Bauwerk
Museum Carnuntum
Hans Puchhammer - Bad Deutsch-Altenburg (A) - 1988
Mit Fischgrät und Fußmaß
Aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt es, das Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg. Hans Puchhammer hat es neu gestaltet. Protokoll einer erfolgreichen Verwandlung.
23. Dezember 1995 - Vera Purtscher
Carnuntum war nicht irgendein römisches Städtchen, sondern spielte, an Donau, Limes und Bernsteinstraße gelegen, in kultur- und wirtschaftspolitischer Hinsicht eine zentrale Rolle. Etwa drei Quadratkilometer Ausdehnung erlangte das selbstverwaltete Gemeinwesen, das nach dem Beispiel antiker italienischer Städte errichtet wurde. Offiziell hieß es Municipium Aelium Carnuntum, nachdem es Lucius Septimius Severus in den Rang einer „colonia“ erhoben hatte.
Jahrhunderte später, im Jahr 1900, beauftragte das k. u. k. Unterrichtsministerium die Architekten Friedrich Ohmann und August Kirstein mit der Planung eines archäologischen Museums: nicht im Zentrum der ehemaligen Zivilstadt, im heutigen Petronell, sondern in Bad Deutsch-Altenburg, wo sich ein Kurbetrieb entwickelt hatte. 1904 wurde es eröffnet: ein Bauensemble im Stil einer römischen Landvilla mit Gartenanlage und Lapidarium. Doch Zerstörungen im Krieg und Plünderungen während der russischen Besatzungszeit hinterließen tiefe Spuren.
Eher hilflos wurde nach dem Krieg versucht, das Haus wiederzubeleben. Als 1988 weitere Sanierungsschritte geplant waren, um das Museum auf den heutigen Sicherheits- und Ausstellungsstand zu bringen, wurde Architekt Puchhammer gerade noch rechtzeitig eingeschaltet. Dieser hatte schon mit dem Hallstatt- und dem Ephesosmuseum Erfahrungen gesammelt und erwies sich als engagierter zeitgenössischer Architekt, der sich begeistert in eine Aufgabe stürzte, die vor allem persönliche Bescheidenheit verlangte. Galt es doch, einen historisch für Österreich einmaligen Bau mehr oder weniger zu rekonstruieren, andererseits aber als Architekt unter Rücksichtnahme auf die Wirkung der Exponate in den Hintergrund zu treten.
Keine Gelegenheit also, sich ein architektonisches Denkmal zu setzen. Vielmehr ein Tüfteln am noch Bestehenden, ein Suchen nach Überresten, das Erforschen von Archivmaterial. Alte Photos wurden stark vergrößert und dadurch Fensterteilungen, Geländerausbildungen, Brüstungsmauern, Reste starken Farbauftrags und dekorative Friesmalereien wieder sichtbar gemacht.
Am Ende des Kurparks blickt Kaiser Franz Joseph vom Postament in die Baumreihen, die den Weg zum Museum säumen. Eine Gartenmauer begrenzt das höherliegende Museumsareal. Die steinerne Treppenanlage wird von zwei Säulen flankiert, die Büsten römischer Kaiser tragen. Dahinter, völlig symmetrisch, der Hauptgebäudeteil mit zwei Seitenflügeln, die straßenseitig Laubengänge beherbergen, gartenseitig Pergolen vorgeblendet haben. Diesen Flügeln wurden jeweils Eckrisalite zugeordnet. Die symmetrische äußere Gestalt spiegelt sich im Inneren wider.
Durch die herrlich gearbeitete bronzene Eingangstür betritt man den zentralen Raum, der klar definiert wird durch die große Aussparung in der Decke – Galerie mit Glasdach –, die eckbegrenzenden Pfeiler, die einen Umgang dieses Zentralraumes markieren, und, ostseitig daran anschließend, einen vertieften Bereich, der einem großen Relief Platz bietet: Den Kulten gewidmet, hier dem Mithraskult, signalisiert dieser tiefere Bereich Andacht, Ehrfurcht und Stille.
