Bauwerk

Ermitage Arlesheim
- Arlesheim (CH)
Ermitage Arlesheim, Foto: Roger Frei
Ermitage Arlesheim, Foto: Roger Frei
Ermitage Arlesheim, Foto: Roger Frei
Ermitage Arlesheim, Foto: Roger Frei

Das geheimnisvolle Tal

Zu Besuch in der Ermitage in Arlesheim

Der diesjährige Schulthess-Gartenpreis geht an die Stiftung Ermitage Arlesheim und Schloss Birseck. Der Schweizer Heimatschutz zeichnet damit das Engagement der Stiftung aus, die sich für den Erhalt des grössten sentimentalen Landschaftsgartens der Schweiz einsetzt.

10. März 2006 - Claudia Moll
In einem schattigen Tal östlich des historischen Ortskerns von Arlesheim liegt eine der bedeutendsten Gartenanlagen der Schweiz: die Ende des 18. Jahrhunderts entstandene Ermitage.
Der landschaftliche Stil des Parks hatte als Gegenströmung zu den streng gestalteten Barockgärten in den 1770er-Jahren in Europa Einzug gehalten. Neu stand die wilde, ungezähmte Natur als Schönheitsideal im Mittelpunkt. Die Landschaft selbst wurde als Garten begriffen und mit wenigen Eingriffen zu diesem gewandelt. So auch bei der Ermitage in Arlesheim.

Früher Erlebnispark

Das über dem Tal thronende Schloss Birseck, die im Talgrund stehenden Gebäude, der von Grotten und bizarren Felsformationen durchsetzte Schlosshügel boten die optimalen Voraussetzungen für die Anlage eines romantischen Gartens. Die beiden Urheber, die Baronin Balbina von Andlau-von Staal und ihr Vetter Domherr Heinrich von Ligertz, erkannten die Reize des Waldtales und wandelten es in einen romantischen Park. Haupteingriff war die Anlage eines labyrinthischen Wegnetzes, das die Besucher zu Aussichtspunkten führte, von denen aus die Blicke gezielt auf die Schönheiten der Umgebung gerichtet wurden: die weite Birsebene, die im Talgrund gelegenen Fischweiher, die zum Anwesen gehörenden Ökonomiegebäude oder die Domkirche von Arlesheim. Zudem führten die Wege die Besucher zu Gartenszenen, die sie mit Attraktionen überraschten oder als Orte der Besinnung zur Naturbetrachtung einluden. So wurden Szenen aus der antiken Mythologie in den bestehenden Höhlen nachgestellt, zum Beispiel in der Dianagrotte oder in der Appollogrotte. Von einem als Holzstoss getarnten Kabinett wurde der Blick des Eintretenden durch ein Fenster auf das Tal und seine drei Weiher gerichtet. Drei Gartenszenen widmeten sich – ganz im Sinne der Zeit – der christlichen Askese: die Grotte des Eremiten, der Eremitengarten und die Eremitenhütte. Diese Einsiedelei gab dem Garten, der anfangs noch «Solitude romantique près d’Arlesheim» hiess, bald seinen noch heute verwendeten Namen: die Ermitage.

Als der Garten 1785 eingeweiht wurde, befanden sich darin 15 dieser Gartenszenen. Die von Beginn an öffentlich zugängliche Anlage wurde schnell berühmt und erfreute sich sogar im Ausland eines grossen Ansehens; Reisende aus ganz Europa besuchten sie und gaben Anregungen zu ihrer Erweiterung und Verbesserung.

Umgestaltung, Zerstörung und Wiederaufbau

So wurde das Programm in den folgenden Jahren laufend verändert und neuen Moden angepasst. 1787 entstand zum Beispiel – sehr wahrscheinlich beeinflusst vom Epos «Die Alpen» von Albrecht von Haller aus dem Jahr 17291 – das Chalet des Alpes, eine rustikale Sennhütte, in der sich ein Konzert- und Speisesaal befand. Der Tod des Zürcher Idyllendichters Salomon Gessner gab 1888 den Ausschlag zur Umgestaltung der Grotte des Eremiten zur Gessnergrotte.

