Bauwerk
Kindergarten am Schlatt
Burkhalter Sumi Architekten - Lustenau (A) - 1994
Formvollendung oder Nutzungsqualität?
Der neue Kindergarten von Burkhalter und Sumi in Lustenau
3. Juni 1994 - Ursina Jakob
Der Anblick der rotweissen Schatulle auf der gelb geblümten Wiese, das Wechselspiel der liegenden und stehenden schmalen Fenster, der Gebäudehöhen und Fassadenfarben ist überaus reizvoll. Im Innern wiederholt sich das Rot im Linoleum der Tische und Schiebetüren, das Weiss in den ungehobelten Deckenbrettern und dem hellen Birkenholz der glatten Wandverkleidung. Das Schönste an diesem überaus sorgfältig durchgestalteten Bau aber ist das gefilterte Tageslicht, das durch Mattglas in der flachen Decke den Korridor erhellt. Dieser führt an den Gruppenräumen und den dazugehörigen Garderoben vorbei und erweitert sich an seinem Ende zum Koch-Ess-Raum. Drei weitere Räume nach Norden und zwei über den südorientierten Garderoben sind in diesem Flügel untergebracht.
Repräsentationsraum statt Atelier
Die Gruppenräume für drei Kindergartenklassen haben doppelte Geschosshöhe und geräumige Galerien. Je eine Seitenwand ist mit Schiebetüren zur Regal- und Schrankwand ausgebildet. Vorhanden oder leicht einzurichten sind die Bereiche zum Bilderbücher-Anschaün, Kuscheln, Spielen mit Puppen oder Puzzles. Wo aber finden Zeichentische mit Tageslicht Platz? Wo soll die Kindergärtnerin die Staffeleien aufstellen? Wo ist Ablagefläche für Lehmarbeiten und fürs Stehenlassen der geformten Figuren? Wo liessen sich Pinsel und Lappen zum Trocknen deponieren? Der Raum ist bildschön, aber seiner Bestimmung nicht sehr angemessen.
Offenbar sind die Architektin und der Architekt (oder die Bauherrschaft?) von einem funktionalen Raumkonzept ausgegangen: ein Raum für die „sauberen“ Aktivitäten wie Singen und Geschichtenerzählen, einer fürs Turnen, einer fürs Gröbere. Hinter dem Essraum mit perfekter Küchenausstattung liegt nochmals ein Raum mit Nordlicht, dessen Bestimmung schwer zu deuten ist. Er enthält Wandschränke für Bastel- und Zeichenmaterial und einen praktischen grossen Ausguss. Ist er zum Malen und Werken gedacht? Die übrige Einrichtung lässt nicht darauf schliessen. Die Tische sind für Kinder zu hoch und stehen mitten im Raum eher im Weg als am Licht. Der kleinere Osttrakt enthält Team- Zimmer und Räume für die ambulante Säuglingsberatung und im Obergeschoss drei schöne Appartements. Auch hier fallen sorgfältiger Innenausbau und subtile Farbgebung auf.
Form trübt Funktion
Dem raffiniert mit Höhen spielenden Baukörper sieht man die Zweigeschossigkeit nicht wirklich an. Nach aussen schliesst er sich rundum hermetisch ab: kein Rost vor den Fenstertüren der Gruppenräume, keine Stufe ins Freie, kein Vordach stört die aneinandergefügten Quader. Der Bau ist ästhetisch stimmig. Man denkt an die Schrein- Architektur der jüngsten Zeit, an Bauten von Zumthor oder Herzog & de Meuron. Bei einem Museum mag die Innenorientierung richtig sein: im Fall eines Kindergartens aber sind Fragezeichen angebracht ob soviel Unterordnung der Nutzungsqualitäten unter formale Absichten: Fenstertüren, die zwar geöffnet werden können, aber nicht benutzt werden dürfen - weil die Kindergärtnerin den Dreck an den Schuhen fürchtet und keine Zwischenzone das Problem entschärft - können von Kindern nur als Schikane erlebt werden. Unerlässlich wären gedeckte Spielbereiche im Freien. Nicht nachvollziehbar ist auch der Entschied, den Weg von den Gruppenräumen derart umständlich bis zum Ausgang ins Freie zu führen: bis zu neunzig Kinder müssen dafür den gleichen Gang entlang der Gruppenräume passieren. (Ein Nachteil der Geschosswohnung, der im Kinderhaus nicht hätte wiederholt werden müssen.)