Nur an dieser Stelle ist ein tönerner Bodenbelag verlegt. Im Hallenbereich liegt ein heller Steinboden, sonst im gesamten Museum rötliches Fischgrätparkett. Die Aula ist den orientalischen Religionen gewidmet. Anders als Ohmann, legte Puchhammer Wert auf gezielt reduzierte Schaustellung. Wo sich früher auf tellerbordähnlichen Regalen viele Exponate drängten, stand jetzt die strenge Auswahl der besten Stücke im Vordergrund. Wer weiß schon, daß von der Sammlung des Museums Carnuntinum nicht mehr als fünf Prozent gezeigt werden können? Im Obergeschoß herrschen gute Lichtverhältnisse – vom Glasdach und den drei hohen straßenseitigen Fenstern wird der Zentralraum gut ausgeleuchtet. Dieser Galeriebereich liegt höher als die Seitenflügel, zu denen vier Stufen hinunterführen. Das Raumkontinuum erfährt so an dieser exponierten Stelle die entsprechende Dominanz. Klein in den Abmessungen, doch nicht kleinlich im Eindruck, übersichtlich und klar, niemals überfrachtet oder verwirrend zeigt sich die streng hierarchische und leicht ablesbare Raumabfolge.
Bei der Präsentation der Objekte konnte sich Architekt Puchhammer liebevoll der Gestaltung von Vitrinen und dem Lichtsystem zuwenden. Die schwer wirkenden, truhenähnlichen Vitrinen von 1904 waren verschwunden. So entwickelte der mit Ausstellungsgestaltung bereits vertraute Architekt Schaukästen, die in vielerlei Hinsicht ideal erscheinen: was die Lichtführung angeht, aber auch sicherheitstechnisch und konservatorisch.
Es handelt sich meist um hohe, schlanke Holzpodeste, in matt-dumpfem Taubenblau gestrichen, in denen die Entfeuchtungsanlage versteckt ist. Immerhin erreicht die Luftfeuchtigkeit im Sommer Werte bis zu 90 Prozent. Auf dem Sockel sitzen hohe Glasvitrinen, luft- und staubdicht und von außen beleuchtet, sodaß sie beim Auswechseln des Leuchtmittels nicht geöffnet werden müssen. Konservatoren und Putzfrauen nehmen solche praktischen Feinheiten voll Dankbarkeit an. Alle Maße sind auf ein mal eineinhalb Fuß aufgebaut (ein Fuß entspricht etwa 30 Zentimetern). So sind die kleinsten Vitrinen besonders gut dazu geeignet, Münzen, Gemmen und Schmuck zu präsentieren.
Die Kostbarkeiten werden auf dünnen Glasstäben schräg angebracht, damit das Licht optimal darauf fällt und jede Oberfläche, jedes Relief und jede Struktur perfekt sichtbar werden. In die Wand eingelassene Schaukästen sind von zarten Messingprofilen gefaßt. Große Vitrinen folgen dem Gesamtkonzept; das streng angewandte Fußmaßsystem schafft Einheitlichkeit und Ruhe.
Das Lichtsystem für die Ausleuchtung der Räume ist in die dunkel gebeizten Holzdecken integriert. Schwenkbare, halbkugelige Leuchten sind unaufdringlich eingefügt und unterstützen das Anstrahlen der Exponate im Randbereich. Aus konservatorischen Gründen werden Reliefplatten heute nicht mehr in die Wand eingelassen, sondern freigestellt.
Rot sind im Obergeschoß die Räume der Seitenflügel – ein mattes, schmeichelndes und doch kräftiges pompejanisches Rot. Das sanfte, bläuliche Petrolgrün des Mittelrisalites harmoniert gut damit und unterstreicht die räumliche Differenzierung. Aber auch in den Büros und Sozialräumen hat man subtil Mut zur Farbe bewiesen.
Jeder Reisende hat schon erfahren, daß eine Farbe an verschiedenen Orten anders wirkt. Warum? Weil die Lichtqualität eine jeweils andere ist. Wenn ein „römisches“ Rot bei uns so ausschauen soll wie in Pompeji, muß mehr Gelbanteil beigemischt werden.
Auch starken jahreszeitlichen Schwankungen ist die Lichtqualität unterworfen. Fürs Museum Carnuntinum wurden Farbmuster aufgetragen, die im Sommer und im Winter kontrolliert wurden. Der Museumsdirektor und Archäologe Werner Jobst, der Farbspezialist Oskar Putz und Architekt Puchhammer wählten gemeinsam mit Beauftragten des Denkmalamtes jene Farben aus, die dem Besucher einen Eindruck davon vermitteln, wie sich's im alten Rom gelebt haben mag.
Die Dachdeckung mit Wiener Taschen entsprach nicht dem Originalzustand. Heute ist wieder die ursprüngliche Mönchs- und Nonnendeckung angebracht – das römische „Tegulas“-Dach. Heizkörper, die früher auf Pfeilern plaziert waren, sind unter den Fenstern, hinter quadratischem, rot lackiertem Lochblech verschwunden. Diese Fenster mußten wieder in den dreiteiligen Urzustand zurückversetzt werden. Die Türen wurden wie zur Jahrhundertwende in Kammzugtechnik bearbeitet. Fertigteilelemente, von Ohmann als Brüstungsmauern im Gartenbereich verwendet, wurden ausgegraben und wiederverwendet.