1793 wurde der Besucherstrom vorübergehend jäh unterbrochen: Im Zuge der Französischen Revolution zerstörten Franzosen und Einheimische die Anlage komplett und setzten die Ermitage und das Schloss in Brand. Balbina von Andlau kehrte danach nicht mehr in ihren Garten zurück und starb 1798 im Exil. Ihr Sohn, Conrad von Andlau, erwarb 1808 den Hof, den Burghügel und die Ruine des Schlosses Birseck. Zusammen mit dem schon alten Heinrich von Ligertz baute er die Ermitage wieder auf. Sie stellten einige der Gartenszenen wieder so her, wie sie ursprünglich waren; neue kamen hinzu, so zum Beispiel die Sophienruhe, ein Aussichtskabinett am mittleren Weiher. Als wichtigste Änderung integrierte Conrad von Andlau die Schlossruine in den Garten: Ein neu gebauter Rittersaal und die bestehende Kapelle wurden in neugotischem Stil ausgemalt und brachten als neues Thema das Mittelalter in die Gartenanlage.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts blieb die Ermitage im Besitz der Familie Andlau. Danach kaufte die Industriellenfamilie Alioth das Anwesen und bewohnte es bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Julius Achilles Alioth gestaltete die Anlage ebenfalls in einigen Bereichen nach seinem Geschmack weiter, er liess zum Beispiel zwischen dem mittleren und dem unteren Weiher eine Kaskade bauen. Zudem liess er als Erster in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts detaillierte Pläne vom Gut und auch von der Ermitage zeichnen. Mitte des 20. Jahrhunderts kam die Ermitage in den Besitz der Familie Iselin. Diesen Besitzern ist es zu verdanken, dass der gesamte Bereich – die Ermitage und die daran angrenzenden Baumgärten, Wiesen, Waldflächen und ein Rebhügel – dem wachsenden Bebauungsdruck ab Mitte des 20. Jahrhunderts standhalten konnte und frei blieb. So ist das ganze Ensemble mit der Ermitage als Kern bis heute als Einheit erlebbar.

Ort der Stille

Seit 1997 gehören Garten und Schloss Birseck der Stiftung Schloss Birseck und Ermitage Arlesheim. Zum Stiftungsrat gehören Vertreter des Kantons Baselland und der Gemeinde Arlesheim sowie Nachkommen der Familie Iselin. Die Stiftung setzt sich dafür ein, dass das wichtige geschichtliche Erbe auch heute noch weiterbestehen kann. Als ersten Schritt veranlasste sie, dass Parkanlage und Schlossruine 1999 unter Denkmalschutz gestellt wurden.

Die kosten- und pflegeintensiven Unterhaltsarbeiten wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte immer weiter reduziert. Heute sind grosse Teile der ursprünglich offenen Wiesenflächen verwaldet, wichtige Sichtachsen zugewachsen und die Gartenszenen teilweise verschwunden. Ein 1992 erstelltes Konzept zur Parkpflege und ein daraus resultierender Massnahmenkatalog von 2002 dienen seit der Unterschutzstellung als Leitfaden für Pflegemassnahmen, die von der Gemeinde Arlesheim ausgeführt werden. 2003 gab der Kanton Baselland ein Nutzungskonzept in Auftrag, das als Leitlinie für künftige Nutzungen gelten soll. Das Resultat dieser Arbeit kann in einem Satz zusammengefasst werden: Die Ermitage ist «ein Ort der Stille und Abgeschiedenheit». Dieser Leitgedanke wurde von allen beteiligten Partnern als verbindlicher Grundsatz verabschiedet. Konkret heisst das: Die Anlage ist zwar nach wie vor öffentlich zugänglich, es sollen aber keinerlei wirtschaftliche Nutzungen, wie zum Beispiel ein Wirtsbetrieb in einem der Waldhäuser, dazukommen. Die Ermitage soll weiterhin ein ruhiger, beschaulicher Ort bleiben, der vor allem von Spaziergängern genutzt wird.

Parkpflegewerk

Im Zusammenhang mit der Unterschutzstellung und der weiteren Mittelbeschaffung für die Unterhalts- und Pflegearbeiten forderte die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) ein umfassendes Parkpflegewerk. Seit April letzten Jahres ist das Wettinger Büro SKK Landschaftsarchitekten AG damit beauftragt. Das Parkpflegewerk wertet zum ersten Mal alle bislang entdeckten historischen Grundlagen aus: Gästebücher, Reisebeschreibungen, Stiche, Aquarelle und Pläne. Zudem orientieren sich die Landschaftsarchitekten an einer Bestandesaufnahme aller Elemente, die ein Ingenieurbüro im Auftrag der Denkmalpflege 2005 angefertigt hat, sowie an vegetationskundlichen Untersuchungen. Diese Fülle an Grundlagenmaterial zeichnet ein präzises Bild der Anlage und bildet die Grundlage für ein Leitkonzept und Massnahmenpläne.

