Bauwerk

Air Cargo Center
TREUSCH architecture - Wien (A) - 2006
Air Cargo Center, Foto: Rupert Steiner
Air Cargo Center, Foto: Rupert Steiner

Licht und Lamellen

Andreas Treusch und das Glück der großen Formate: das Air Cargo Center in Wien-Schwechat und Treuschs jüngster Wurf, die Erweiterung des Ars Electronica Centers in Linz - das architektonische Highlight der künftigen Kulturhauptstadt.

16. Dezember 2006 - Liesbeth Waechter-Böhm
Andreas Treusch ist Spezialist für das große Format, schreibt Robert Temel in „architektur.aktuell“. Man muss allerdings auch das (Wettbewerbs-)Glück haben, zu diesen „großen Formaten“ zu kommen. Treusch hat dafür einiges investiert, er nimmt an vielen Wettbewerben teil. Und ein paar - wichtige - hat er gewonnen. Von seiner Fachhochschule in Wels war im „Spectrum“ bereits die Rede. Das große Air Cargo Center und Handling Center West auf dem Flughafengelände Wien-Schwechat hat ihm den niederösterreichischen Holzbaupreis und kürzlich auch die internationale Auszeichnung „best architects 07“ eingetragen. Zuletzt fand sein Projekt für die Erweiterung des Ars Electronica Centers in Linz Beachtung, es wird das architektonische Highlight der künftigen Kulturhauptstadt sein.

Das vielversprechende Projekt stellt nicht nur eine bedeutsame städtebauliche Intervention in Linz-Urfahr, nahe der Donau, dar, es geht auch mit der architektonischen Belanglosigkeit des Stammhauses der Ars Electronica geschickt um. Dem banalen Haus wird ein Neubau zur Seite gestellt, und beide werden durch eine doppelschalige Glashaut zu einem kristallinen Kubus. Dieser Kubus sitzt scheinbar - es geht in Wirklichkeit noch mehrere Geschoße in die Tiefe - am einen Ende eines großen angehobenen Platzes, der mehrfach erschlossen ist, unter anderem durch eine Rampe, die vom Straßenniveau hinaufführt. Der Platz mündet am anderen Ende wiederum in einen „Kristall“: den Future Lab, der sich über Sitzstufen zum Platz hin abtreppt. Unter dem Platz liegt eine große Ausstellungshalle.

Die neue Gebäudeformation korrespondiert zweifellos mit der Umgebung. Sie nimmt auf die alten Strukturen Rücksicht, vor allem bleibt der Blick Richtung Donau frei. Außerdem ist der neue Platz von vornherein mit einer Option versehen: Es gibt hier zwar das Rathaus, aber keinen richtigen Hauptplatz. Der könnte sich auf dem „Maindeck“ des Ars Electronica Centers entwickeln, neben all den kulturellen Nutzungen, für die es sich sonst noch anbietet.

Einen so komplexen, vielschichtigen, in sich aber stimmigen und „beruhigenden“ Entwurf bringt man als Architekt vermutlich nicht zustande, wenn man das Terrain solcher - in sich auch widersprüchlicher - Aufgaben nicht schon erkundet hat. Treusch hatte dazu mit seinem Flughafenkomplex Gelegenheit, ausgerechnet einem Gewerbebau, aber von beachtlichen Ausmaßen. Es mag kurios erscheinen, im Kontext eines Kulturbaus darüber zu sprechen. Aber eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen letztlich doch unter einen Hut zu bringen - in eine Form zu gießen, die selbst auf die wildesten Alltagstätigkeiten noch ihre vereinheitlichende, beruhigende Kraft ausstrahlt, das ließ sich bei dieser Aufgabe durchexerzieren.

Das Cargo und Handling Center ist unter großem Zeitdruck, nach einem präzisen Terminplan entstanden. Denn dort, wo der alte Komplex stand, wächst inzwischen längst der neue Flughafenterminal von Itten-Brechbühl/Baumschlager Eberle aus dem Boden. Das bedeutete eine Art „fliegenden Umzug“ vom alten ins neue Haus, damit die Bauarbeiten für den Terminal in Angriff genommen werden konnten.

Das Center besteht im Wesentlichen aus Bürogeschoßen - je nach Gebäude zwei oder drei - und riesigen Hallen, die alle in Holz konstruiert sind. Sie haben durchwegs Sheddächer, durch die Nordlicht einfällt, mit ungewöhnlichen Spannweiten, um ein problemloses Manövrieren der zahlreichen Fahrzeuge zu gewährleisten.

Inhaltlich geht es hier einerseits um die Abwicklung der gesamten Luftfracht - übrigens bis hin zu lebenden Tieren; andererseits um die Ver- und Entsorgung von und mit allem, was Flugzeuge so brauchen - also vom Tankwagen bis zum Catering, vom Müllfahrzeug bis zur Gangway. Mit einem Wort: Hier herrscht 24-Stunden-Betrieb, es geht rund. Und: Der Komplex ist ein Hochsicherheitstrakt, genauso gesichert und kontrolliert wie der Flughafen. Andernfalls hätte man von hier nämlich die Möglichkeit, ungehindert ein Flugzeug zu erreichen.

Es gibt einen architektonisch dramatischen Moment, und der markiert den Haupteingang. Da überschneiden, verschränken sich die beiden Komplexe Cargo und Handling Center, die unterschiedlichen Gebäudehöhen treffen aufeinander, ein weit auskragendes Dach setzt einen besonderen Akzent.

Die Bürogeschoße selbst sind ruhig und horizontal gegliedert durch eine fixe Lamellenhaut zur Beschattung vor der Glasfassade. Drinnen hat Treusch in den Obergeschoßen über den Gängen Oberlichtkamine eingeschnitten, die atmosphärisch viel bringen. Da lassen sich dann auch tolle konstruktive Details, etwa in Form einer Brückenkonstruktion von knapp 40 Meter Länge ausfindig machen.

In den Hallen tritt dieser konstruktive Aufwand - bei einer Hallentiefe von 65 Metern kommen die Architekten mit einer Stütze aus - noch viel deutlicher in Erscheinung. Sie sind räumlich ein Erlebnis. Abends, wenn die Beleuchtung eingeschaltet wird, ziehen sich lange Lichtbänder rund um die Hallen - ein sehr wirkungsvoller Effekt.

Wenn man von oben, von einem der Bürogeschoße auf die Hallen schaut, blickt man auf eine faszinierende Dachlandschaft. Da hat der Architekt wohl viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Gewöhnliche Flachdächer mit Lichtkuppeln wären finanziell die billigere Variante gewesen. Aber die Flughafen Wien AG nimmt ihre Rolle als bedeutender Bauherr offenbar ernst. Sie wollte eine architektonische und nicht eine nur pragmatische Lösung.

Dass sich ein kleiner Bauherr für die eigene Repräsentation auch einmal etwas Besonderes leistet, das hat man schon erlebt. Hier geht es jedoch um einen gewaltigen Dimensions- und damit auch Bedeutungssprung. Der Komplex hat Vorbildwirkung. Und lässt das Beste für den neuen Flughafen hoffen.

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