Bauwerk
Fußgängersteg Rapperswil-Hurden
Walter Bieler, Huber&Partner AG - Rapperswil (CH) - 2001
Zwischen Wasser und Himmel
Der Fußgängersteg Rapperswil-Hurden
22. Juni 2006 - Walter Zschokke
Der Raum über dem Zürichsee ist weit. Ungewohnt weit in dem stark hügeligen, von Gletschern und Flüssen modellierten und von den Menschen dicht überbauten Gebiet zwischen Alpen und Jura, dem schweizerischen »Mittelland«. Nur die Seen bieten sich darin als offene, ebene Räume an. Der seit einigen Jahren bestehende Holzsteg zwischen der Stadt Rapperswil und dem ehemaligen Fischerdorf Hurden verbindet daher nicht nur zwei gegenüberliegende Ufer, sondern führt hinaus in diese besondere Weite zwischen Wasser und Himmel. Gewiss kann sich der Mensch mit einem Boot ebenfalls in diesen Raum hinaus begeben, aber das ist nicht dasselbe wie zu Fuß, etwa einen Meter über der Wasserfläche auf einem 2,40 Meter breiten Weg dahin zu gehen, zu schlendern oder zügig zu wandern, wie es gerade gefällt. Ganze 841 Meter ist er lang, der Steg, und fünf Mal ändert er mit einem Knick mehr oder weniger stark die Richtung, ohne aber das Ziel, eine Landzunge auf der anderen Seeseite, aus dem Blickfeld zu lassen.
Über die Funktion als Weg hinaus ist der Holzsteg raumbildendes, architektonisches Element, denn an einer Seite begleitet eine schulterhohe Geländerwand aus Eichenstaffeln, dem gleichen Material wie die Gehfläche, die schmale, langgezogene Plattform über dem Wasser. Die Geländerwand schneidet den Raum, teilt ihn viel stärker als der Steg allein dies vermöchte, schirmt aber zugleich, bietet räumlichen Halt in der Weite. Da kann die andere Seite getrost offen bleiben und bloß mit fünf dünnen horizontalen Drähten gesichert sein, die minimale Raumbildung ist da und wirkt beruhigend.
Man geht zirka zehn Minuten auf dem Steg. Das ist lang genug, dass die einfache, extrem reduzierte Raumbildung ihre subtile Wirkung entfalten kann und sich als solche im Gedächtnis festschreibt, einen Ort über dem Wasser schafft, dessen Geheimnis sich beim Begehen erschließt. Aber dieser Ort, das ist nicht bloß ein fünf Jahre alter Steg, das ist viel mehr. Das ist ein Seeübergang, der in die Prähistorie zurück- reicht, eine Tiefe von Jahrtausenden, was für uns Menschen an die Ewigkeit grenzt. Eine eiszeitliche Endmoräne des Linthgletschers bildet hier eine ausgedehnte Untiefe, die teils kaum einen halben Meter unter Wasser verläuft. Man darf annehmen, dass hier eine großflächige Furt bestand, die seit der Eiszeit ein vergleichsweise gefahrloses Überqueren des Gewässers erlaubte – problemloser als durch die schnell fließende Limmat unterhalb, oder die sumpfige Linthebene oberhalb des Zürichsees. Weiter dürfte der Weg dann beim heutigen Konstanz über den Rhein geführt haben und als Nord-Südachse frühen Wanderungs- und Handelsbewegungen gedient haben. Es erstaunt daher wenig, dass eine frühbronzezeitliche Inselsiedlung schon vor 3500 Jahren eine Stegverbindung zum Nordufer aufwies. Wobei die seit dem späten Neolithikum bestehende, relativ dichte Besiedelung der günstigen Uferzonen archäologisch belegt ist. Damals wurde der See mit Einbäumen befahren, in keltischer und römischer Zeit dann mit größeren Schiffen, schriftliche Quellen über regelmäßigen Fährbetrieb datieren aus dem 9. Jahrhundert.
Die Stadt Rapperswil gehörte von 1354 bis 1464 zum damaligen Österreich. Erzherzog Rudolf IV. ließ 1358 eine 1850 Schritt lange Brücke auf Pfahljochen errichten, um über einen eigenen, mit Wagen befahrbaren Übergang zu verfügen und damit die zur Eidgenossenschaft gestoßene Stadt Zürich mit ihrer Brücke über die Limmat zu konkurrenzieren. Über 500 Jahre lang wurde der Übergang regelmäßig erneuert, bis 1878 im Zuge des Eisenbahnbaus ein moderner Seedamm für Schiene und Straße eröffnet und die Holzbrücke abgebrochen wurde. Neben dem Handels- und Lokalverkehr diente der uralte Übergang den Pilgern auf ihren Reisen durch Europa, etwa auf das Südufer und von dort zum nahen Kloster Einsiedeln; als Teil des schweizerischen Jakobsweges weist er aber auch nach dem fernen Santiago de Compostela. Wir verstehen daher, dass dieser Weg über den Steg nicht irgendein Weg war und ist.
