Bauwerk

Bahnhofportal Süd
Rüssli Architekten - Luzern (CH) - 2006

Glas und Farbe

Das Lakefront Center von Justin Rüssli in Luzern - ein neuer Akzent in der Schweizer Hotel-Landschaft

1. September 2006 - Roman Hollenstein
Die Belle Epoque gilt als die grosse Zeit der Hotellerie. Den damals in den Metropolen und eleganten Kurorten entstandenen Luxustempeln ebenbürtig waren wohl erst wieder das «Fontainebleau» oder das «Eden Roc» mit ihren glitzernden Lobbys, Klubs und Restaurants, die Morris Lapidus um 1955 im Norden von Miami Beach schuf. Ende der achtziger Jahre brachte dann Ian Schrager mit den von Philippe Starck gestylten New Yorker Häusern «Royalton» und «Paramount» das Designhotel in Mode. Neue baukünstlerische Impulse erhoffte man sich daraufhin von Schragers Projekt am Astor Place in Manhattan, das Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas zu einem Leuchtturm in der Hotel- Landschaft machen sollten. Doch das ehrgeizige Projekt scheiterte 2001. An seiner Stelle zogen leider bald schon pompöse Riesenbauten wie der segelförmige «Burj al-Arab» in Dubai oder die mit Design überladene «Puerta América» in Madrid die Aufmerksamkeit auf sich.

Hierzulande setzte der Wiederaufschwung im Hotelbau Mitte der neunziger Jahre ein mit Tilla Theus' Transformation einer Zürcher Altstadtzeile zum Hotel «Widder» und der Erweiterung des «Zürichbergs» um einen schneckenförmigen Solitär von Burkhalter & Sumi. Vor zwei Jahren dann konnte mit dem architektonisch bedeutenden «Park Hyatt» von Meili Peter Zürichs erstes grosses Stadthotel des 21. Jahrhunderts eröffnet werden. Ihm folgte nun vor sechs Wochen in Luzern das «Radisson», das mit seiner skulpturalen Glashaut noch abstrakter wirkt als das Zürcher Luxushaus und einen farbigen Akzent in die Luzerner Hotel-Landschaft setzt. Seit die Leuchtenstadt mit Jean Nouvels KKL über eine neue Attraktion verfügt, herrscht bei den Hoteliers Aufbruchstimmung. So konnten Diener & Diener dem altehrwürdigen «Schweizerhof» und Pia Schmid dem «Montana» zu einem zeitgemässen Auftritt verhelfen, während Nouvel einen Altbau in das trendige «The Hotel» verwandelte; und zurzeit erweitern Herzog & de Meuron das 1957 wegweisende «Astoria», ein Frühwerk von Theo Hotz, um einen Anbau zum Kongresshotel.

Anders als diese Häuser, die entweder an der Seepromenade, am Hang oder im schönen Gründerzeitquartier zwischen Bahnhof und Altstadt liegen, erhebt sich das «Radisson» als Teil des multifunktionalen, auch Schulen und Wohnungen umfassenden Lakefront Center zwischen Bahnhof, KKL, Werftanlage und Dienstleistungszone in einer ebenso heterogenen wie städtebaulich spannenden Umgebung, die bis vor zwei Jahren noch durch die Güterschuppen der Bahn geprägt war. Obwohl es mit einem Nutzungsmix auf die wenn nicht schöne, so doch abwechslungsreiche Nachbarschaft antwortet, tritt das Lakefront Center zum See hin ganz entschieden als Stadthotel auf. Der 42-jährige Luzerner Architekt Justin Rüssli, der seine Sporen bei Steven Holl in New York abverdiente und in Zusammenarbeit mit diesem soeben die Schweizer Botschaftsresidenz in Washington vollenden konnte, gab dem Gebäude gleich mehrere Gesichter. Seine grösste Bildhaftigkeit erreicht das wie die Washingtoner Residenz mit seinen rechtwinkligen Auskerbungen und Erkern an eine minimalistische Skulptur gemahnende Haus an der Seefassade, die sich wie die Werftfassade aus einer Vielzahl gläserner Rechtecke zusammensetzt. Dabei erzeugen die bunten, in den Fenstern angebrachten Sonnenstoren ein Farbenspiel, das Erinnerungen an Holls MIT-Studentenheim in Cambridge wachruft.

Die zum Pilatus hin orientierte Gebäudewand öffnet sich auf einen U-förmigen, wiederum von drei unterschiedlichen Fassaden gefassten Innenhof, den sich Hotel und Schulen teilen. Man betritt ihn von einer der beiden das Bahnareal überspannenden Passerellen aus auf einer angedockten Brücke, die bereits den industriellen Touch der Gleisfassade vorwegnimmt. Diese mehrfach gebrochene Rückseite des Gebäudes verweist ihrerseits mit einer fünfgeschossigen Auskragung ganz im Norden auf die elegante Seefront.

Spaziert man vom KKL am Inselipark vorbei in Richtung Werft, so erblickt man vom Lakefront Center zunächst die seeseitige Terrasse des Hotelrestaurants. An der Werftstrasse betritt man die in kühles Blau getauchte Lobby des «Radisson», deren Wellenmotive und Raumteiler aus Fiberglas-Stäben an ein Aquarium denken lassen. Der transparente Raum geht fliessend über in die in Retrofarben von Orange bis Violett gehaltene Lounge-Bar mit ihren geblümten Sofas und den Sesseln von Ron Arad. Am Schluss der heiteren Raumsequenz wartet das Restaurant mit erdigen Tönen, dezentem Mobiliar und einer orange illuminierten Schauküche auf. Aus dieser von Justin Rüssli und dem französischen Designer Henry Chebaane ganz lichtdurchlässig konzipierten Eingangsebene führt eine Treppe hinauf zu den introvertierten Tagungs- und Kongressräumen. Darüber befinden sich die 165 bald in coolem Business-, intimem Ferien- oder angesagtem Freizeitlook gehaltenen Zimmer und Suiten. Anders als Nouvels «The Hotel», das sich mit kunstvoll inszenierten Räumen an ein mondänes Publikum richtet, will das «Radisson» als angenehme Light-Version eines Designhotels einem breiten Publikum gefallen.

Noch schöner als die Hotelgäste haben es nur die Besitzer der 23 Maisonettewohnungen, die sich im siebten und achten Geschoss wie ein Kranz um das Gebäude winden und dessen Starrheit rhythmisch auflösen. Dank wechselnden Ausblicken auf Berge, See und Bahnhof darf man sich hier permanent in den Ferien wähnen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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