Laut der mit der Arbeit beauftragten Landschaftsarchitektin Petra Schröder ist es wichtig, die Entwicklungsgeschichte der Anlage in ihrer ganzen Spannweite zu erforschen. Bislang wurden vor allem die beiden ersten Epochen der Entstehungsgeschichte – die Zeitspanne zwischen der Einweihung 1785 und 1792 und der Wiederaufbau ab 1812 – analysiert. Die späteren Besitzer beeinflussten die Anlage aber auch, genauso wie die heutigen neuen Nutzungsanforderungen oder die aktuelle Pflegesituation an ihr ablesbar sind. Dem zeitgenössischen Ansatz einer aufgeklärten Denkmalpflege folgend ist die Mehrschichtigkeit des Parks genauso schützens- und beachtenswert wie die ursprüngliche Anlage an sich. Ziel des Parkpflegewerkes soll laut Schröder auf keinen Fall die Rekonstruktion der ersten Epoche sein, vielmehr eine Darstellung des Wandels, den die einzelnen Orte im Laufe der Jahrzehnte erlebt haben. Vor allem sollen in Zukunft die unterschiedlichen Raumerlebnisse – enge und weite Situationen, bewachsene und freie Flächen sowie die Blickachsen – wieder erfahrbar werden. So ist auf den unter Alioth erstellten Plänen erkennbar, dass die Bewaldung ehemals offener Bereiche stark zugenommen hat – zum Beispiel bei der offenen Wiese, auf der früher das Chalet des Alpes stand. Heute unterliegt diese Fläche dem Waldgesetz. Es gilt nun nach Wegen zu suchen, um damit einen Umgang zu finden.

Die Bestandesaufnahme und die Analyse der Grundlagen sind weitgehend abgeschlossen. Im Moment werden das Leitkonzept und Massnahmenpläne erarbeitet. Diesen April soll das Parkpflegewerk als Entwurf der Stiftung vorgelegt werden. Die Stiftung will dann die darin enthaltenen Empfehlungen etappenweise umsetzen.
Anmerkung:
[1] In seinem Epos verherrlichte Albrecht von Haller das einfache Leben in der Natur und verband die Freiheit der Natur mit der Freiheit der Menschen. Das Epos gab dem Gedanken der Rückkehr zur Natur und der Abkehr von Luxus grossen Auftrieb (vgl. Heyer, S.5).

Literatur:
Hans-Rudolf Heyer: Die Eremitage in Arlesheim, Kanton Basel-Landschaft. Schweizerische Kunstführer GSK Nr. 672, Bern 2000.
Ortsmuseum Trotte Arlesheim (Hrsg.): Die Ermitage in Arlesheim, ein Spazier- und Gedankengang. Arlesheim 2003.
Brigitte Frei-Heitz: Die Ermitage in Arlesheim – quo vadis?, in: NIKE-Bulletin 2–3/03, S.18–23.
Brigitte Frei-Heitz: Ermitage Arlesheim, in: anthos 1/05, S.30–32.


Zusatz 1:

Der Schulthess-Gartenpreis
Der Schweizer Heimatschutz verleiht jährlich den Schulthess-Gartenpreis, der dank dem grosszügigen Stifterehepaar Marianne und Dr. Georg von Schulthess 1998 geschaffen werden konnte. Ziel des Gartenpreises ist es, die Gartenkultur in der Schweiz zu fördern und Verständnis zu schaffen.
Mit dem Preis werden Private, Institutionen oder Gemeinden ausgezeichnet, die herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Gartenkultur nachweisen können. Die Bestimmung der Preisträger erfolgt durch eine Fachkommission. Eine preiswürdige Leistung muss botanisch und architektonisch innovativ, ökologisch fortschrittlich und für längere Zeit angelegt sein. Auch beispielhafter Umgang mit historischer Substanz oder Grundlagenarbeit können ausgezeichnet werden.
Die Feier zur diesjährigen Preisübergabe findet am 12. Mai statt.


Zusatz 2:

Parkpflegewerk
«Ein Parkpflegewerk ist ein Instrument zur Analyse, zur Dokumentation, zur denkmalgerechten Pflege, zur Erhaltung und Restaurierung historischer Gärten, Parks, Plätze und Grünanlagen.»1 In einem ersten Schritt wird die Geschichte der Anlage von ihrer Entstehungszeit bis zur Gegenwart erforscht, wertungsfrei dargestellt und untersucht; anschliessend analysiert der Gartendenkmalpfleger in einer Bestandesaufnahme den aktuellen Bestand aller Elemente (Pflanzen, Bauten, Wege etc.). Basierend auf den Resultaten aus der geschichtlichen und der aktuellen Analyse wird die Anlage bewertet. In dieser Phase können eventuelle Konflikte, zum Beispiel zwischen den Zielen der Denkmalpflege, des Naturschutzes und der heutigen Nutzung, aufgezeigt werden. Aufbauend auf der Bewertung und der Analyse der Zielkonflikte erarbeiten Gartendenkmalpfleger in einem nächsten Schritt ein Leitkonzept, dessen einzelne Punkte anschliessend in konkreten Massnahmenplänen und -vorschlägen ausformuliert werden. Ein Parkpflegewerk würdigt eine Anlage als Kulturdenkmal und dient in der Regel als Grundlage für ihre Unterschutzstellung.

[1] Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur DGGL (Hrsg.): Historische Gärten in Deutschland – Denkmalgerechte Pflege. Neustadt 2000.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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