Marianne Burkhalter und Christian Sumi beweisen im formalen Entwurf und in dessen materialmässiger Umsetzung hohes Können, im Umsetzen der Bauaufgabe „Spiel- und Werkräume für Kinder“ weniger. Ihr Anspruch, keine kindertummelnde Puppenwelt zu erzeugen, sondern den Erwachsenenmassstab mit kinderspezifischen Elementen zu konfrontieren, ist richtig. Ein Teil der Kritik mag zudem die mitspracheberechtigten Kindergärtnerinnen treffen, die sich offenbar einigen Entwurfsideen erfolgreich widersetzt haben. Erstaunlicherweise lehnte eine der anwesenden Kindergärtnerin sogar das dominierende Rot ab. „Das macht aktiv - und die Kinder sollen hier nicht aktiv sein“, sagt sie allen Ernstes.
Repräsentationsraum statt Atelier
Die Gruppenräume für drei Kindergartenklassen haben doppelte Geschosshöhe und geräumige Galerien. Je eine Seitenwand ist mit Schiebetüren zur Regal- und Schrankwand ausgebildet. Vorhanden oder leicht einzurichten sind die Bereiche zum Bilderbücher-Anschaün, Kuscheln, Spielen mit Puppen oder Puzzles. Wo aber finden Zeichentische mit Tageslicht Platz? Wo soll die Kindergärtnerin die Staffeleien aufstellen? Wo ist Ablagefläche für Lehmarbeiten und fürs Stehenlassen der geformten Figuren? Wo liessen sich Pinsel und Lappen zum Trocknen deponieren? Der Raum ist bildschön, aber seiner Bestimmung nicht sehr angemessen.
Offenbar sind die Architektin und der Architekt (oder die Bauherrschaft?) von einem funktionalen Raumkonzept ausgegangen: ein Raum für die „sauberen“ Aktivitäten wie Singen und Geschichtenerzählen, einer fürs Turnen, einer fürs Gröbere. Hinter dem Essraum mit perfekter Küchenausstattung liegt nochmals ein Raum mit Nordlicht, dessen Bestimmung schwer zu deuten ist. Er enthält Wandschränke für Bastel- und Zeichenmaterial und einen praktischen grossen Ausguss. Ist er zum Malen und Werken gedacht? Die übrige Einrichtung lässt nicht darauf schliessen. Die Tische sind für Kinder zu hoch und stehen mitten im Raum eher im Weg als am Licht. Der kleinere Osttrakt enthält Team- Zimmer und Räume für die ambulante Säuglingsberatung und im Obergeschoss drei schöne Appartements. Auch hier fallen sorgfältiger Innenausbau und subtile Farbgebung auf.
Form trübt Funktion
Dem raffiniert mit Höhen spielenden Baukörper sieht man die Zweigeschossigkeit nicht wirklich an. Nach aussen schliesst er sich rundum hermetisch ab: kein Rost vor den Fenstertüren der Gruppenräume, keine Stufe ins Freie, kein Vordach stört die aneinandergefügten Quader. Der Bau ist ästhetisch stimmig. Man denkt an die Schrein- Architektur der jüngsten Zeit, an Bauten von Zumthor oder Herzog & de Meuron. Bei einem Museum mag die Innenorientierung richtig sein: im Fall eines Kindergartens aber sind Fragezeichen angebracht ob soviel Unterordnung der Nutzungsqualitäten unter formale Absichten: Fenstertüren, die zwar geöffnet werden können, aber nicht benutzt werden dürfen - weil die Kindergärtnerin den Dreck an den Schuhen fürchtet und keine Zwischenzone das Problem entschärft - können von Kindern nur als Schikane erlebt werden. Unerlässlich wären gedeckte Spielbereiche im Freien. Nicht nachvollziehbar ist auch der Entschied, den Weg von den Gruppenräumen derart umständlich bis zum Ausgang ins Freie zu führen: bis zu neunzig Kinder müssen dafür den gleichen Gang entlang der Gruppenräume passieren. (Ein Nachteil der Geschosswohnung, der im Kinderhaus nicht hätte wiederholt werden müssen.)
Marianne Burkhalter und Christian Sumi beweisen im formalen Entwurf und in dessen materialmässiger Umsetzung hohes Können, im Umsetzen der Bauaufgabe „Spiel- und Werkräume für Kinder“ weniger. Ihr Anspruch, keine kindertummelnde Puppenwelt zu erzeugen, sondern den Erwachsenenmassstab mit kinderspezifischen Elementen zu konfrontieren, ist richtig. Ein Teil der Kritik mag zudem die mitspracheberechtigten Kindergärtnerinnen treffen, die sich offenbar einigen Entwurfsideen erfolgreich widersetzt haben. Erstaunlicherweise lehnte eine der anwesenden Kindergärtnerin sogar das dominierende Rot ab. „Das macht aktiv - und die Kinder sollen hier nicht aktiv sein“, sagt sie allen Ernstes.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Gemeinde Lustenau
Fotografie