Als der zunehmende Automobilverkehr auf dem Seedamm den Fußgängern die Wanderfreude verdross, engagierte sich ab 1975 eine lokale Initiative, wieder einen Steg zu errichten. Da sie nach ein paar Jahren ins Stocken geriet, bot das Millennium den Anlass zu erneuter Anstrengung: Für die Baukosten von zirka 2 Mio Euro wurden Spenden gesammelt, verschiedene, zum Bau erforderliche Bewilligungen eingeholt – die Flachwasserzonen und Inseln stehen unter Naturschutz – und die Planung aktualisiert. Die Bauingenieure Bruno Huber und Walter Bieler (Holzbau) sowie der Architekt Reto Zindel entwickelten das Konzept und eine langlebige Konstruktion. Vom Splint befreite Eichenpfähle von 30, 45 und 70 Zentimeter Stärke und bis zu 16 Metern Länge wurden paarweise mit 7,50 Meter Abstand in den Seegrund gerammt. Metallene Kappen schützen die bewitterten Stirnflächen. Darauf ist jeweils ein mittels Schwert am stärkeren Pfahl eingespanntes Stahlprofil befestigt. Auf diesen Querträgern liegt ein Rost aus schmalen Eichenbalken, der als Gehfläche dient, wobei dank alternierenden Versatzes statische Durchlaufwirkung erzielt wird.
Minimierte Kontaktflächen und Dimensionen sowie ausreichende Durchlüftung sorgen für ein rasches Trocknen nach Regen- und Schneefällen. U-förmige Stahlprofilbügel halten die schmalen Balken in der Schar und dienen seitlich als Geländerpfosten. Die längs gerichteten Tragelemente, durch deren Fugen der Blick auf den Wasserspiegel fällt, lassen das Gehen auf dem Steg anders empfinden, als wenn sie quer liegen würden. Da die Fasern in Gehrichtung verlaufen, wird die Oberfläche von den Schuhsohlen mehr poliert als aufgeraut, was zu einer stets glatten und frischen Oberfläche führt. Die seitliche Holzbrüstung ist ähnlich wie die Gehfläche ausgeführt, wobei die Hölzer in Brett- und Lattendimensionen sich da und dort leicht gebogen haben und nun ein lebendiges expressives Bild abgeben. Das Geh- und Raumerlebnis ist einmalig. Selbst bei Schneeregen ist man fast enttäuscht, wenn der Weg auf dem Steg schon zu Ende ist – immerhin: in Gegenrichtung ist es um kein Haar schlechter.
Über die Funktion als Weg hinaus ist der Holzsteg raumbildendes, architektonisches Element, denn an einer Seite begleitet eine schulterhohe Geländerwand aus Eichenstaffeln, dem gleichen Material wie die Gehfläche, die schmale, langgezogene Plattform über dem Wasser. Die Geländerwand schneidet den Raum, teilt ihn viel stärker als der Steg allein dies vermöchte, schirmt aber zugleich, bietet räumlichen Halt in der Weite. Da kann die andere Seite getrost offen bleiben und bloß mit fünf dünnen horizontalen Drähten gesichert sein, die minimale Raumbildung ist da und wirkt beruhigend.
Man geht zirka zehn Minuten auf dem Steg. Das ist lang genug, dass die einfache, extrem reduzierte Raumbildung ihre subtile Wirkung entfalten kann und sich als solche im Gedächtnis festschreibt, einen Ort über dem Wasser schafft, dessen Geheimnis sich beim Begehen erschließt. Aber dieser Ort, das ist nicht bloß ein fünf Jahre alter Steg, das ist viel mehr. Das ist ein Seeübergang, der in die Prähistorie zurück- reicht, eine Tiefe von Jahrtausenden, was für uns Menschen an die Ewigkeit grenzt. Eine eiszeitliche Endmoräne des Linthgletschers bildet hier eine ausgedehnte Untiefe, die teils kaum einen halben Meter unter Wasser verläuft. Man darf annehmen, dass hier eine großflächige Furt bestand, die seit der Eiszeit ein vergleichsweise gefahrloses Überqueren des Gewässers erlaubte – problemloser als durch die schnell fließende Limmat unterhalb, oder die sumpfige Linthebene oberhalb des Zürichsees. Weiter dürfte der Weg dann beim heutigen Konstanz über den Rhein geführt haben und als Nord-Südachse frühen Wanderungs- und Handelsbewegungen gedient haben. Es erstaunt daher wenig, dass eine frühbronzezeitliche Inselsiedlung schon vor 3500 Jahren eine Stegverbindung zum Nordufer aufwies. Wobei die seit dem späten Neolithikum bestehende, relativ dichte Besiedelung der günstigen Uferzonen archäologisch belegt ist. Damals wurde der See mit Einbäumen befahren, in keltischer und römischer Zeit dann mit größeren Schiffen, schriftliche Quellen über regelmäßigen Fährbetrieb datieren aus dem 9. Jahrhundert.
