastronomie wieder auf Kurs. Bis 2002 fanden jährlich etwa 850 Events im KKL statt, letztes Jahr noch 414. Bei den Kulturveranstaltungen positionierte Dalucas das Haus konsequent im «High-End»-Bereich. Das funktioniert auch dank der Strahlkraft der Architektur: «Wir können heute auswählen, wer im KKL Luzern auftritt oder einlädt», so Dalucas. Und der Chüngelizüchterverein, dem das Haus vor Eröffnung ja auch versprochen wurde? «Das KKL ist immer noch ein Begegnungsort für alle, aber nicht alle Veranstaltungen eignen sich fürs KKL Luzern», argumetiert die Direktorin.
Zweites wichtiges Gegensteuermanöver war der Ausbau der Gastronomie. Das ursprüngliche Konzept setzte nur auf Fremd-Catering. Doch von den Satellitenküchen musste das angelieferte Essen lange und komplizierte Wege quer durchs Haus nehmen. «Es war ein unüberbrückbarer Widerspruch: Die Gäste verbrachten einen erstklassigen Konzertabend mit den besten Solisten der Welt und assen danach wenig inspirierende Häppchen», erklärt die Direktorin.
2002 wurde deshalb im rückwärtigen Versorgungsbereich eine professionelle Produktionsküche eingebaut — die erste Voraussetzung für die Repositionierung des Hauses analog des neuen Slogans «culture, convention, cusine». Dalucas und ihr Team stimmten auch die Angebote der bei ihrer Übernahme bereits bestehenden Lokale besser aufeinander ab und eröffneten zwei weitere Restaurants und die «Crystal-Lounge» für private Anlässe. Die Kursänderung macht das KKL einerseits für mehr Luzerner attraktiv, zeigt sich andererseits auch positiv in der Betriebsrechnung: Heute trägt die Gastronomie aufwendige Konzerte und Veranstaltungen mit — sie macht mehr als die Hälfte des gesamten Umsatzes aus.
Schwarze Zahlen
Die KKL Luzern Management AG schloss das Jahr 2007 mit einem positiven Unternehmensergebnis von 114 073 Franken ab. So hat das Kongresszentrum sein betriebswirtschaftliches Ziel einer mindestens kostendeckenden Rechnung im volatilen Veranstaltungsbusiness erreicht. Das KKL führte 2007 414 Veranstaltungen mit rund 400 000 Gästen durch. Zusätzlich haben gut 11 600 Besuchende das Haus besichtigt.
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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre
Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönig
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