Breit gelagert steht die alte römische Ohmann-Villa im Kurpark von Deutsch-Altenburg. Puchhammer hat sich hinter der Antike oder Ohmann nicht versteckt, sondern verneigt. Keine Kleinigkeit in unserer Zeit.
Jahrhunderte später, im Jahr 1900, beauftragte das k. u. k. Unterrichtsministerium die Architekten Friedrich Ohmann und August Kirstein mit der Planung eines archäologischen Museums: nicht im Zentrum der ehemaligen Zivilstadt, im heutigen Petronell, sondern in Bad Deutsch-Altenburg, wo sich ein Kurbetrieb entwickelt hatte. 1904 wurde es eröffnet: ein Bauensemble im Stil einer römischen Landvilla mit Gartenanlage und Lapidarium. Doch Zerstörungen im Krieg und Plünderungen während der russischen Besatzungszeit hinterließen tiefe Spuren.
Eher hilflos wurde nach dem Krieg versucht, das Haus wiederzubeleben. Als 1988 weitere Sanierungsschritte geplant waren, um das Museum auf den heutigen Sicherheits- und Ausstellungsstand zu bringen, wurde Architekt Puchhammer gerade noch rechtzeitig eingeschaltet. Dieser hatte schon mit dem Hallstatt- und dem Ephesosmuseum Erfahrungen gesammelt und erwies sich als engagierter zeitgenössischer Architekt, der sich begeistert in eine Aufgabe stürzte, die vor allem persönliche Bescheidenheit verlangte. Galt es doch, einen historisch für Österreich einmaligen Bau mehr oder weniger zu rekonstruieren, andererseits aber als Architekt unter Rücksichtnahme auf die Wirkung der Exponate in den Hintergrund zu treten.
Keine Gelegenheit also, sich ein architektonisches Denkmal zu setzen. Vielmehr ein Tüfteln am noch Bestehenden, ein Suchen nach Überresten, das Erforschen von Archivmaterial. Alte Photos wurden stark vergrößert und dadurch Fensterteilungen, Geländerausbildungen, Brüstungsmauern, Reste starken Farbauftrags und dekorative Friesmalereien wieder sichtbar gemacht.
Am Ende des Kurparks blickt Kaiser Franz Joseph vom Postament in die Baumreihen, die den Weg zum Museum säumen. Eine Gartenmauer begrenzt das höherliegende Museumsareal. Die steinerne Treppenanlage wird von zwei Säulen flankiert, die Büsten römischer Kaiser tragen. Dahinter, völlig symmetrisch, der Hauptgebäudeteil mit zwei Seitenflügeln, die straßenseitig Laubengänge beherbergen, gartenseitig Pergolen vorgeblendet haben. Diesen Flügeln wurden jeweils Eckrisalite zugeordnet. Die symmetrische äußere Gestalt spiegelt sich im Inneren wider.
Durch die herrlich gearbeitete bronzene Eingangstür betritt man den zentralen Raum, der klar definiert wird durch die große Aussparung in der Decke – Galerie mit Glasdach –, die eckbegrenzenden Pfeiler, die einen Umgang dieses Zentralraumes markieren, und, ostseitig daran anschließend, einen vertieften Bereich, der einem großen Relief Platz bietet: Den Kulten gewidmet, hier dem Mithraskult, signalisiert dieser tiefere Bereich Andacht, Ehrfurcht und Stille.
Nur an dieser Stelle ist ein tönerner Bodenbelag verlegt. Im Hallenbereich liegt ein heller Steinboden, sonst im gesamten Museum rötliches Fischgrätparkett. Die Aula ist den orientalischen Religionen gewidmet. Anders als Ohmann, legte Puchhammer Wert auf gezielt reduzierte Schaustellung. Wo sich früher auf tellerbordähnlichen Regalen viele Exponate drängten, stand jetzt die strenge Auswahl der besten Stücke im Vordergrund. Wer weiß schon, daß von der Sammlung des Museums Carnuntinum nicht mehr als fünf Prozent gezeigt werden können? Im Obergeschoß herrschen gute Lichtverhältnisse – vom Glasdach und den drei hohen straßenseitigen Fenstern wird der Zentralraum gut ausgeleuchtet. Dieser Galeriebereich liegt höher als die Seitenflügel, zu denen vier Stufen hinunterführen. Das Raumkontinuum erfährt so an dieser exponierten Stelle die entsprechende Dominanz. Klein in den Abmessungen, doch nicht kleinlich im Eindruck, übersichtlich und klar, niemals überfrachtet oder verwirrend zeigt sich die streng hierarchische und leicht ablesbare Raumabfolge.