Die Stadt Rapperswil gehörte von 1354 bis 1464 zum damaligen Österreich. Erzherzog Rudolf IV. ließ 1358 eine 1850 Schritt lange Brücke auf Pfahljochen errichten, um über einen eigenen, mit Wagen befahrbaren Übergang zu verfügen und damit die zur Eidgenossenschaft gestoßene Stadt Zürich mit ihrer Brücke über die Limmat zu konkurrenzieren. Über 500 Jahre lang wurde der Übergang regelmäßig erneuert, bis 1878 im Zuge des Eisenbahnbaus ein moderner Seedamm für Schiene und Straße eröffnet und die Holzbrücke abgebrochen wurde. Neben dem Handels- und Lokalverkehr diente der uralte Übergang den Pilgern auf ihren Reisen durch Europa, etwa auf das Südufer und von dort zum nahen Kloster Einsiedeln; als Teil des schweizerischen Jakobsweges weist er aber auch nach dem fernen Santiago de Compostela. Wir verstehen daher, dass dieser Weg über den Steg nicht irgendein Weg war und ist.
Als der zunehmende Automobilverkehr auf dem Seedamm den Fußgängern die Wanderfreude verdross, engagierte sich ab 1975 eine lokale Initiative, wieder einen Steg zu errichten. Da sie nach ein paar Jahren ins Stocken geriet, bot das Millennium den Anlass zu erneuter Anstrengung: Für die Baukosten von zirka 2 Mio Euro wurden Spenden gesammelt, verschiedene, zum Bau erforderliche Bewilligungen eingeholt – die Flachwasserzonen und Inseln stehen unter Naturschutz – und die Planung aktualisiert. Die Bauingenieure Bruno Huber und Walter Bieler (Holzbau) sowie der Architekt Reto Zindel entwickelten das Konzept und eine langlebige Konstruktion. Vom Splint befreite Eichenpfähle von 30, 45 und 70 Zentimeter Stärke und bis zu 16 Metern Länge wurden paarweise mit 7,50 Meter Abstand in den Seegrund gerammt. Metallene Kappen schützen die bewitterten Stirnflächen. Darauf ist jeweils ein mittels Schwert am stärkeren Pfahl eingespanntes Stahlprofil befestigt. Auf diesen Querträgern liegt ein Rost aus schmalen Eichenbalken, der als Gehfläche dient, wobei dank alternierenden Versatzes statische Durchlaufwirkung erzielt wird.
Minimierte Kontaktflächen und Dimensionen sowie ausreichende Durchlüftung sorgen für ein rasches Trocknen nach Regen- und Schneefällen. U-förmige Stahlprofilbügel halten die schmalen Balken in der Schar und dienen seitlich als Geländerpfosten. Die längs gerichteten Tragelemente, durch deren Fugen der Blick auf den Wasserspiegel fällt, lassen das Gehen auf dem Steg anders empfinden, als wenn sie quer liegen würden. Da die Fasern in Gehrichtung verlaufen, wird die Oberfläche von den Schuhsohlen mehr poliert als aufgeraut, was zu einer stets glatten und frischen Oberfläche führt. Die seitliche Holzbrüstung ist ähnlich wie die Gehfläche ausgeführt, wobei die Hölzer in Brett- und Lattendimensionen sich da und dort leicht gebogen haben und nun ein lebendiges expressives Bild abgeben. Das Geh- und Raumerlebnis ist einmalig. Selbst bei Schneeregen ist man fast enttäuscht, wenn der Weg auf dem Steg schon zu Ende ist – immerhin: in Gegenrichtung ist es um kein Haar schlechter.
Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt
Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifel
Akteure
TragwerksplanungArchitektur
Bauherrschaft
Stadt Rapperswil
Gemeinde Freienbach