Bei der Präsentation der Objekte konnte sich Architekt Puchhammer liebevoll der Gestaltung von Vitrinen und dem Lichtsystem zuwenden. Die schwer wirkenden, truhenähnlichen Vitrinen von 1904 waren verschwunden. So entwickelte der mit Ausstellungsgestaltung bereits vertraute Architekt Schaukästen, die in vielerlei Hinsicht ideal erscheinen: was die Lichtführung angeht, aber auch sicherheitstechnisch und konservatorisch.
Es handelt sich meist um hohe, schlanke Holzpodeste, in matt-dumpfem Taubenblau gestrichen, in denen die Entfeuchtungsanlage versteckt ist. Immerhin erreicht die Luftfeuchtigkeit im Sommer Werte bis zu 90 Prozent. Auf dem Sockel sitzen hohe Glasvitrinen, luft- und staubdicht und von außen beleuchtet, sodaß sie beim Auswechseln des Leuchtmittels nicht geöffnet werden müssen. Konservatoren und Putzfrauen nehmen solche praktischen Feinheiten voll Dankbarkeit an. Alle Maße sind auf ein mal eineinhalb Fuß aufgebaut (ein Fuß entspricht etwa 30 Zentimetern). So sind die kleinsten Vitrinen besonders gut dazu geeignet, Münzen, Gemmen und Schmuck zu präsentieren.
Die Kostbarkeiten werden auf dünnen Glasstäben schräg angebracht, damit das Licht optimal darauf fällt und jede Oberfläche, jedes Relief und jede Struktur perfekt sichtbar werden. In die Wand eingelassene Schaukästen sind von zarten Messingprofilen gefaßt. Große Vitrinen folgen dem Gesamtkonzept; das streng angewandte Fußmaßsystem schafft Einheitlichkeit und Ruhe.
Das Lichtsystem für die Ausleuchtung der Räume ist in die dunkel gebeizten Holzdecken integriert. Schwenkbare, halbkugelige Leuchten sind unaufdringlich eingefügt und unterstützen das Anstrahlen der Exponate im Randbereich. Aus konservatorischen Gründen werden Reliefplatten heute nicht mehr in die Wand eingelassen, sondern freigestellt.
Rot sind im Obergeschoß die Räume der Seitenflügel – ein mattes, schmeichelndes und doch kräftiges pompejanisches Rot. Das sanfte, bläuliche Petrolgrün des Mittelrisalites harmoniert gut damit und unterstreicht die räumliche Differenzierung. Aber auch in den Büros und Sozialräumen hat man subtil Mut zur Farbe bewiesen.
Jeder Reisende hat schon erfahren, daß eine Farbe an verschiedenen Orten anders wirkt. Warum? Weil die Lichtqualität eine jeweils andere ist. Wenn ein „römisches“ Rot bei uns so ausschauen soll wie in Pompeji, muß mehr Gelbanteil beigemischt werden.
Auch starken jahreszeitlichen Schwankungen ist die Lichtqualität unterworfen. Fürs Museum Carnuntinum wurden Farbmuster aufgetragen, die im Sommer und im Winter kontrolliert wurden. Der Museumsdirektor und Archäologe Werner Jobst, der Farbspezialist Oskar Putz und Architekt Puchhammer wählten gemeinsam mit Beauftragten des Denkmalamtes jene Farben aus, die dem Besucher einen Eindruck davon vermitteln, wie sich's im alten Rom gelebt haben mag.
Die Dachdeckung mit Wiener Taschen entsprach nicht dem Originalzustand. Heute ist wieder die ursprüngliche Mönchs- und Nonnendeckung angebracht – das römische „Tegulas“-Dach. Heizkörper, die früher auf Pfeilern plaziert waren, sind unter den Fenstern, hinter quadratischem, rot lackiertem Lochblech verschwunden. Diese Fenster mußten wieder in den dreiteiligen Urzustand zurückversetzt werden. Die Türen wurden wie zur Jahrhundertwende in Kammzugtechnik bearbeitet. Fertigteilelemente, von Ohmann als Brüstungsmauern im Gartenbereich verwendet, wurden ausgegraben und wiederverwendet.
Breit gelagert steht die alte römische Ohmann-Villa im Kurpark von Deutsch-Altenburg. Puchhammer hat sich hinter der Antike oder Ohmann nicht versteckt, sondern verneigt. Keine Kleinigkeit in unserer Zeit.
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